Schweigepflichtentbindung für das Jugendamt? Vorsicht! [Update 17.9.23]

  • 2 Minuten Lesezeit

Die Situation: 

Wenn das Jugendamt vor der Tür steht, bedeutet das nichts Gutes. Entweder es läuft ein Ermittlungsverfahren gegen Sie oder Ihren Partner wegen eines Sexualstraftat (z.B. Kinderpornographie) oder das JA meint, es bestehe aus anderen Gründen die Gefahr einer Kindeswohlgefährdung.

Es muss dabei noch nicht zu einer Inobhutnahme Ihres Kindes kommen, es reicht schon ein Verdacht und das Jugendamt wird im Vorfeld durch andere Maßnahmen tätig. Dazu sollen Sie als Eltern eine Schweigepflichtentbindung unterschreiben. Die Formulare sind als Muster online abrufbar, die Mitarbeiter des Jugendamtes haben bei Hausbesuchen in der Regel ein Formular dabei.

Sie stellen sich folgende Fragen: Wozu dient die Schweigepflichtentbindung? Bin ich verpflichtet, diese zu unterschreiben? Kann ich die einmal erteile Entbindung auch wieder „zurücknehmen“?

Die Rechtslage:

Zunächst sollten Sie verstehen, wozu die Schweigepflichtentbindung dient. Denn wenn Sie sich in einer psychischen Ausnahmesituation befinden und ad hoc dazu gedrängt werden, eine solche Erklärung zu unterschreiben, haben Sie vielleicht nicht die Zeit, den Sinn und Zweck zu verstehen. Das hat schon der Bundesgerichtshof anerkannt.

Was jeder weiß: Bestimmte Berufsgruppen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, zu diesen gehören unter anderem Ärzte, Psychologen und Rechtsanwälte. Wenn diese der Verschwiegenheit nicht nachkommen, begehen sie eine Straftat nach § 203 StGB, die „Verletzung von Privatgeheimnissen“.

Damit diese Strafbarkeit nicht droht, kann man diese Berufsgruppen von ihrer Schweigepflicht entbinden – durch die Schweigepflichtentbindung. Dies kann geboten sein, um Sachverhalte besser aufzuklären.

Das Jugendamt will dadurch eine „Gefährdungseinschätzung“ vornehmen, denn das JA hat nach § 8a SGB VIII einen Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung, d.h., es soll durch Hinzuziehung der o.g. Berufsgruppen eingeschätzt werden, ob eine Gefährdungslage für Ihr Kind besteht. Oftmals sind sich die Eltern bei der Einwilligung zur Schweigepflichtentbindung nicht bewusst, dass Ärzte, Psychologen und weitere auch Angaben machen könnten, die nachteilig sind und zur Inobhutnahme ihres Kindes führen könnten oder die Wegweisung eines Elternteils aus der gemeinsamen Wohnung bedeuten.

Eine ausdrückliche Pflicht, die Schweigepflichtentbindung zu unterschreiben, besteht nicht. Allerdings besteht für die als Eltern eine gewisse Mitwirkungspflicht an der „Sachverhaltsaufklärung“. Diese Mitwirkungspflicht kann sich (wenn auch nicht direkt) aus § 4 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) ergeben.

Die Einwilligung können Sie jederzeit widerrufen. Doch aufgepasst: Dieser Widerruf könnte als Verletzung Ihrer Mitwirkungspflicht ausgelegt werden. Sofern das Jugendamt so Ihre „Unwilligkeit“ zur Gefahrabwendung begründen will, könnte eine Inobhutnahme des Kindes nach § 1666 BGB drohen. Die allerdings würde gerichtlich überprüft werden.

Was nun?

Wie Sie gesehen haben, ist eine Schweigepflichtentbindung stets mit Risiken verbunden und die Gefahr des Missbrauchs ist hoch. Es drohen erhebliche Konsequenzen, wenn Sie in dieser Sache die falsche Entscheidung treffen, auch, hinsichtlich eines Widerrufs der Entbindung bedarf es einer sorgfältigen Abwägung des Für und Wider.

Wir beraten Sie, wenn Inobhutnahme, Wegweisung eines Elternteils oder eine andere schwere Maßnahme aufgrund von Sexualdelikten oder anderen Straftaten drohen oder Sie Fragen zur Schweigepflichtentbindung haben. Keine falsche Scham. Wir beraten bundesweit – persönlich, aber auch per Telefon und Zoom, Mail und WhatsApp.


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Dr. Daniel Kötz berät im Medienstrafrecht (Straftaten mit Worten, Daten und Bildern) und im angrenzenden Familienrecht. Er kennt sich mit Jugendämtern aus.

Foto(s): Frank Beer

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