Schwarmfinanzierung: Maßgeblich ist die Erstellung des Vermögensanlagen-Informationsblattes (VIB)

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Es geht bei der Schwarmfinanzierung als Ausnahmetatbestand im Vermögensanlagengesetz um die Aufnahme von Kapital ohne Prospekt. 

Die Prospektpflicht als Grundsatz

Die Prospektpflicht als Grundsatz bleibt beim Vermögensanlagengesetz bestehen. Die Befreiung ist nur auf Vermögensanlagen anwendbar, die ausschließlich im Wege der Anlageberatung oder Anlagevermittlung über eine Internet-Dienstleistungsplattform vermittelt werden. Die Internet-Dienstleistungsplattform ist möglich mit einer Erlaubnis nach § 34 f Gewerbeordnung oder für vertraglich gebundenen Vermittler nach § 2 Abs. 10 Satz 6 KWG (KWG-Vermittler).

Diversifizierte Vermögensanlagen – drei davon für die Schwarmfinanzierung

Die Vermögensanlagen sind positiv normiert in § 1 Abs. 2 Vermögensanlagengesetz. Es sind Unternehmensanteile (Nr. 1), Anteile an Treuhandvermögen (Nr. 2), partiarische Darlehen (Nr. 3), Nachrangdarlehen (Nr. 4), Genussrechte (Nr. 5), Namensschuldverschreibungen (Nr. 6) und sonstige Anlagen, die eine Verzinsung und Rückzahlung oder einen vermögenswerten Barausgleich im Austausch für die zeitweise Überlassung von Geld gewähren oder in Aussicht stellen.

In Abgrenzung zu den Vermögensanlagen ist das Einlagengeschäft nach KWG zu sehen, ebenfalls Anteile an Investmentvermögen nach Kapitalanlagegesetzbuch und Wertpapiere nach dem Wertpapierprospektgesetz.

Befreiung von der Prospektpflicht für drei Vermögensanlagen

Die Befreiung von der Prospektpflicht nach § 2 a Vermögensanlagengesetz gilt für die folgenden drei Vermögensanlagen. Es sind partiarische Darlehen nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 Vermögensanlagengesetz (partiarische Darlehen geben statt der Zinsen eine Gewinnbeteiligung), Nachrangdarlehen nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 Vermögensanlagengesetz und sonstige Anlagen, die eine Verzinsung und Rückzahlung oder einen vermögenswerten Barausgleich im Austausch für die zeitweise Überlassung von Geld gewähren oder in Aussicht stellen, § 1 Abs. 2 Nr. 7 Vermögensanlagengesetz.

Voraussetzungen des Befreiungstatbestandes – 2,5 Mio. € maximal

Die Voraussetzungen des Befreiungstatbestandes müssen wie folgt erfüllt werden. Möglich ist der Verkaufspreis in Höhe bis zu 2,5 Millionen € sämtlicher angebotener Vermögensanlagen desselben Emittenten oder Anbieters (Gesamteinwerbung also bis zu 2,5 Mio. €). 

Die Vermittlung erfolgt über eine Internet-Dienstleistungsplattform. Die Deckelung des Anlagebetrages pro Anleger gemäß den entsprechenden Voraussetzungen beläuft sich auf 1000 € bzw. auf 10.000 €. Die Höhe hängt von der Selbstauskunft des Anlegers und der Höhe von maximal zwei Monatsgehältern ab.

Plattform eines Vermittlers gemäß § 34 f Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Gewerbeordnung 

Die Erlaubnis zur Vermittlung von Vermögensanlagen erfolgt im Regelfall über eine Internet-Plattform eines Vermittlers gemäß § 34 f Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Gewerbeordnung. Die Industrie- und Handelskammern bzw. Gewerbeaufsichtsämter überwachen die Einhaltung der Vorschriften nach der Gewerbeordnung und den Durchführungsbestimmungen, zum Beispiel gemäß § 16 Abs. 3 a FinVermV, die BaFin prüft die Einhaltung der Pflichten, insbesondere nach § 31 Abs. 5 a WpHG. Möglich ist auch eine Internet-Plattform eines gebundenen Vermittlers.

