Stiefsohn erstickt - Mord?

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Abgrenzung Mord – Totschlag

Es ist ein verbreiteter Irrglaube unter Laien, dass ein Mord gem. § 211 Strafgesetzbuch (StGB) vorsätzlich und ein Totschlag gem. § 212 StGB fahrlässig begangen wird. Tatsächlich ist die Voraussetzung für beide Delikte der Vorsatz. Stattdessen findet die Abgrenzung der beiden Delikte über die Mordmerkmale statt. Wer einen Menschen tötet und eines der im § 211 Abs. 2 StGB normierten Mordmerkmale verwirklicht, ist Mörder. Jedoch kann die Ermittlung der Vorsatzform relevant werden, wenn es um das Vorliegen eines Mordmerkmals geht.

Vorsatz

Es wird in drei Vorsatzformen unterschieden. Absicht (dolus directus 1. Grades), direkter Vorsatz (dolus directus 2. Grades) und bedingter Vorsatz (dolus eventualis). Bei der Absicht hält der Täter den Erfolg zumindest für möglich und hat einen zielgerichteten Willen auf diesen. Beim direkten Vorsatz hingegen hält der Täter den Erfolg für sicher, dieser kann jedoch sogar unerwünscht sein. Zuletzt hält der Täter den Erfolg beim bedingten Vorsatz für möglich und nimmt diesen billigend in Kauf.

Sachverhalt

In seinem Beschluss vom 8. März 2022 musste sich der Bundesgerichtshof (6 StR 320/21) damit auseinandersetzen, ob ein Mord oder ein Totschlag vorliegt. Im hiesigen, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt erstickte der Angeklagte seinen Stiefsohn. Der Angeklagte empfand den Sohn seiner Partnerin als Störfaktor. Als dieser an einem Nachmittag einen Film mit seiner Partnerin guckte, fing der Säugling im Nebenzimmer an zu schreien. Der Angeklagte ging in das Zimmer, um ihn zu beruhigen. Als dieser jedoch nicht aufhörte, entschloss sich der Angeklagte, die Atemwege des Babys zu verdecken. Dass das den Tod zu Folge haben könnte, war ihm gleichgültig. Nach etwa 3-5 Minuten verlor der Säugling schließlich das Bewusstsein und verstarb. Danach ging der Angeklagte ins Wohnzimmer zurück und schaute den Film zu Ende. Nach Auffassung des Landgerichts lag vorliegend kein Mordmerkmal nach § 211 Abs. 2 StGB vor.

Relevanz der Vorsatzform

Diese Wertung hält rechtlicher Überprüfung vor dem Bundesgerichtshof jedoch nicht stand. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes ist die Beweiswürdigung vorliegend lückenhaft. Das Landgericht sah die Wut in diesem Moment als führendes Motiv, wogegen jedoch die Gelassenheit des Angeklagten nach Rückkehr in das Wohnzimmer spricht. Es muss erwogen werden, ob eher die feindselige Grundhaltung des Angeklagten das führende Motiv ist und niedrige Beweggründe vorliegen könnten. Dafür ist die Feststellung der Vorsatzform relevant, die vorliegend nicht ausreichend geprüft wurde. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei der Annahme einer Tötungsabsicht bezüglich des Mordmerkmals zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Die Sache bedarf somit zur subjektiven Tatseite neuer Verhandlung.

Hilfe durch Fachanwalt für Strafrecht

Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt Dietrich erstellt. Rechtsanwalt Dietrich tritt bereits seit vielen Jahren deutschlandweit als Strafverteidiger auf. Wenn Ihnen vorgeworfen wird, sich strafbar gemacht zu haben, können Sie unter den angegebenen Kontaktdaten einen Besprechungstermin mit Rechtsanwalt Dietrich vereinbaren. Alternativ können Sie Rechtsanwalt Dietrich auch eine E-Mail schreiben.


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