Schweigen ist Gold

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Die wahrscheinlich schärfste Waffe des Beschuldigten in einem Straf- oder Bußgeldverfahren ist sein Recht, einfach gar nichts zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu sagen. Es ist Aufgabe der Behörden, dem Beschuldigten den Tatvorwurf nachzuweisen. Dabei muss der Beschuldigte nicht auch noch behilflich sein und sich sein eigenes Grab selbst schaufeln.

Dieses Schweigerecht erstreckt sich auch auf Verwandte des Beschuldigten. Sie können als Zeugen die Aussage verweigern, wenn sie dadurch einen Verwandten belasten und somit in einen Konflikt mit ihm oder ihrem Gewissen kommen würden. 

In dem Fall, den das OLG Hamm (Beschluss v. 28.085.2019 – 4 RBs 147/19) entschieden hat, ging es um ein Bußgeld. Unklar war zunächst, ob der Betroffene wirklich der Fahrer war. Er selbst sagte nichts, aber ein Mitarbeiter der Bußgeldbehörde befragte die Mutter des Betroffenen und diese hat ihren eigenen Sohn reingeritten, indem sie gegenüber diesem Verwaltungsmitarbeiter eingeräumt hat, ihr Sohn sei der Fahrer gewesen.

Hinterher hat die Mutter dies offensichtlich bereut und sich vor Gericht auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Das brachte das Gericht in Schwierigkeiten, denn der Nachweis der Tat muss in der Hauptverhandlung erfolgen. Ein Rückgriff auf die protokollierten Angaben vor der Verwaltungsbehörde ist ohne Weiteres nicht möglich. 

In dieser Situation kam das Gericht auf einen Trick: Es vernahm einfach den Mitarbeiter der Bußgeldstelle als Zeugen. Der sagte dann sinngemäß aus: „Ja richtig, als ich die Mutter vernommen habe, hat sie ihren Sohn eindeutig als den Fahrer erkannt“. Und damit glaubte das Gericht, dem Sohn den Tatnachweis geführt zu haben.

Zu früh gefreut: Das OLG Hamm hat entschieden, dass dieser Trick aus Rechtsgründen nicht funktioniert. Denn so würde letztendlich das Zeugnisverweigerungsrecht ausgehöhlt. Aber Vorsicht: In manchen Fällen kann das Ergebnis anders aussehen, beispielsweise bei einer Vernehmung durch einen Richter im Ermittlungsverfahren. Und in manchen Konstellationen sind auch noch verfahrensrechtliche Besonderheiten zu beachten.

Moral von der Geschichte? 

Dem Sohn wäre viel Ärger erspart geblieben, hätte Mutti einfach geschwiegen. 

Und weil das alles im Detail so wahnsinnig kompliziert ist, ist eine sofortige (!) Verteidigerkonsultation mit umfassender strategischer Beratung ausnahmslos immer unabdingbar. Denn manchmal lassen sich Fakten, die zu Beginn der Ermittlungen geschaffen wurden, einfach nicht mehr aus der Welt schaffen.

Schöne Grüße aus Gelsenkirchen

Ihr

Daniel Siegl, Strafverteidiger im Ruhrpott


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