Schulden, Scheidung, Schiebung: Neues zum Scheidungsrecht

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Die meisten Ehen werden heute in Form der Zugewinngemeinschaft geschlossen, das heißt, jeder behält sein eingebrachtes Vermögen und nur der Vermögenszuwachs wird im Fall einer Scheidung ausgeglichen. Jede dritte Ehe wird heute irgendwann einmal geschieden. Das Vermögen der Eheleute muss auseinandergesetzt werden. Der Deutsche Bundestag hat im Mai 2009 einer Änderungen des Zugewinnausgleichsrechts zugestimmt. Das reformierte Zugewinnausgleichsrecht soll im Scheidungsfall für mehr Gerechtigkeit bei der Vermögensauseinandersetzung sorgen. Das Grundprinzip des Zugewinnausgleich besteht darin, das der während der Ehe erzielte Vermögenszuwachs hälftig geteilt wird.

Die bisherige Rechtslage führte jedoch zu Ungerechtigkeiten. Künftig sollen auch Schulden berücksichtigt werden, die ein Ehepartner mit in die Ehe eingebracht hat und die dann innerhalb der Ehe getilgt wurden. Schulden wurden bisher nicht berücksichtigt. Weiterhin sollen Vermögensverschiebungen besser verhindert werden, damit die Ausgleichsansprüche nicht- wie häufig in der Vergangenheit- vereitelt werden. 

Fragen und Beispiele:

1. Was passiert jetzt mit Altschulden vor der Ehe?

Nach bisheriger Rechtslage blieben Schulden unberücksichtigt. Es gab kein negatives Anfangsvermögen. Der Ehegatte, der im Laufe der Ehe mit seinem zuerworbenen Vermögen nur seine anfänglich vorhandenen Schulden tilgt, muss diesen Vermögenszuwachs bisher nicht ausgleichen. Noch stärker betroffen ist der Ehegatte, der die Verbindlichkeiten des anderen Ehegatten tilgt und zusätzlich eigenes Vermögen erwirbt. Hier blieb nicht nur die Schuldentilgung und der damit verbundene Vermögenszuwachs beim Partner unberücksichtigt; der Ehegatte musste auch das eigene Vermögen bei Beendigung des Güterstandes teilen.

Dies ist nach der Reform nicht mehr so. Negatives Anfangsvermögen wird in Zukunft berücksichtigt und der Grundgedanke des Zugewinnausgleichs konsequent durchgeführt.

2. Beispiel mit Altschulden: vor und nach der Refom

Heinz und Hilde S. lassen sich nach 10jähriger Ehe scheiden. Heinz S. hatte bei Eheschließung gerade ein Unternehmen gegründet und 300.000 Euro Schulden. Im Verlauf der Ehe erzielte er einen Vermögenszuwachs von 500.000 Euro. Das Endvermögen von Heinz S.  beträgt also 200.000 Euro. Seine Frau Hilde S. hatte bei Eheschließung kein Vermögen und keine Schulden und hat ein Endvermögen von 300.000 Euro erzielt. Sie war während der Ehezeit berufstätig und kümmerte sich um die Kinder. Bislang musste Hilde S. ihrem Mann einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 50.000 Euro zahlen, weil seine Schulden bei Eheschließung unberücksichtigt blieben. Nach neuer Rechtslage, die eine Berücksichtigung des negativen Anfangsvermögens vorsieht, haben Regina und Thomas K. jeweils einen Zugewinn von 400.000 Euro erzielt. Deshalb muss Hilde S. keinen Zugewinnausgleich an ihren Mann zahlen, sondern erhält viel Geld.

3. Wie können künftig Vermögensverschiebungen und Manipulationen verhindert werden?

Für die Berechnung des Zugewinns kommt es auf den Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags an. Die endgültige Höhe der Ausgleichsforderung wird aber bislang durch den Wert begrenzt, den das Vermögen zu einem regelmäßig deutlich späteren Zeitpunkt hat, nämlich dem der rechtskräftigen Scheidung durch das Gericht. In der Zwischenzeit besteht die Gefahr, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte sein Vermögen zu Lasten des ausgleichsberechtigten Ehegatten beiseite schafft. Diese Gefahr ist künftig gebannt.

