Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen, § 179 StGB

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Erfolgt eine Hausdurchsuchung oder erhalten Sie eine Vorladung zur Beschuldigtenvernehmung wegen des Vorwurfes des sexuellen Missbrauches widerstandsunfähiger Personen, ist dies eine sehr ernstzunehmende Sache.

Vor einigen Monaten hat mich ein Mandant im ersten Gespräch gefragt, wie hoch denn die Geldstrafe wäre, wenn sich der Vorwurf bewahrheiten sollte. Meine Antwort hierauf, dass wir hier sicherlich nicht mehr über Geldstrafen reden, sondern ihm im Falle der Verurteilung eine Haftstrafe droht, hatte er nicht erwartet. Doch so ist es. Aber auch unabhängig von der möglichen Bestrafung im Verurteilungsfalle gibt es hier regelmäßig viele Fragen:

I. Wann ist eine Person „zum Widerstand unfähig”?

Die Widerstandsunfähigkeit kann unterschiedliche Ursachen haben: Nach § 179 Abs. 1 StGB kann eine Person „wegen einer geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung einschließlich einer Suchtkrankheit oder wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung” (§ 179 Abs. 1 Nr. 1 StGB) oder auch „körperlich” (§ 179 Abs. 1 Nr. 2 StGB) zum Widerstand unfähig sein.

Grundsätzlich handelt es sich bei der Widerstandsunfähigkeit um die Unfähigkeit, einen Willen gegen das sexuelle Ansinnen des Täters zu bilden (dann: § 179 Abs. 1 Nr. 1, „geistig Widerstandsunfähig” – Unfähigkeit zur Willensbildung) bzw. zu äußern oder durchzusetzen (dann: § 179 Abs. 1 Nr. 2 StGB, „körperlich Widerstandsunfähig”).

„Geistige Widerstandsunfähigkeit” kann zunächst im Falle einer geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung gegeben sein.

Hiervon ist jedoch nicht jede Art der geistigen Behinderung erfasst, auch wenn diese einen „nicht unerheblichen Schweregrad” erreicht (NStZ-RR 05, 232, 233) oder die Person das Leben in einer geschützten und betreuten Einrichtung verbringt. Der Grund hierfür ist: Wäre der geschlechtliche Kontakt mit einer geistig behinderten Person per se strafbar, würde man hierdurch den geistig behinderten Menschen zugleich jegliche Dispositionsfreiheit über ihre eigene Sexualität absprechen – was sicherlich nicht richtig wäre. Ebenfalls nicht ausreichend ist, wenn eine Person aus pathologischer Existenzangst in die sexuelle Handlung einwilligt. Denn auch hier geht der Einwilligung eine Willensbildung voraus, womit gerade keine Willensunfähigkeit vorliegt (4 StR 338/11).

Festzustellen ist hier, dass die Anforderungen sehr hoch sind, und diese Möglichkeit wohl auch nur in Ausnahmefällen angewendet wird, beispielsweise bei geistig schwer behinderten Menschen.

Der weitaus häufigere Anwendungsfall der Widerstandsunfähigkeit ist die „tiefgreifende Bewusstseinsstörung”. Dieser Begriff erfasst: völlige Bewusstlosigkeit, wie Schlaf oder Ohnmacht; schwere Rauschzustände nach Alkohol-, Drogen- oder Medikamentenkonsum; Schockzustände sowie auch der Zustand völliger Erschöpfung oder Apathie (Darstellung nach Fischer, Kommentar zum StGB, § 179).

Das Vorliegen körperlicher Widerstandsunfähigkeit (im Sinne des § 179 Abs. 1 Nr. 2 StGB) setzt Gebrechen oder Hemmnisse voraus, die keine psychische Ursache haben. Gemeint sind beispielsweise körperliche Krankheiten oder Behinderungen somatischer Art (Lähmung) oder auch Zustände wie Fesselung. Körperliche Widerstandsunfähigkeit kann auch infolge des Festhaltens durch Dritte gegeben sein; erforderlich ist hier aber, dass das Opfer zu jeglicher Abwehrhandlung unfähig ist. Ist das Opfer nur körperlich unterlegen, verzichtet aber aus Furcht vor dem Täter auf Widerstand, ist keine körperliche Widerstandsunfähigkeit gegeben (dann aber Vergewaltigung gem. § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB in Form des „Ausnutzens einer hilflosen Lage”).

