Streit um die Werkstattrechnung - Teil 1

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Folgendes berichtete Spiegel-Online am 22.12.2006: Der Ärger über eine Rechnung hat einen 64-jährigen Kunden zum Äußersten getrieben: Er zog in einem Hamburger Mercedes-Autohaus plötzlich eine Maschinenpistole und schoss wild um sich. Der Chef der Werkstatt konnte sich nur mit einem Sprung aus dem Fenster retten.

Soweit muss es nicht kommen! Sorgfältige Kalkulation, transparente Preisgestaltung und rechtssichere Rechnungslegung helfen dabei, Konflikte mit dem Werkstattkunden über die Höhe der Rechnung zu vermeiden.

Wer ist Auftraggeber/Rechnungsempfänger?

Das Fahrzeug einer Stammkundin wird mit einem kapitalen Motorschaden in die Werkstatt verbracht. Der Neffe der Kundin erteilt den Auftrag einen Austauschmotor einzubauen. Im Vertrauen auf die bisherige Geschäftsbedingung werden die Arbeiten ausgeführt und das Fahrzeug wird an den Neffen herausgegeben. Die Rechnung lautet auf die Stammkundin, deren Daten im System der Werkstatt hinterlegt sind. Die Kundin meldet daraufhin und teilt mit, dass sie keinen Auftrag erteilt hat und ihr Neffe im Übrigen mittellos ist. Was nun ? Keineswegs entstehen „automatisch“ Ansprüche gegenüber dem Eigentümer / Halter des Fahrzeugs. Die Werklohnansprüche bestehen nur gegenüber dem Auftraggeber, also dem mittellosen Neffen. Allenfalls kommt ein Anspruch auf Erstattung der objektiven Wertverbesserung des Fahrzeugs gegenüber dem Eigentümer in Betracht, der aber nicht dem Werklohn entspricht und nur mit Hilfe eines Gutachters bestimmt werden kann. Im Zweifel sollte darauf bestanden werden, dass eine Vollmacht des Fahrzeugeigentümers vorgelegt wird oder das Fahrzeug sollte nur gegen Bezahlung der Rechnung herausgegeben werden. Pauschalpreis/Festpreis Unter einem Pauschalpreise versteht, man einen ohne Rücksicht auf Einzelleistungen nach überschlägiger Schätzung vereinbarter Preis. Vereinbaren Werkstatt und Kunde einen solchen Pauschalpreis, so ist eine Abweichung hiervon im Grunde nicht möglich. Das Risiko unvorhergesehener Verteuerung der Arbeiten trägt die Werkstatt. Die Vereinbarung eines Pauschalpreises sollte daher nur bei Kleinstreparaturen in Betracht gezogen werden oder wenn der tatsächliche Reparaturaufwand vollständig absehbar ist.

Kostenvoranschlag

Der Kostenvoranschlag ist eine unverbindliche fachmännische Berechnung der voraussichtlichen Kosten. Ist ein Kostenvoranschlag erstellt worden, so richtet sich die Vergütung grundsätzlich hiernach. Üblicherweise handelt es sich jedoch um einen unverbindlichen Kostenvoranschlag, bei dem sich die Werkstatt nicht auf die dargelegte Berechnung festlegen will. Dennoch kann die Werkstatt bei Rechnungsstellung nicht unbegrenzt von der zugrundeliegenden Berechnung des Kostenvoranschlages abweichen. Akzeptiert wird im Allgemeinen eine Abweichung von lediglich 10 bis 20 Prozent. Sofern absehbar ist, dass diese Grenze überschritten wird, sollte unbedingt Kontakt mit dem Kunden aufgenommen werden, um Einigkeit über die weiteren Kosten zu erzielen. Sofern nämlich die genannte Kostengrenze überschritten wird, hat der Kunde das Recht, den Auftrag zu kündigen und lediglich die bisher erbrachte Leistung zu bezahlen. Sofern der Kundeerst nach durchgeführter Reparatur über die wesentliche Überschreitung des Kostenvoranschlags informiert wird (und er aus diesem Grund nicht mehr kündigen kann) entsteht ein Schadenersatzanspruch des Kunden mit dem er aufrechnen kann. Die Werkstatt bleibt also auf den Mehrkosten „sitzen“. Ein Kostenvoranschlag ist nach § 632 Absatz 3 BGB im Zweifel kostenlos zu erstellen. Das entspricht dem Gedanken, dass es sich beim Kostenvoranschlag eigentlich um eine Akquisitionsleistung handelt, mit dem die Werkstatt sich um den Auftrag bewirbt. Allerdings gibt es insbesondere im Unfallgeschäft die Besonderheit, dass dem Kostenvoranschlag aus Sicht des Kunden von vornherein kein Auftrag folgen soll. Der Kunde benötigt den Kostenvoranschlag lediglich als Grundlage für die fiktive Abrechnung eines Unfallschadens mit der eintrittspflichtigen Versicherung. Diese wiederum verweigert häufig (zu Unrecht) die Übernahme der Kosten des Kostenvoranschlags mit dem Hinweis auf §632 Absatz 3 BGB. Die Lösung liegt für die Werkstatt darin, dass die Kostenpflichtigkeit des Kostenvoranschlages ausdrücklich vereinbart und damit der „Zweifel“ beseitigt wird.