Hinterlegungsverfahren eines Vermögensanlagen-Informationsblattes (VIB)

Der zentrale Punkt bei der Schwarmfinanzierung ist in rechtlicher Hinsicht das Hinterlegungsverfahren eines Vermögensanlagen-Informationsblattes (VIB) bei der BaFin. 

Der Seitenumfang des VIB beträgt maximal 3 DIN A4 Seiten. Mitgeteilt werden soll auch, ob es einen Prospekt gibt oder nicht. Die Bezeichnung als VIB erfolgt gemäß den §§ 2 a, 13 Vermögensanlagengesetz. Die Mindestangaben und Hinweise richten sich nach § 13 Vermögensanlagengesetz.

Mindestangaben für das VIB 

Die Mindestangaben für das VIB sind in § 13 Vermögensanlagengesetz benannt. Auch die spezifischen Risiken müssten dargelegt werden: Bei einem doppelstöckigen Finanzinstrument, bei dem ein Finanzinstrument von der Wertentwicklung eines anderen Finanzinstrumentes abhängt, muss auf das doppelte Ausfallrisiko hingewiesen werden. Dieses gilt, wenn ein Nachrangdarlehen in ein anderes Nachrangdarlehen investiert.

Hinterlegung des VIB

Für die bestehenden Pflichten ist von Bedeutung das Verbot von Nachschusspflichten, § 5 b Vermögensanlagengesetz. Die Werbevorschriften sind gemäß den §§ 12,16 Vermögensanlagengesetz zu beachten. Die Pflicht zur Hinterlegung eines Vermögensanlagen-Informationsblattes (VIB) besteht gemäß den §§ 13, 14 Vermögensanlagengesetz. Das VIB ist das Transparenz- und Haftungsdokument für den Anleger bei fehlenden Informationen. 

Vorschrift für Warnhinweise auf Totalverlustrisiko

Die Warnhinweise richten sich unter anderem nach § 13 Abs. 6 Vermögensanlagengesetz. Der Warnhinweis (Hinweis auf Totalverlustrisiko nach § 13 Abs. 6 Vermögensanlagengesetz) muss zu Beginn der ersten Seite eingerahmt, farblich hervorgehoben, in größerer Schrift und dadurch dem Anleger ins Auge fallend dargestellt werden. 

§ 15 Abs. 3 bzw. 4 Vermögensanlagengesetz in Verbindung mit der Vermögensanlagen-Informationsblatt-Bestätigungsverordnung (VIBBestV) behandelt die Unterschrift durch den Anleger.

Hiernach gilt: Die Kenntnisnahme des Warnhinweises nach § 13 Absatz 6 ist von jedem Anleger vor Vertragsschluss unter Nennung von Ort und Datum durch seine Unterschrift mit Vor- und Familienname auf dem nach § 13 erstellten Vermögensanlagen-Informationsblatt zu bestätigen. Der Anbieter und der Anleger erhalten je eine Ausfertigung des gezeichneten Vermögensanlagen-Informationsblattes, § 15 Abs. 3 Vermögensanlagengesetz.  

Regulierung der Schwarmfinanzierung: Abgrenzung zu anderen KWG-Aktivitäten

Es gibt die spendenbasierte, die gegenleistungsbasierte, die kreditbasierte (Crowdlending) und die anlagebasierte (Crowdinvesting) Schwarmfinanzierung.

Die Plattformbetreiber sind auf jeden Fall erlaubnispflichtig. 

Die kapitalsuchenden Unternehmen können ebenfalls erlaubnispflichtig sein. 