Insgesamt ist festzustellen: Das Opfer muss vollkommen unfähig sein, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern; ist die Willensbildung auch nur in Grundzügen möglich, liegt keine „Widerstandsunfähigkeit” vor; dann aber eventuell Vergewaltigung im Sinne des § 177 StGB.

Der in der Praxis häufigste Anwendungsfall ist das schlafende Opfer, an welchem sodann (in der Praxis meist nach vorangegangenem Alkoholkonsum beider oder einem der beteiligten Beteiligten) sexuelle Handlungen vorgenommen werden.

II. Was sind „sexuelle Handlungen”?

Wie bereits in vielen anderen Beiträgen ausgeführt wurde, wird die sexuelle Handlung in § 184g Nr. 1 StGB definiert als „jede Handlung, die im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit ist”. Hierbei wird die sexuelle Handlung nach objektiven Kriterien bestimmt, so ist beispielsweise schon jede Berührung der Geschlechtsteile einer anderen Person eine sexuelle Handlung, auch Berührungen über der Bekleidung (ausgenommen sind nur flüchtige Berührungen).

Im Zusammenhang mit dem Vorwurf des sexuellen Missbrauches von Widerstandsunfähigen ist aber selten (bzw. nie) problematisch, ob überhaupt eine sexuelle Handlung im Sinne des Gesetzes vorliegt. Denn in nahezu allen Fällen behaupten die vermeintlichen Geschädigten, sie seien im Schlaf an den Brüsten berührt worden bzw. ihnen sei ein Finger eingeführt oder es sei der Beischlaf vollzogen worden. Hierbei handelt es sich in jedem Fall unstreitig um „sexuelle Handlungen”.

III. Wie kann ich im schlimmsten Falle bestraft werden?

Grundsätzlich sieht der Gesetzgeber eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren vor.

Die vorgesehene Mindeststrafe erhöht sich aber dann erheblich, wenn „der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder Handlungen vornimmt, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind” (§ 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB). In diesem Fall beträgt die Mindeststrafe 2 Jahre; hierbei ist gleich auf Folgendes hinzuweisen: Nur Freiheitsstrafen von bis zu 2 Jahren können noch zur Bewährung ausgesetzt werden. Wird man wegen eines solchen Vorwurfs verurteilt, droht tatsächlich der Weg in die Haftanstalt als Sexualstraftäter.

Hier besteht aber dennoch Spielraum. Bei einem geständigen Täter rege ich immer frühzeitig die Durchführung eines sog. Täter-Opfer-Ausgleiches im Sinne des §§ 46a StGB an; dieser kann – wenn das Opfer zustimmt und eine finanzielle Wiedergutmachung geleistet wird – dazu führen, dass vom Gericht ein sog. „minder schwerer Fall” angenommen wird, welcher den Beschuldigten dann noch einmal vor der JVA rettet.

Wird der Vorwurf bestritten, muss die Verteidigung besonders gut und gründlich vorbereitet werden. Denn in diesen Fällen ist für den Täter im Falle der Verurteilung (soweit das Einführen des Fingers oder Penis in Rede steht) die Haftstrafe aufgrund der vorgesehenen Mindeststrafe von 2 Jahren zwingende Folge.

Die Antwort lautet also: Im schlimmsten Falle droht eine vollstreckbare Haftstrafe; diese liegt durchschnittlich bei einem bestreitenden und nicht einschlägig vorbestraften Ersttäter zwischen 2,6 Jahren und 3 Jahren (ohne Bewährung). Hinzu kommt dann die Eintragung in das polizeiliche Führungszeugnis sowie die sozialen Folgen.

IV. Wie kann ich mich gegen den Vorwurf verteidigen?

Wie man sich am besten verteidigt, hängt gerade hier von dem individuellen Fall ab. Denn anders als beispielsweise in Verfahren wegen Vergewaltigung oder sexuellem Missbrauch von Kindern gibt es hier eben keine belastende Aussage eines vermeintlichen Opfers, mit welcher man sich auseinandersetzen und Widersprüche herausarbeiten muss. Das (meistens schlafende Opfer) hat den vermeintlichen Vorfall naturgemäß nicht mitbekommen.

Gerade beim Vorwurf des sexuellen Missbrauches widerstandsunfähiger Personen kommt es darauf an, wie der vermeintliche Vorfall überhaupt bekannt geworden ist, welche Beweismittel zur Verfügung stehen und so weiter.

Rufen Sie mich an, schildern Sie mir – zunächst kostenlos und unverbindlich – Ihren Fall und wir erarbeiten eine individuell angepasste Verteidigungsstrategie.