Achtung: Eine entsprechende Vereinbarung durch allgemeine Geschäftsbedingungen ist nicht möglich, ein Aushang am Empfang oder der Auftragsannahme genügt also nicht.

Vergütungspflicht

Ohne Auftrag durchgeführte Reparaturen kann die Werkstatt grundsätzlich nicht in Rechnung stellen. Der Kunde könnte darauf bestehen, dass die durchgeführten Arbeiten wieder rückgängig gemacht werden. Sofern ein Rückbau nicht möglich ist, muss der Kunde wiederum nur die tatsächliche Wertsteigerung des Fahrzeugs bezahlen, die sich auch nach dem subjektiven Nutzen für den Kunden errechnet. Eine schriftliche Auftragsbestätigung, in der auch die Person des Auftraggebers und der Umfang der durchzuführenden Arbeiten genau bezeichnet werden, sollte daher selbstverständlich sein, um Streitigkeiten zu vermeiden. Vergütung Die Vergütung wird mit der Abnahme des Kfz fällig. Die Abnahme ist die körperliche Entgegennahme des Fahrzeugs verbunden mit der (regelmäßig stillschweigenden) Erklärung, die Leistung entspreche im Wesentlichen der vertraglichen Vereinbarung. Der Kunde ist verpflichtet, ein vertragsgemäß repariertes Auto abzunehmen und er kann die Abnahme wegen unwesentlichen Mängeln auch nicht verweigern. Eine schriftliche Rechnung hingegen ist keine Fälligkeitsvoraussetzung für den Werklohn, wobei der Kunde aber einen Anspruch auf ordnungsgemäße Rechnungslegung hat. Barzahlung bei Abholung ist nach wie vor der gesetzliche Regelfall nach § 245 BGB. Eine spätere Fälligkeit der Werklohnforderung bedarf der vorherigen Vereinbarung. Es soll vorkommen, dass Werkstatt und Kunde eine sogenannte „ohne-Rechnung-Abrede“ treffen. Entgegen der früheren Rechtsprechung hat aber der Kunde seit 2008 auch bei solchen Vereinbarungen in der Regel Sachmängelhaftungsansprüche (BGH, Urteil vom 24. 4. 2008 - VII ZR 42/07). Das „schärfste Schwert“ der Werkstatt zur Durchsetzung berechtigter Werklohnforderungen ist das gesetzliche Werkunternehmerpfandrecht (§ 647 BGB). Sofern der Kunde bei Abholung des Fahrzeugs nicht zahlt, kann die Werkstatt die Herausgabe des Fahrzeugs verweigert. Sofern der Kunde der Ansicht ist, die Reparatur sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden, kann er die Rechnung „unter Vorbehalt“ bezahlen. Auf diese Möglichkeit sollte der Kunde ausdrücklich hingewiesen werden.

Zu beachten ist aber, dass sich das Werkunternehmerpfandrecht nur auf den konkreten Auftrag bezieht. Sollte der Kunde demnach noch älterer Rechnung nicht bezahlt haben, kann die Herausgabe nicht verweigert werden. Hier sollte vor Annahme des neuen Auftrags die Frage der Zahlungsrückstände geklärt werden (und gegebenenfalls ein vertragliches Werkunternehmerpfandrecht vereinbart werden). Achtung: das Werkunternehmerpfandrecht entsteht nur, wenn der Kunde auch Eigentümer (und nicht nur Halter oder Nutzer) des Fahrzeugs ist, ansonsten besteht nur das allgemeine Zurückbehaltungsrecht, das allerdings nicht zur Verwertung des Fahrzeugs berechtigt. Auch vor diesem Hintergrund empfiehlt sich die sorgfältige Klärung der Auftrags- und Vertretungsverhältnisse vor Auftragsannahme.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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