Tausende Patientenverfügungen unwirksam?

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Im Rahmen eines bemerkenswerten Beschlusses hat der Bundesgerichtshof Anfang Juli 2016 überraschend entschieden, dass eine Patientenverfügung dann unwirksam sein kann, wenn darin nicht deutlich genug zum Ausdruck kommt, was z.B. mit „lebensverlängernden Maßnahmen“ gemeint ist.

Diese Entscheidung dürfte zumindest Auswirkungen auf die meisten derzeit im Umlauf befindlichen Patientenverfügungen haben.

Was war hier im Einzelnen passiert?

Im vom BGH behandelten Fall musste eine ins Koma gefallene Frau fürs Erste weiterleben, obwohl sie zuvor in einer von ihr verfassten Patientenverfügung solche Formulierungen verwendet hatte, die bislang als eindeutig verstandene Verfügungen zur Beendigung lebensverlängernder Maßnahmen enthielten.

Die hier betroffene Frau hatte bereits im Jahre 2003 einer ihrer Töchter eine Generalvollmacht sogar in notarieller Form und zusätzlich eine Vorsorgevollmacht erteilt. Diese hatte sie dann 2011 noch einmal erneuert. Noch während des gleichen Jahres erlitt sie zunächst einen Hirnschlag und in den nachfolgenden Jahren zusätzlich mehrere epileptische Anfälle.

Zudem verlor Sie erst die Fähigkeit zu sprechen und schließlich ihr gesamtes Bewusstsein – ohne eine realistische Chance auf Besserung.

Auf Befragen weigerte sich die bevollmächtigte Tochter aber, die lebenserhaltenden Maßnahmen für ihre Mutter vorzeitig auslaufen zu lassen.

Dagegen klagten die übrigen beiden Schwestern … und unterlagen.

Die für alle überraschende Begründung des BGH:

Die der Vorsorgevollmacht insoweit zugrundeliegende Patientenverfügung sei im Ergebnis unwirksam, weil teilweise zu unbestimmt.

Wie konnte der Bundesgerichtshof zu einer solch weitreichenden Einschätzung kommen?

Da die Vorsorgevollmacht nur das Vertretungsrecht im Außenverhältnis regele, sage sie – so der BGH – nichts über den eigentlichen Willen der Patientin aus.

In der Patientenverfügung habe die Mutter demgegenüber aber lediglich erklärt, dass „lebensverlängernde Maßnahmen“ u.a. für den Fall unterbleiben sollten, dass vitale Körperfunktionen dauerhaft und ohne Aussicht auf Besserung ausfallen oder dass aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns bei ihr zurückbleiben sollte.

Das war hier ohne nennenswerten Zweifel der Fall. Die bevollmächtigte Tochter weigerte sich aber gleichwohl, das im Außenverhältnis gegenüber Dritten (= den Ärzten) umzusetzen, was ihr lediglich im Innenverhältnis (= von der Mutter) aufgegeben wurde.

Da die Patientenverfügung zu unbestimmt sei, habe die Tochter die Grenzen ihrer Vertretungsbefugnis nicht zwangsläufig überschritten, als sie sich weigerte, die lebenserhaltenden Maßnahmen stoppen zu lassen.

Fazit

Diese Entscheidung des BGH zur Tragweite von (unwirksamen) Patientenverfügungen stellt eine Vielzahl von Verfügungen auf eine harte – weil ungewisse – Probe. Wie sich die Rechtsprechung auf Grundlage einer solch überraschenden Entscheidung künftig positionieren wird, darf mit Spannung erwartet werden.

Noch viel naheliegender ist allerdings die Frage, inwieweit sich Ärzte bereitfinden werden, auf der Grundlage einer möglicherweise zu globalen Formulierung endgültige Entscheidungen gegen den Erhalt des Lebens zu treffen und sich dadurch ggf. sogar strafbar zu machen.

Diese Unsicherheit ist für Betroffene mehr als verheerend, weil nunmehr dringender Handlungsbedarf besteht.

Fakt ist, dass Patientenverfügungen, die lediglich Oberbegriffe („lebenserhaltende Maßnahmen“) für die nicht mehr durchzuführenden Maßnahmen verwenden, in Zukunft mit Verweis auf den aktuellen Beschluss des BGH für unwirksam erklärt werden können.

Dieses Risiko gilt es für die Betroffenen möglichst zu vermeiden!


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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