Sexualstrafrecht, Strafen, Altersgrenzen, Freiwilligkeit
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Personen unter 14 Jahren sind vor dem Gesetz schuldunfähig und können niemals strafrechtlich angeklagt und bestraft werden, egal was sie getan haben. Aber ab 14 Jahren durchaus.
Wenn Sie mindestens 14 Jahre alt sind gilt daher:
Eine sexuelle Handlung mit einer Person unter 14 Jahren ist immer eine Straftat.
Es gibt keine Ausnahme.
Nach § 176 I StGB wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahre bestraft, wer an einer Person unter 14 Jahren (Kind) sexuelle Handlungen vornimmt oder an sich vom Kind vornehmen lässt.
Strafbar ist eine sexuelle Handlung. Das ist nicht nur der Geschlechtsverkehr, sondern zum Beispiel auch der Oral- oder Analverkehr, die Selbstbefriedigung vor dem anderen oder die Vornahme durch den anderen, das Zeigen von Pornografie, Petting, etc.
Bei sexuellen Handlungen einer 13jährigen Person mit einer 14jährigen Person macht sich die 13jährige also nicht strafbar, auch wenn sie die treibende Kraft war, die 14jährige hingegen schon. Und zwar wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes. Auch wenn alles einvernehmlich war.
Für solche Fälle sieht § 176 II StGB die Möglichkeit vor, von Strafe abzusehen, wenn der Unterschied sowohl vom Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist. Außerdem darf der Täter keine fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung ausgenutzt haben.
Aber dennoch: Wer über 14 ist und mit unter 14jährigen sexuelle Handlungen vornimmt, hat ein strafrechtliches Problem.
§ 176 II StGB ist nur eine Kann-Vorschrift, keine Muss-Vorschrift. Das Gericht muss also nicht von Strafe absehen.
Für Jugendliche, also zwischen 14 und 17jährige, gilt das JGG und nicht direkt das StGB. Für 18 bis 21jährige kann das JGG gelten. Bei über 21jährigen kann das JGG nicht gelten, dann greift immer das StGB und hier der § 176c StGB. § 176c StGB droht mindestens 18jährigen, die mit / an Kindern sexuelle Handlungen vornehmen, sogar eine Mindestfreiheitsstrafe von zwei Jahren an.
Wenn Sie mindestens 18 Jahre alt sind gilt zusätzlich:
Auch eine einvernehmliche sexuelle Handlung mit einer Person über 14 Jahren bis 17 Jahren kann eine Straftat sein, muss es aber nicht.
Ab 14 Jahren dürfen Personen grundsätzlich freiwillige sexuelle Handlungen an / mit Personen über 14 Jahren ausführen. Hier gibt es keine Altersgrenze bezüglich der anderen Person, diese kann auch deutlich älter sein. Einvernehmlicher Sex zwischen einer 14jährigen und einer 50jährigen Person ist also nicht generell strafbar. Es kann eine Strafbarkeit vorliegen. Aber nicht allein wegen des Altersunterschieds.
Eine Strafbarkeit liegt vor, wenn der erwachsene (mindestens 18 Jahre alt) oder jugendliche (14 bis 17 Jahre) alte Täter in einer Garantenstellung die jugendliche Person (14 -17 Jahre), mit der es zur sexuellen Handlung gekommen ist, zum Beipiel erzieht, ausbildet, betreut oder eine Zwangslage ausnutzt. Das können klassisch Lehrer und Schüler, Trainer und zu trainierende Person oder Berufsausbilder und Azubi sein. Das ist aber immer im Einzelfall genau zu prüfen. Denn in diesen Konstellationen kann zwar eine Strafbarkeit auch bei einvernehmlichen Sex vorliegen, sie muss es aber nicht. Strafrechtlich ist in solchen Fällen zu prüfen, ob ein sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen, § 174 StGB, oder ein sexueller Missbrauch von Jugendlichen, § 182 StGB, vorliegt.
Strafbar macht sich auch, wer Jugendliche für sexuelle Handlungen bezahlt, sei es durch Geld oder andere Dinge, oder ihnen Pornographie in egal welcher Art und Weise überlässt. Der Gesetzgeber hat mit der Zeit immer neue Straftatbestände eingefügt, so dass mittlerweile z.B. auch der Besitz von Anleitungen zum sexuellen Missbrauch von Kindern strafbar ist.
Ungeachtet des Alters ist eine sexuelle Handlung immer strafbar, wenn eine Person nicht freiwillig handelt!
Das sollte klar sein.
Dann kann § 177 StGB, sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, erfüllt sein.
Eine Person handelt nicht freiwillig, wenn ihr Gegenüber den entgegenstehenden Willen klar erkennen kann. Am klarsten: Die Person sagt unmissverständlich "nein".
Nicht jeder kann in der konkreten Situation sprechen oder überhaupt sprechen. Oder man spricht nicht dieselbe Sprache. Deswegen sind beispielsweise folgende Reaktionen auch als ein non verbales „nein“ zu werten: wegdrehen, wegstoßen, weinen, versteinern.
Sind Personen z.B. durch K.O.-Tropfen nicht in der Lage, den eigenen Willen nach außen zu äußern, so muss das Gegenüber davon ausgehen, dass die Person nicht einverstanden ist. Hier ist regelmäßig § 177 II StGB zu prüfen.
Und ein „nein“ heißt auch „nein“, wenn man zuvor mit den sexuellen Handlungen einverstanden war, aufreizende Kleidung trägt, sich für sexuelle Handlungen bezahlen lässt, verheiratet, befreundet, verwandt oder bekannt ist.
Das Gegenüber muss es aber auch wirklich erkennen können, dass die Person jetzt gerade nicht will. Das ist nicht der Fall bei widerwilligem Sex. Denn widerwillig bedeutet nicht gegen den Willen.
Ein „eigentlich habe ich keine Lust“, „rückblickend hat mir der Sex gar nicht gefallen“ oder „ich ertrage das jetzt, sonst verlässt er / sie mich“ u.ä. ist kein gegen den Willen im strafrechtlichen Sinn. Eine Strafbarkeit liegt dann regelmäßig nicht vor. Allerdings muss dies häufig von einer engagierten Verteidigung erst im Rahmen eines Strafprozesses durchgesetzt werden.
Welche Strafen drohen?
§ 174 StGB, sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen: 3 Monate bis zu 5 Jahre Freiheitsstrafe.
§ 174a StGB, sexueller Missbrauch von Gefangenen, behördlich Verwahrten oder Kranken und Hilfsbedürftigen in Einrichtungen, § 174b StGB, sexueller Missbrauch unter Ausnutzung einer Amtsstellung und § 174c StGB sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses sind Spezialvorschriften, die nicht auf das Alter abstellen. Sie alle sehen Freiheitsstrafen von 3 Monaten bis zu 5 Jahren vor.
§ 176 StGB, sexueller Missbrauch von Kindern: 1 Jahr bis 15 Jahre.
§ 176a StGB, sexueller Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind: 6 Monate bis 10 Jahre.
§ 176b StGB, Vorbereitung des sexuellen Missbrauchs von Kindern: 3 Monate bis 5 Jahre.
§ 176c StGB, schwerer sexueller Missbrauch von Kindern: nicht unter 2 Jahren.
§ 176d StGB, sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge: lebenslänglich, mindestens 10 Jahre.
§ 176e StGB Verbreitung und Besitz von Anleitungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren.
§ 177 StGB, sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, sieht Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu 5 Jahren vor. In besonders schweren Fällen und bestimmten Qualifikationen erhöht sich die Mindeststrafe auf 1 Jahr, 2 Jahre, 3 Jahre oder gar 5 Jahre und die Höchststrafe auf die gesetzliche Höchststrafe, 15 Jahre.
§ 178 StGB, sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge sieht Freiheitsstrafe nicht unter 10 Jahren vor, regelmäßig lebenslang.
§ 180 StGB, Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren.
§ 182 StGB, sexueller Missbrauch von Jugendlichen: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren.
Aufgrund der sehr langen Verjährungsfristen bei diesen Delikten sind gegebenenfalls alte Gesetzesfassungen neben der aktuellen zu prüfen, um festzustellen, welche günstiger sind.
Gerade wenn der Vorwurf von Sexualdelikten zum Nachteil von Kindern oder Jugendlichen im Raum steht, empfehle ich Ihnen sich schnellstmöglich anwaltlichen Rat einzuholen. Schon allein der Verdacht einer solchen Tat kann erhebliche soziale Konsequenzen haben. Die Strafdrohungen sind hoch, ebenso die Gefahr einseitiger Ermittlungn und Vorverurteilungen. Hier ist frühzeitiges und fachmännisches Handeln geboten.
Gerne stehe ich Ihnen mit meiner langjährigen Erfahrung auch in diesem Deliktsbereich zur Seite.
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