V. Wie geht es weiter, wenn ich Sie in der Sache beauftrage?

Von dem Vorwurf erlangen die Betroffenen meist Kenntnis, wenn bei ihnen die Vorladung zur Beschuldigtenvernehmung eingeht oder es zu einer Hausdurchsuchung kommt. Mit diesen Unterlagen in der Hand suchen Sie dann nach einem geeigneten Anwalt, welchem Sie zutrauen, Ihnen in dieser schwierigen und unangenehmen Situation beizustehen und auch Ihre Interessen im Rahmen einer möglichen Gerichtsverhandlung kompetent zu vertreten.

Die erste Kontaktaufnahme erfolgt zumeist telefonisch oder per E-Mail. Kontaktanfragen werden hier immer schnell und meist innerhalb weniger Stunden beantwortet.

Wir besprechen dann zunächst, worum es überhaupt geht und was passiert ist. Dann lassen Sie mir alle Dokumente zukommen, die Sie in der Sache haben, per E-Mail-Scan im .pdf-Format oder auch gerne per Fax. Ich zeige dann gegenüber der Polizei Ihre Vertretung an, teile gleich mit, dass Sie sich nur schriftlich über die Kanzlei äußern und beantrage sodann zunächst einmal Akteneinsicht. In der Akte steht alles wichtige, insbesondere natürlich die Aussagen der Belastungszeugen, etc. Wenn dann die Akten kommen, besprechen wir den Inhalt gemeinsam, gerne lasse ich Ihnen eine Kopie der gesamten Akte per E-Mail oder auch als Kopie zukommen.

Dann erarbeiten wir eine Verteidigungsstrategie und bereiten hierdurch den Weg für den weiteren Fortgang des Verfahrens. Hier ist vieles denkbar: von einem frühen Geständnis, einer eigenen Erklärung zu dem Vorwurf, warum dieser unzutreffend ist und was wirklich passiert ist, bis zu einem vollständigen Schweigen zum Vorwurf – die richtige Verteidigung ist immer Frage des Einzelfalles.

VI. Mache ich mich nicht gerade verdächtig, wenn ich nicht zur Vernehmung bei der Polizei gehe, sondern einen Anwalt beauftrage?

Nein, definitiv nicht. Ein Polizeibeamter aus dem Sonderdezernat für Sexualdelikte erzählte mir kürzlich, dass man bei einem derartigen Vorwurf auch eigentlich gar nicht damit rechnet, dass der Beschuldigte zur Vernehmung erscheint; es ist hier der Regelfall, dass ein Anwalt die Vertretung anzeigt und den Termin absagt. Ungewöhnlich ist es eher, unbedarft zur Vernehmung zu erscheinen. Die Beauftragung eines Anwaltes zeigt, dass man den Vorwurf ernstnimmt.

Zudem ist immer dringend davon abzuraten, Angaben zu machen, wenn man die belastenden Aussagen nicht kennt. Hier hat sich schon manch einer in Widersprüche verstrickt. Insbesondere angesichts der hohen Strafandrohung ist es hier ratsam, sich durch einen Experten auf diesem Gebiet vertreten zu lassen.

VII. Ist es ein Problem, dass ich von weiter weg komme (z. B. Berlin, Hamburg, München, etc.)?

Nein. Denn mittlerweile ist es ohnehin so, dass sich die Personen einen Rechtsanwalt nach der Spezialisierung in dem jeweiligen Fachgebiet suchen und nicht mehr nach regionaler Nähe. Ich selbst vertrete regelmäßig Mandanten aus dem gesamten Bundesgebiet, von Hamburg bis München und von Dortmund bis Dresden.

Zudem: Soll der Tatvorwurf bestritten werden, ist es ohnehin ratsam, sich einen nicht am Gerichtsort ansässigen Anwalt zu suchen. Denn in diesen Fällen darf der Anwalt den Konflikt mit dem Gericht nicht scheuen, was bei Kollegen an ihrem Heimatgericht leider nicht immer der Fall ist – insbesondere wenn es sich um den regionalen Pflichtverteidiger handelt.

Die Kommunikation ist mittels E-Mail kein Problem, wenn Schreiben in Ihrer Sache kommen, werden diese noch am selben Tag eingescannt und an Sie weitergeleitet. Die Akte erhalten Sie auf Wunsch als .pdf-Scan.

Sie erreichen mich unter der rechts genannten Festnetznummer, per E-Mail, über das Kontaktformular meiner Homepage oder – in dringenden Fällen – über die auf meiner Homepage angegebene Mobilfunknummer.


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