Bei Kollektivanlagen gilt zum Beispiel das Kapitalanlagegesetzbuch mit seinen Erlaubnispflichten. Der jeweilige Fall hängt und steht mit der konkreten Ausgestaltung der Vertragsbedingungen. Deshalb müssen die Verträge im Falle des Prüfungsbedarfes an die BaFin mitgeschickt werden. Die konkrete Ausgestaltung des jeweiligen Geschäftsmodelles im Einzelfall ist entscheidend. Eine verbindliche Beurteilung ist daher nur auf der Basis einer umfassenden Prüfung der Verträge durch die BaFin möglich.

Die Erlaubnispflicht gemäß § 32 Kreditwesengesetz gilt für Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen. § 8 Abs. 1 Satz 1 ZAG gilt für Zahlungsdienste. In diesen Fällen müssen die Geschäfte gewerbsmäßig mit einem in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb geführt werden. 

Die Eingriffsbefugnisse der BaFin und Strafbefugnisse ergeben sich aus den §§ 37, 44 c, 54 KWG, §§ 4,5, 31 ZAG, §§ 15, 16, 339 KAGB, §§ 308, 331 VAG.

Die durch die BaFin erhobenen Zwangsgelder bis zu 250.000 € pro Verstoß können durch die Zollbehörden vollstreckt werden.

Das Recht auf Sachverhaltsaufklärung durch die BaFin ergibt sich aus § 44 c Kreditwesengesetz, die Einstellungs- und Abwicklungsbefugnis aus § 34 Kreditwesengesetz. Als Abwickler können Rechtsanwälte als Verwalter eingesetzt werden, allerdings nur zur Abwicklung. Es erfolgt insoweit Bestellung eines Abwicklers. Die Erteilung von Weisungen für die Abwicklung ist möglich.

Ausnahmetatbestände in § 2 KWG für Finanzdienstleistungen – Risiken beim Einlagen- und Kreditgeschäft

In § 2 KWG sind einige Ausnahmetatbestände für KWG-Erlaubnispflichten bei Vermögensanlagen aufgeführt.

Aber: Bei dem so genannten Crowdlending kann es sich um ein Kreditgeschäft gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 N. 2 KWG für den Darlehensgeber handeln. Dieser Fall liegt dann vor, wenn die Rückzahlung des Geldes versprochen ist, vereinfacht formuliert.

Für den Darlehensnehmer kann es sich um ein Einlagengeschäft gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG handeln.

Bei der Internetplattform ist ein Einlagengeschäft möglich, ein Kreditgeschäft und ein Finanztransfergeschäft gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 6 ZAG.

Ein Einlagengeschäft kann insoweit vorliegen, wenn Anlegergelder ohne feste Verwendungsabrede für ein ungewisses, zukünftig abzuschließendes Geschäft vorab eingesammelt werden, Oberlandesgericht Stuttgart, NJW 80,1798.

Bei der Vermittlungsplattform kann ein Finanztransfergeschäft vorliegen, § 1 Abs. 2 Satz Nr. 6 ZAG. Problematisch ist insoweit die Führung von Sammeltreuhandkonten.

Die Ausnahmebestimmungen bei den Finanzdienstleistungen

Die Aktivitäten der Internetplattform können weitere Finanzdienstleistungsgeschäfte erfassen. Hierfür liegen aber weite Ausnahmetatbestände vor.

Abzugrenzen von der Vermittlung ist insoweit das Emissions- und Platzierungsgeschäft, der Betrieb einer multilateralen Handelsplattform, die Anlagevermittlung, die Abschlussvermittlung, die Anlageberatung, die Finanzportfolioverwaltung und das Finanzkommissionsgeschäft. 

Hierfür gibt es Ausnahmebestimmungen wie folgt

So ist das Finanzkommissionsgeschäft ausschließlich als Dienstleistung für Anbieter oder Emittenten von Vermögensanlagen erlaubnisfrei, § 2 Abs. 1 Nr. 10 KWG. 

Eine Ausnahme gilt ferner für Unternehmen, die das Emissionsgeschäft ausschließlich als Übernahme gleichwertiger Garantien im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 für Anbieter oder Emittenten von Vermögensanlagen betreiben.

