Schulrecht: Bußgeld wegen Schulpflichtverletzung bei fehlendem Attest?

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Ein ganz praktischer Fall war Gegenstand eines Bußgeldverfahrens. Was war passiert?

Eine weiterführende Schule in NRW hatte aufgrund leidvoller Erfahrung in einem Elternbrief vor den Sommerferien mitgeteilt, dass bei allen Schülerinnen und Schülern, die am letzten Schultag vor oder am ersten Tag nach den Ferien aus Krankheitsgründen nicht zur Schule kämen, ein Attest vorzulegen sei.

Nach der Rückkehr aus dem Urlaub mit dem Flugzeug erkrankte eine Schülerin und konnte tatsächlich am ersten Tag nach den Ferien noch nicht zur Schule kommen. Der Arzt stellte aber kein Attest aus. Die konkreten Gründe sollen hier keine Rolle spielen. Unter anderem war der Arzt aber der Meinung, dass ein Attest von der Schule nicht verlangt werden könne.

Weil die Eltern ihre minderjährige Tochter zwar telefonisch im Sekretariat als krank entschuldigt hatten und die Tochter sodann auch eine schriftliche Entschuldigung mit in die Schule brachte, zeigte die Schule den Vorgang wegen des fehlenden Attestes bei der Schulbehörde an, die sodann nach Anhörung der Eltern einen Bußgeldbescheid erließ. Beide Elternteile sollten jeweils 300,00 € zzgl. Gebühren als Bußgeld zahlen, weil die Tochter ohne Attest unentschuldigt gefehlt habe.

Zu Recht?

Nein. Der Tatbestand des § 126 Abs. 1 Nr. 4 SchulG NRW ist vorliegend nicht erfüllt. Und zwar aus zwei Gründen.

Zunächst einmal bedingt der objektive Tatbestand des § 126 Abs. 1 Nr. 4 SchulG NRW, dass die Eltern den Schulbesuch der Tochter regelwidrig verhindert hätten. Das haben sie aber schon deswegen nicht, weil die Tochter krankheitsbedingt die Schule an dem Tag nicht besuchen konnte. Soweit sie nicht in der Lage war, die Schule zu besuchen, können die Eltern den Schulbesuch der Tochter nicht in ordnungswidriger Weise verhindert haben.

Überdies war die Tochter auch ausreichend entschuldigt. Der Arzt hatte vorliegend insoweit tatsächlich Recht, als er erklärte, dass kein Attest gefordert werden könne. Das ist deswegen in diesem Fall richtig, weil die Allgemeinverfügung der Schule an alle Eltern, bei Krankheit unmittelbar vor oder nach den Ferien ein Attest vorlegen zu müssen, ohne Ermächtigungsgrundlage war.

Nach § 43 Absatz 2 Schulgesetz NRW können Schulen nur bei begründeten Zweifeln, ob Unterricht aus gesundheitlichen Gründen versäumt wird, von den Eltern ein ärztliches Attest verlangen und in besonderen Fällen ein amtsärztliches Gutachten einholen. Die "begründeten Zweifel" verlangen eine Einzelfallprüfung. Das bedeutet, dass das Verlangen eines Attestes stets vom Einzelfall abhängt und individuell zu prüfen ist. Es ist deswegen nicht zulässig, für bestimmte Fallgestaltungen pauschal ein Attest zu fordern, weil das die betroffenen Eltern praktisch unter den Generalverdacht stellt, das betroffenen Schulkind auch ohne triftigen Grund nicht in die Schule geschickt zu haben.

Nach alledem war den Eltern nicht vorzuwerfen, das Kind nicht in die Schule geschickt und auch kein Attest vorgelegt zu haben.

Dieses Fallbeispiel zeigt, dass selbst die Mitarbeiter der Schulbehörde bisweilen die Rechtslage nicht genau kennen und unzutreffend einschätzen. Ohne anwaltlichen Beistand ist man in einer solchen Situation einigermaßen hilflos. Es empfiehlt sich daher, solche Vorgänge durch einen in der Materie bewanderten Rechtsanwalt prüfen zu lassen.


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