4. Beispiel für eine (kleine) Vermögensverschiebung

Als Mustermann Link die Scheidung einreicht, hat er einen Zugewinn von 20.000 Euro erzielt. Musterfrau Verona hat kein eigenes Vermögen. Nach Einreichung der Scheidung gibt Mustermann Link 8.000 Euro für eine Urlaubsreise mit seiner neuen Geliebten aus und behauptet zudem, die restlichen 12.000 Euro mit einer Aktienspekulation verloren zu haben. Bei Beendigung des Güterstandes durch das rechtskräftige Scheidungsurteil ist Mustermann Link kein Vermögen nachzuweisen. Verona stehen zwar rechnerisch 10.000 Euro  zu. Da das Vermögen des Mustermann Link nach dem Scheidungsantrag aber verschoben wurde, hat sie plötzlich keinen Anspruch mehr. Vor solchen Manipulationen ist der ausgleichsberechtigte Ehegatte künftig geschützt. Die Güterrechtsreform regelt, dass der Berechnungszeitpunkt "Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages" nicht nur für die Berechnung des Zugewinns, sondern auch für die Bestimmung der Höhe der Ausgleichsforderung gilt. Ansprüche wie der von Franziska M. im Beispielsfall bleiben damit bestehen.

5. Ist der Auskunftsanspruch gestärkt worden?

Eine weitere Neuerung ist ein Auskunftsanspruch über das Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung: Jeder Ehegatte kann künftig Auskunft über das Vermögen des anderen zum Trennungszeitpunkt verlangen. Diese Auskunft dient dem Schutz vor Vermögensmanipulationen zwischen Trennung und Zustellung des Scheidungsantrags. Denn mithilfe des Auskunftsanspruchs kann jeder Ehegatte erkennen, ob das Vermögen des anderen in diesem Zeitraum geschrumpft ist. Das Gesetz geht aber noch weiter: Eine aus den Auskünften ersichtliche Vermögensminderung ist ausgleichspflichtiger Zugewinn, sofern der Ehegatte nicht entgegenhalten kann, dass keine illoyale Vermögensminderung vorliegt, sondern ein unverschuldeter Vermögensverlust.

6. Wie kann der Rechtschutz für Ehegatten verbessert werden?

Der Schutz des ausgleichsberechtigten Ehegatten wird aber nicht nur durch den neuen Auskunftsanspruch gestärkt, sondern auch durch eine Modernisierung des vorläufigen Rechtsschutzes.

7. Beispiel zum verbesserten Rechtsschutz

Susi Q. ist als erfolgreiche Unternehmerin unter anderem Alleineigentümerin einer vermieteten Eigentumswohnung. Diese Eigentumswohnung stellt als Kapitalanlage einen nicht unerheblichen Teil ihres Vermögens dar. Sie will sich von Alfred Q., einem erfolglosen Vertreter, scheiden lassen und kündigt ihm unter Zeugen an: Du bekommst von mir nichts. Unmittelbar nach der Trennung inseriert sie die Wohnung zum Verkauf, obwohl dies wirtschaftlich nicht sinnvoll ist. Alfred Q. befürchtet nun, dass der Verkauf nur dazu dienen soll, den Erlös beiseite zu schaffen, um ihm keinen Zugewinnausgleich zahlen zu müssen. Solchen Fällen wird künftig ein Riegel vorgeschoben. Der Ehepartner, dem hier der Schaden droht, kann den Zugewinn leichter vorzeitig geltend machen. Dieses Recht kann er in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren vor Gericht sichern. Damit wird verhindert, dass der andere Ehepartner sein Vermögen ganz oder in Teilen beiseite schafft.

8. Wann tritt das Gesetz in kraft?

Das vom Bundestag beschlossene Gesetz soll am 1. September 2009 in Kraft treten. 

Wir stehen Ihnen mit Fachanwälten für Insolvenzrecht und Familienrecht gerne für Auskünfte, Beratungen und Vertretungen zur Verfügung.

pkl
Hermann Kulzer, Rechtsanwalt,
Fachanwalt für Insolvenzrecht

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