Die Ausnahmebestimmung von § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 8 lit. E KWG gilt, wenn die Anlageberatung und die Anlagevermittlung zwischen Kunden und Anbietern oder Emittenten von Vermögensanlagen, sofern sich diese Finanzdienstleistungen auf Vermögensanlagen, die erstmals öffentlich angeboten werden, beschränken und die Unternehmen nicht befugt sind, sich bei der Erbringung dieser Finanzdienstleistungen Eigentum oder Besitz an Geldern oder Anteilen von Kunden zu verschaffen, § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 8 lit. E KWG.

Eine weitere Ausnahme ist für das Platzierungsgeschäft ausschließlich für Anbieter oder für Emittenten von Vermögensanlagen gegeben, § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 19 KWG.

Als Finanzdienstleistungsinstitute gelten nicht Unternehmen, die außerhalb der Finanzportfolioverwaltung und der Anlageverwaltung keine Finanzdienstleistungen erbringen, sofern die Finanzportfolioverwaltung und Anlageverwaltung nur auf Vermögensanlagen beschränkt erbracht werden, § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 20 KWG.

Soweit die Ausnahmebestimmungen für Finanzdienstleistungen bei Vermögensanlagen.

Nachrangdarlehen beim Crowdinvesting

Beim Nachrangdarlehen besteht zunächst die Frage, ob ein qualifizierter Nachrang vorliegt. Dieses ist eine Frage der Auslegung der entsprechenden Vertragsbedingungen. Man kann hier keine 8 % Zinsen versprechen, damit würde das tatsächliche Risiko verschleiert werden. Insoweit läge kein Nachrangdarlehen vor, sondern ein Kreditgeschäft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG.

Crowdfunding durch Darlehen mit Sicherheitenbestellung 

Beim Crowdfunding durch Darlehen mit Sicherheitenbestellung kann ein Einlagengeschäft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG vorliegen. Insofern müssen Gefahren für den Anlegerschutz und den Markt vollständig ausgeschlossen sein. Es muss eine Verwertung und Befriedigung im Sicherungsfall ohne rechtsgeschäftliche Mitwirkung im Dritter möglich sein. Das Darlehen muss lückenlos von der Begebung bis zum Empfang der Rückzahlung gesichert sein, und zwar in Gestalt einer Zug-um-Zug-Leistung. Die Sicherheit muss für den Anleger überschaubar sein. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, kann ein Einlagengeschäft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG vorliegen.

Überdies darf die Übernahme von Finanzierungsverantwortung für den Anleger nicht verschleiert werden. Für den Anleger ist die bewusste Inkaufnahme unternehmerischer Risiken erforderlich. Die uneingeschränkte Absicherung der kompletten Rückzahlungsforderung kann insoweit den Nachrang konterkarieren (Quelle: Schwarmfinanzierung nach § 2 a VermAnlG, Präsentation BaFin – Rechtliche Grundlagen und Hinweise aus der Verwaltungspraxis vom 01.06.2017).

Fazit

Bei der spendenbasierten Schwarmfinanzierung sollte zwecks Meidung von Rückforderungsansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung der rechtliche Grund gesichert sein. Bei der gegenleistungsbasierten, kreditbasierten und der anlagebasierten Schwarmfinanzierung dürften sich die tatsächlichen unternehmerischen Risiken ergänzend aus den tatsächlichen betrieblichen Risikobeurteilungen des Anbieters bzw. des Emittenten ergeben. Maßgeblich können hierbei solche Größen sein, mit denen die nachhaltige Kontrolle in Bezug auf die Regeln der Kapitalerhaltung auf der Grundlage einer qualifizierten Risikoidentifikation und Risikoanalyse aufgezeigt worden sind. Als übergeordnete Voraussetzung für die Geltung der Ausnahmetatbestände für Vermögensanlagen nach dem Kreditwesengesetz könnte die ausreichende Ausgestaltung der Anlegerinformation zu vermuten sein. 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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