Streitpunkt Sachverständigenvergütung: Kann ich gegen eine zu hohe Stundenabrechnung vorgehen?

  • 3 Minuten Lesezeit

Gerichtlich bestellte Sachverständige haben im prozessualen Verfahren eine Sonderposition. Sie sind weder Beteiligter noch Organ der Rechtspflege, sondern sind „lediglich“ zu dessen Unterstützung durch ihre besondere fachliche Expertise vorgesehen. 

Durch ihren hervorgehobenen Wissensstand zu entscheidenden Sachfragen – ihren Sachverstand – kommt dem Sachverständigen dabei eine maßgebliche Einwirkungsmacht auf den Prozessausgang zu. Aufgrund dieser Einwirkungsmacht gibt es durch Gesetz und Rechtsprechung manifestierte Mittel, um Sachverständigengutachten für unverwertbar zu erklären und so Missbrauch zu verhindern. 

Unter gewissen Umständen und bei bestimmten verwerflichen Verhaltensweisen des Sachverständigen kann der Wegfall seines Vergütungsanspruchs die Folge sein (vgl. § 8a JVEG).

Doch wie kann ich dagegen vorgehen, wenn das Gutachten zwar verwertbar ist, aber die vom Sachverständigen zur Erstellung des Gutachtens abgerechnete Zeit viel zu hoch erscheint?

Die Überprüfung der Vergütung des Sachverständigen

Grundsätzlich steht dem Sachverständigen bei Honorarabrechnung nach Stundensatz keine Entschädigung für die tatsächlich aufgewendete, sondern nur für die erforderliche Zeit zu (§ 8 Abs. 2 S. 1 JVEG). 

Maßstab für die Erforderlichkeit ist ein durchschnittlich schnell arbeitender Sachverständiger. Bei der Berechnung des Zeitaufwands des Sachverständigen ist zunächst per se von der Richtigkeit seiner Angaben über die tatsächlich benötigte Zeit auszugehen. Dies zeigt, welche souveräne Position der Sachverständige im Verfahren einnimmt. 

Die Logik ist hier folgende: Der Sachverständige, auf dessen Mitwirkung das Gericht angewiesen ist und dessen gutachterliche Tätigkeit es immanent in sich trägt, dass sie zumindest tendenziell seinen subjektiven Fähigkeiten unterliegt, soll keine überzogene Sorge vor Vergütungsausfall haben müssen, sodass er seine gesamte Energie in die gutachterliche Tätigkeit investieren kann. 

Erst wenn gewichtige Anhaltspunkte dafür vorliegen, die entsprechende Zweifel begründen, ist eine Plausibilitätsprüfung vorzunehmen. Zum zu ermittelnden, erforderlichen Zeitaufwand für die Ausarbeitung des Gutachtens im Rahmen dieser Plausibilitätsprüfung ist hinsichtlich der dafür anzurechnenden Stundenzahl die Anzahl der Standardseiten maßgebend (sowohl bei der Abfassung des Gutachtens als auch bei der vorherigen Prüfung der relevanten Unterlagen). 

Durch die Rechtsprechung wurde hier gewissen Kennzahlen anhand von Erfahrungswerten bestimmt, mit denen im Einzelfall die jeweilige Tätigkeit im Rahmen der Gutachtenerstellung überprüft wird. Für besonders komplexe Fragestellungen oder Dokumente mit einer erhöhten Informationsdichte gibt es entsprechende Aufschläge.

Prozessuale Geltendmachung im Erinnerungsverfahren

Eine solche Überprüfung wird betrieben, indem Erinnerung nach § 66 GKG gegen den belastenden Kostenansatz bei dem Gericht, durch das die Kosten angesetzt wurden, erhoben wird.

Bei positiver Entscheidung – d. h. Kostenreduzierung infolge des überhöhten Stundenansatzes – werden bereits geleistete Vorschusszahlungen von der Staatskasse an den Belasteten rückerstattet. Eine direkte Auseinandersetzung zwischen Kosten belasteter Partei und Sachverständigem erfolgt insofern nicht. Die Partei wendet sich wegen fehlerhaften Kostenansatzes an das Gericht, das sich wiederum mit dem Sachverständigen auseinandersetzt.

Praxistipps

Sollten die Sachverständigenkosten nur als eine Gesamtsumme ausgewiesen werden, ist es legitim eine aufgeschlüsselte Aufstellung der Kosten nach den einzelnen Aufwänden und unter Angabe der jeweils verwendeten Stundenzahl anzufordern.

Tun Sie dies daher auch! Anders fehlt jegliche Grundlage, um eine Überprüfung der Stundenzahl zu begründen.

Das prozessuale Mittel zur Geltendmachung einer überhöhten Sachverständigenforderung ist, wie bereits erwähnt, die Erinnerung nach § 66 GKG. Eine konkrete Frist zur Geltendmachung ist in § 66 GKG – abgesehen von den Verjährungsfristen – nicht angelegt. Ansprüche können jedoch unabhängig von Verjährung und Einlegungsfrist verwirkt werden, wenn die Inanspruchnahme dem Anspruchsgegner nach Treu und Glauben nicht mehr zugemutet werden kann.

Unzumutbarkeit liegt in diesem Zusammenhang vor, wenn eine zeitliche Komponente auf einen Vertrauenstatbestand trifft, d. h. wenn die Entstehung des Anspruchs bereits ungebührlich lange zurückliegt und der Anspruchsgegner daher darauf vertraute, es werden keine (weiteren) (Rück-)Forderungen gegen ihn gestellt werden.

Achten Sie daher darauf, Zweifel an der Richtigkeit der Stundenhöhen zeitnah zu überprüfen und dies dem Sachverständigen bzw. der Staatskasse mitzuteilen. Sollten sich die Zweifel erhärten, sind alle in Betracht kommenden Reduzierungsgründe gleichzeitig geltend zu machen, um sich dem Vorwurf der missbräuchlichen Verzögerung nicht auszusetzen.

Unsere Empfehlung

In Grenzbereichen, also bei nur geringfügigen Überschreitungen einer üblicherweise erforderlichen Stundenzahl, ist eine Überprüfung der Sachverständigenvergütung in der Regel nicht zu empfehlen. Von dem Grundsatz kommend, dass die vom Sachverständigen geforderte Vergütung per se stets als die erforderliche gilt, solange keine gravierenden Zweifel auftreten, neigen die Gerichte hier zu einer sehr restriktiven Rechtsprechung.

Sollten jedoch größere Diskrepanzen vorliegen oder frappierende hohe Stundenansätze für simple Aufgaben in Ansatz gebracht werden, kann sich eine Überprüfung lohnen. In jedem Fall sollte eine bezüglich der einzelnen Abrechnungsposten aufgeschlüsselte Rechnung angefordert werden und Zweifel rechtzeitig kommuniziert werden. 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann