Technische Mängel und Haftung bei Aufzügen: Überblick für Bauunternehmer und Aufzugsbetreiber
- 24 Minuten Lesezeit

Elevatoren gehören in modernen Gebäuden zur Grundausstattung – ob Wohnhaus, Bürokomplex oder Krankenhaus. Trotz hoher Sicherheitsstandards zeigt die Praxis jedoch regelmäßig technische Mängel. Laut TÜV-Anlagensicherheitsreport 2024 bleiben weniger als die Hälfte der geprüften Aufzüge völlig mängelfrei; rund 10 % weisen erhebliche Mängel auf, die rasch behoben werden müssen. Typische Beispiele sind fehlerhafte Steuerungen, defekte Türverriegelungen, Verschleiß an Tragseilen oder ausgefallene Notrufsysteme. Im Folgenden werden bekannte technische Mängel und ihre Ursachen systematisch dargestellt – unterteilt in Montagemängel, Materialfehler und Konstruktionsmängel. Anschließend erfolgt eine rechtliche Einordnung, die klärt, wer bei Mängeln haftet, wie Bauherr, Betreiber, Hersteller, Wartungsfirma und Nutzer zueinander stehen, welche Normen und Vorschriften relevant sind und ob sich die Rechtslage je nach Gebäudetyp unterscheidet.
Montagemängel
Montagemängel entstehen durch unsachgemäße Installation oder fehlerhafte Einstellungen bei der Errichtung des Aufzugs. Bereits vor der ersten Inbetriebnahme werden neue Anlagen von einer zugelassenen Überwachungsstelle (ZÜS) geprüft, um sicherzustellen, dass alle Sicherheitssysteme korrekt installiert und parametriert sind. Häufige Mängel in dieser Phase sind tatsächliche Montagefehler, also z. B. falsch montierte Bauteile, ungenügende Befestigungen oder fehlerhafte Verkabelung, sowie nicht funktionierende Notrufsysteme.
Fehlausrichtung und Justagefehler
Aufzugsschienen, Kabinen und Türen müssen millimetergenau ausgerichtet werden. Eine unsachgemäße Justierung kann dazu führen, dass die Kabine nicht bündig zum Stockwerksboden anhält oder Türen nicht korrekt schließen. In der Praxis kam es vor, dass eine Kabine nach einem Halt 18 cm über Bodenniveau stehenblieb – eine 80-jährige Nutzerin trat ins Leere und stürzte schwer. Solche Nivellierungsfehler können auf mangelhafte Einstellung der Endabschalter oder Sensoren zurückgehen. Auch die Schließkräfte von Schachttüren müssen bei der Montage richtig parametriert werden, damit niemand eingeklemmt wird.
Unvollständige oder falsche Montage
Werden sicherheitsrelevante Teile nicht nach Vorgabe montiert, besteht akute Gefahr. Beispiele sind nicht festgezogene Schraubverbindungen, fehlende Splinte oder falsch eingehängte Seile. Selbst kleine Nachlässigkeiten – etwa lose Schrauben durch mangelhaftes Anziehen – können sich durch Vibrationen lösen und später Störungen verursachen. Ein Montagefehler kann z. B. auch vorliegen, wenn Endschalter falsch verkabelt sind und der Aufzug unkontrolliert läuft.
Fehlende Dokumentation und Einstellungen
Die Errichterfirma muss neben der physischen Montage auch alle Sicherheitseinrichtungen einstellen und dokumentieren. Oft bemängeln Prüfer unvollständige Unterlagen (etwa nicht vorhandene Schaltpläne, fehlendes Errichter-Protokoll der Elektroinstallation). Ein solches Versäumnis deutet auf mögliche Montage- oder Abstimmungsfehler hin. Ebenso können Schnittstellen zum Gebäude (Notstrom, Brandfallsteuerung) bei der Installation übersehen oder nicht getestet worden sein, was ebenfalls als Mangel gilt. Montagemängel resultieren meist aus mangelnder Sorgfalt oder Qualifikation der Monteure, Zeitdruck auf der Baustelle oder unzureichender Abstimmung zwischen Gewerken. Wichtig ist, dass kein Aufzug in Betrieb geht, bevor alle gravierenden Mängel beseitigt sind. Die Bauabnahme eines Aufzugs umfasst daher gezielt die Frage, ob "offensichtliche Auslegungsfehler, Mängel oder Beschädigungen, die durch den Hersteller oder eine unsachgemäße Montage verursacht wurden" vorliegen. So wird sichergestellt, dass Installationsfehler erkannt und behoben werden, bevor der erste Fahrgast den Aufzug nutzt.
Materialfehler
Materialfehler bei Aufzügen umfassen sowohl Produktionsmängel von Bauteilen (z. B. fehlerhafte Werkstoffe oder Fertigungsfehler) als auch Alterungs- und Umweltschäden wie Korrosion oder Materialermüdung. Moderne Aufzüge sind zwar robust konstruiert, aber Verschleißteile und Materialien können im Lauf der Zeit Schaden nehmen – insbesondere wenn Qualität oder Wartung unzureichend sind.
Mangelhafte oder fehlerhafte Bauteile
Ein Werkstofffehler kann schon bei Herstellung eines Bauteils entstehen – etwa ein Haarriss in einer Tragseil-Aufhängung, ein Lunker (Lufteinschluss) in einem Gussstück oder fehlerhaft gehärtete Bremselemente. Solche Fabrikationsfehler treten selten auf, können aber gravierende Folgen haben. Der Hersteller ist verpflichtet, alle zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um solche Material- und Konstruktionsfehler zu vermeiden. Beispielsweise müssen Tragseile ausreichend dimensioniert und hochwertig sein, damit sie auch bei üblicher Überlast nicht reißen. Ein designbedingter unterdimensionierter Seildurchmesser oder minderwertiger Stahl würde schnell zum Sicherheitsrisiko (dies wäre allerdings zugleich ein Konstruktionsmangel).
Verschleiß und Materialermüdung
Aufzüge sind täglich in Betrieb; mechanische Teile unterliegen natürlicher Abnutzung. Tragseile etwa nutzen sich durch die ständige Biegebeanspruchung über Treibscheiben ab – Einzeldrähte können brechen (Drahtbrüche) und der Seildurchmesser nimmt ab. Auch Rollenkörper, Bremsbeläge, Führungsführungen und Lager unterliegen Materialermüdung. Wird ein Bauteil zu lange über seine erwartbare nutzbare Lebensdauer hinaus genutzt, gilt das als sicherheitsrelevanter Mangel. So müssen z. B. Bremsen oder Steuerungskomponenten nach einer bestimmten Anzahl Betriebsjahre oder Schaltspielen ausgetauscht werden, damit die Zuverlässigkeit erhalten bleibt. Ignoriert man Materialermüdung, drohen plötzliche Ausfälle – im schlimmsten Fall ein Seilriss oder Bremsversagen. Allerdings sind Personenaufzüge redundant ausgelegt (mehrere Seile, Fangvorrichtungen seit 1850er Jahren), sodass ein kompletter Absturz durch Seilriss extrem unwahrscheinlich ist. Häufiger sind indirekte Folgen: ein abgenutztes Seil kann z. B. durchrutschen und Notbremsen auslösen.
Korrosionsschäden
Rost ist der natürliche Feind aller metallischen Bauteile. In Aufzugsschächten herrscht meist ein relativ trockenes Klima; dennoch können ungeschützte Stahlteile über Jahre korrodieren. Tragseile bestehen oft aus unbeschichtetem Stahldraht mit nur leichter Schmierung. Wird nicht regelmäßig nachgefettet oder dringt Feuchtigkeit ein, kann ein Seil von innen heraus rosten. Sichtbarer Rost an Tragseilen wird von Prüfingenieuren immer mindestens als Mangel vermerkt, da Rost den Querschnitt und die Tragfähigkeit verringert. Abblätternder Rost und bräunlicher Abrieb am Boden des Schachts sind Warnzeichen für substanziellen Seilverlust. Ein äußerlich angerostetes Seil kann im Inneren bereits stark zerstört sein. In einem bekannt gewordenen Fall fanden Sachverständige extrem rostige Fahrseile vor – so stark, dass der Abrieb bereits sichtbar war –, ohne dass Wartungsfirma oder Prüfstelle reagiert hatten. Hier lag ein eklatanter Material- und Wartungsmangel vor, der umgehend den Austausch der Seile erforderte. Neben Seilen können auch andere Komponenten rosten: etwa Türrahmen, Schraubverbindungen im Schacht oder Träger der Kabine. Korrosionsschäden entstehen vor allem, wenn die Korrosionsschutzmaßnahmen unzureichend sind (falsches Material gewählt oder Beschichtung beschädigt) oder wenn Umwelteinflüsse auftreten – z. B. Feuchtigkeitseintrag durch undichte Schächte oder aggressive Umgebung (Schwimmbad-Atmosphäre, Meeresluft).
Elektrische und elektronische Bauteildefekte
Auch Materialfehler in der Elektronik (z. B. defekte Relais, Sensoren oder Prozessoren) können zu Ausfällen führen. Wenn etwa ein Notruftaster oder ein Türsensor aufgrund eines Herstellungsfehlers nicht funktioniert, liegt ein Mangel vor, der behoben werden muss. Elektronikfehler können in der Montagephase (Wackelkontakte, Kabelbruch) oder im Betrieb durch Bauteilalterung auftreten. Materialfehler führen häufig erst dann zu Unfällen, wenn sie ungehindert fortschreiten – etwa ein sich anbahnender Seilriss oder Riss im Fahrkorbrahmen, der nicht rechtzeitig erkannt wird. Daher schreibt die BetrSichV regelmäßige Prüfungen und Wartungen vor, um solche Mängel frühzeitig zu entdecken und zu beseitigen (siehe Rechtsabschnitt). In der Praxis zeigt sich: Abnutzung und Materialschäden sind mit die häufigsten Befunde bei Aufzugsprüfungen, neben Steuerungs- und Türproblemen. Konsequente Instandhaltung (z. B. rechtzeitiger Seiltausch bei Ablegereife) kann Materialfehler weitgehend beherrschen.
Konstruktionsmängel
Als Konstruktionsmängel gelten Fehler, die bereits in der Planung oder dem Design des Aufzugs entstehen – also durch den Hersteller bzw. Konstrukteur verschuldet sind. Ein Aufzug muss so konzipiert sein, dass er bei bestimmungsgemäßem Gebrauch (und sogar bei vorhersehbarem Fehlgebrauch) keine unzumutbaren Gefahren für Nutzer oder Dritte schafft. Der Hersteller hat eine Verkehrssicherungspflicht in der Konstruktion: Er muss den anerkannten Stand der Technik ausschöpfen und alle vernünftigen Sicherheitsmaßnahmen einplanen, um Konstruktionsfehler zu vermeiden. Dennoch gab und gibt es Fälle, in denen das Design eines Aufzugs Schwachstellen aufweist.
Unzureichende Dimensionierung
Jedes Bauteil sollte mit ausreichender Sicherheitsreserve ausgelegt sein. Ein klassisches Beispiel: "Mit der Überlastung eines Personenaufzuges muss man rechnen, deshalb sind die Stahlseile entsprechend stark zu bemessen.". Wenn ein Hersteller Seile, Tragbolzen oder Antriebe zu knapp dimensioniert, kann es bei intensiver Nutzung oder Überlast zu gefährlichen Brüchen kommen. Ebenso müssen Bremssysteme so konstruiert sein, dass sie auch im verschlissenen Zustand oder bei Notbremsungen verlässlich halten. Ist z. B. der Hydraulikzylinder eines Aufzugs zu schwach oder die Pufferelemente am Schachtboden zu klein ausgelegt, besteht bei einem Aufprall ein erhöhtes Verletzungsrisiko – dies wäre ein Konstruktionsfehler.
Designfehler bei Sicherheitsmechanismen
Moderne Aufzüge besitzen vielfältige Sicherungen (Türverriegelungen, Fangvorrichtungen, Geschwindigkeitsbegrenzer, Notbremsen, Überlastwarner etc.). Ein Konstruktionsmangel liegt vor, wenn eine dieser Einrichtungen aufgrund des Designs versagen könnte. Beispiel: In der Frühzeit der Aufzüge kam es vor, dass Türen sich öffneten, obwohl die Kabine nicht da war – damals fehlten noch zuverlässige elektrische Türverriegelungen. Heute verhindern Normen solche groben Fehler. Sollte aber ein neuer Aufzugstyp im Design eine Lücke haben – etwa eine Softwarelogik, die unter seltenen Bedingungen die falschen Signale gibt –, wäre dies ein gefährlicher Designfehler. Denkbar sind auch Software-Bugs im Steuerungssystem, die etwa im Ausnahmefall (z. B. Stromwiederkehr nach Netzausfall) zu unkontrollierten Fahrbewegungen führen. Solche Fehler sind selten, werden aber von den Überwachungsstellen zunehmend auch unter IT-Aspekten geprüft.
Mangelhafte Redundanz und Ausfallsicherheit
Der „Stand der Technik" verlangt, dass kritische Funktionen doppelt abgesichert sind. Ein konstruktives Konzept ohne nötige Redundanzen gilt als Mangel. Beispiel: Jeder Personenaufzug muss Fangvorrichtungen haben, die einen Absturz bei Seilriss aufhalten – dieses Prinzip existiert seit 1853 und ist unumgänglich. Wenn ein Hersteller versuchen würde, aus Kostengründen auf solche Sicherheiten zu verzichten oder nur eine Bremse ohne zweite unabhängige Fangvorrichtung einzubauen, wäre das ein unzulässiger Konstruktionsfehler. Auch die Notstromversorgung für Notbeleuchtung und Notruf muss bei heutigen Anlagen vorgesehen sein – fehlt sie, entspricht das nicht den anerkannten Regeln.
Besondere Einsatzanforderungen missachtet
Konstruktionsmängel können sich auch zeigen, wenn ein Aufzug für den realen Einsatz nicht geeignet ist. Wird z. B. ein Krankenhausaufzug konstruiert, aber die Steuerung nicht auf häufige Tragen- und Bettentransporte ausgelegt (Thema Erschütterungen, lange Tür-offen-Zeiten), kann übermäßiger Verschleiß auftreten – ein indirektes Zeichen für unzureichende Konstruktion. Oder ein Panorama-Glasaufzug in einem Außenbereich, der nicht ausreichend gegen Wind, Wetter und Temperaturschwankungen geschützt ist, würde konstruktive Mängel aufweisen (Beschlagen, klemmen bei Kälte etc.).Glücklicherweise werden Konstruktionsmängel meist schon vor Markteinführung entdeckt oder durch Normen verhindert. Neue Aufzüge müssen nach der EU-Aufzugsrichtlinie strenge Konformitätsbewertungen durchlaufen, bevor sie betrieben werden dürfen. In der Prüfphase vor der ersten Nutzung wird explizit kontrolliert, ob "der Aufzug ordnungsgemäß errichtet wurde" und alle sicherheitsrelevanten Parameter korrekt umgesetzt sind. Dabei achten Sachverständige gezielt auf Auslegungsfehler des Herstellers und überprüfen die Einstellungen von Hard- und Software auf Plausibilität. Sollte dennoch ein Konstruktionsfehler übersehen werden, kann dies zu Serienmängeln führen – dann sind oft Rückrufe oder Nachrüstaktionen nötig. Ein historisches Beispiel sind die alten Paternoster-Aufzüge: Ihr offenes Design ohne Türen führte in der Vergangenheit zu schweren Unfällen, weshalb der Neubau solcher Anlagen aus haftungsrechtlichen Gründen verboten wurde. Hier hat man aus Designfehlern der Vergangenheit gelernt.
Übersicht: Typische Mängelkategorien bei Aufzügen
Kategorie | Typische Probleme (Beispiele) | Ursachen und Beispiele aus der Praxis |
---|---|---|
Montagemängel (Installation) | – Falsch justierte Türen oder Kabinen (Tür schließt nicht, Kabine hält nicht plan) – Lockeres oder fehlendes Befestigungsmaterial – Fehlerhafte Verkabelung oder Einstellung von Sicherheitsschaltern – Unvollständige Dokumentation (fehlende Pläne, Protokolle) | Unsachgemäße Ausführung bei Einbau und Abnahme. Ursache oft menschliches Versehen, Zeitdruck oder fehlende Qualifikation. Beispiel: Kabine bleibt 18 cm über dem Boden stehen → Sturz der Nutzerin (mangelhafte Justage). |
Materialfehler (Komponenten) | – Verschlissene Tragseile (Drahtbrüche, Durchmesser unter Grenzwert) – Korrodierte Metallteile (Seile mit Rost, rostige Traganker) – Gebrochene oder deformierte Bauteile (Risse im Kabinenrahmen, defekte Federn) – Ausfälle elektrischer Komponenten (defekte Notruftaster, Sensoren) | Qualitätsprobleme oder Alterung der Werkstoffe. Kann durch mangelhafte Herstellung oder fehlende Wartung begünstigt sein. Beispiel: Stark korrodierte Tragseile wurden festgestellt, ohne dass Austausch erfolgte (Korrosionsschaden). |
Konstruktionsmängel (Design) | – Unterdimensionierte Bauteile (z. B. zu schwache Seile oder Bremsen für Last) – Fehlende Sicherheitseinrichtungen (unzureichende Fangvorrichtung, kein redundanter Schutz) - Software-/Steuerungsfehler (Logik erlaubt gefährliche Zustände) – Nicht beachtete Nutzungsanforderungen (z. B. zu geringe Kabinengröße, falsche Materialwahl für Umgebung) | Fehler des Herstellers in Planung/Entwurf. Entstehen durch Vernachlässigung von Sicherheitsreserven oder falsche Annahmen. Beispiel: Überlastfall nicht berücksichtigt – Stahlseile reißen bei Vollbeladung, weil zu schwach bemessen. |
Hinweis: In der Praxis treten oft Kombinationen dieser Mängel auf. Ein gerissenes Seil kann z. B. auf einen Materialfehler (Korrosion, Drahtbruch) zurückgehen, der seinerseits durch mangelnde Wartung (Betreiberpflicht) übersehen wurde. Oder eine fehlerhafte Montage (z. B. lose Schraube) führt über längere Zeit zu Materialschäden (Ausschlagen eines Lagers). Eine klare Abgrenzung ist wichtig für die Haftungsfrage, die im nächsten Abschnitt behandelt wird.
Rechtliche Aspekte bei Aufzugsmängeln
Produktsicherheitsgesetz und Betriebssicherheitsverordnung
Aufzugsanlagen gelten als "überwachungsbedürftige Anlagen" im Sinne des Produktsicherheitsgesetzes. Für diese Anlagen kann die Bundesregierung gemäß § 34 ProdSG Rechtsverordnungen schaffen, die den Schutz von Beschäftigten und Dritten sicherstellen sollen. Dies ist durch Erlass der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) geschehen. Die BetrSichV ist unmittelbar anwendbar, wenn:
- ein Arbeitgeber den Aufzug verwendet oder
- ein Betreiber, ohne Arbeitgeber zu sein, den Aufzug zu gewerblichen oder wirtschaftlichen Zwecken verwendet.
Der Anwendungsbereich ist damit sehr weit gefasst. Bei gewerblichen Objekten wie Einkaufszentren ist die Anwendbarkeit der BetrSichV offensichtlich. Aber auch bei einem im Eigentum eines Einzeleigentümers stehenden Mehrfamilienwohnhaus ist die BetrSichV anwendbar, wenn Wohnungen vermietet werden, da dann ein wirtschaftlicher Zweck vorliegt. Bei Wohnungseigentümergemeinschaften ist die BetrSichV ebenfalls regelmäßig anwendbar, entweder weil die Gemeinschaft Arbeitnehmer beschäftigt oder weil ein wirtschaftlicher Zweck vorliegt, etwa wenn mindestens eine Wohnung an einen Dritten vermietet wird. Selbst wenn in einer Eigentümergemeinschaft keine Wohnung fremdgenutzt wird, ist von einem "wirtschaftlichen Zweck" auszugehen, wenn eine Verrechnung des Energie- oder Wasserverbrauchs durch Zwischenzähler erfolgt. In vielen Bundesländern wird die Anwendbarkeit der BetrSichV zudem durch Bestimmungen in den jeweiligen Landesbauordnungen sichergestellt, die bezüglich der Prüfvorschriften auf die BetrSichV verweisen, auch wenn die Aufzugsanlage keinem gewerblichen oder wirtschaftlichen Zweck dient.
Technische Regeln für Betriebssicherheit
Die Pflichten aus der BetrSichV werden konkretisiert durch das Technische Regelwerk zur BetrSichV (TRBS). Für Aufzüge ist insbesondere die TRBS 3121 "Betrieb von Aufzugsanlagen" relevant, die 2018 neu gefasst wurde. Hält der Betreiber die Technischen Regeln ein, kann er davon ausgehen, dass die Anforderungen der Verordnung erfüllt sind. Wird ein anderes Sicherheitskonzept gewählt, muss dadurch mindestens das gleiche Sicherheits- und Schutzniveau wie bei Anwendung der TRBS 3121 erreicht werden.
Haftungsfragen
Haftung des Herstellers
Die Haftung des Herstellers von Aufzugsanlagen ergibt sich primär aus dem Produkthaftungsgesetz sowie aus den allgemeinen Grundsätzen der deliktischen Haftung nach § 823 BGB.
Produkthaftung bei Konstruktionsmängeln
Ein Werk (hier: Personenaufzug) ist mangelhaft, wenn es nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. Dies gilt auch dann, wenn wegen Schadensfällen an Maschinen der gleichen Bauart zum Fortbestehen der Betriebserlaubnis Sonderprüfungen angeordnet werden, wie das OLG Stuttgart in seinem Urteil vom 25.09.2010 (10 U 34/12) festgestellt hat. In diesem Fall hatte ein Aufzug nicht den von den allgemein anerkannten Regeln der Technik geforderten Sicherheitsfaktor von 2,0 in praxisrelevanten Situationen gewährleistet. Das Gericht stellte klar, dass es unerheblich ist, ob es bei vergleichbaren Aufzügen tatsächlich zu Abstürzen gekommen ist oder am streitgegenständlichen Aufzug eine Vorschädigung eingetreten war. Der Hersteller haftet für die Einhaltung der technischen Sicherheitsstandards.
Haftung für fehlerhafte Bauteile
Der Hersteller haftet auch für fehlerhafte Bauteile, die in die Aufzugsanlage eingebaut werden. Dies umfasst sowohl Fabrikationsfehler als auch Konstruktionsfehler. Ein Konstruktionsmangel liegt vor, wenn das Design eines Aufzugs Schwachstellen aufweist, etwa wenn Seile, Tragbolzen oder Antriebe zu knapp dimensioniert sind, sodass es bei intensiver Nutzung oder Überlast zu gefährlichen Brüchen kommen kann.
Beweislast und Verjährung
Bei der Produkthaftung trägt grundsätzlich der Geschädigte die Beweislast für den Fehler, den Schaden und den Kausalzusammenhang. Allerdings gelten Beweiserleichterungen, wenn der Schaden im Herrschafts- und Organisationsbereich des Herstellers entstanden ist. Die Verjährungsfrist für Ansprüche aus dem Produkthaftungsgesetz beträgt drei Jahre ab Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis des Schadens und der Person des Ersatzpflichtigen, maximal jedoch zehn Jahre ab Inverkehrbringen des Produkts.
Haftung des Bauunternehmers/Generalunternehmers
Werkvertragliche Gewährleistung
Die Haftung des Bauunternehmers oder Generalunternehmers für Mängel an Aufzugsanlagen richtet sich nach den werkvertraglichen Gewährleistungsvorschriften. Gemäß § 633 BGB hat der Unternehmer das Werk frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Ein Sachmangel liegt vor, wenn das Werk nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat oder sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet.Bei Aufzugsanlagen bedeutet dies insbesondere, dass sie den anerkannten Regeln der Technik entsprechen müssen. Wie das OLG Stuttgart in seinem Urteil vom 25.09.2010 (10 U 34/12) festgestellt hat, ist ein Aufzug mangelhaft, wenn der erforderliche Sicherheitsfaktor nicht gewährleistet ist.
Abgrenzung Kaufvertrag mit Montageverpflichtung vom Werkvertrag
Für die Haftung ist auch die Einordnung des Vertrags als Werkvertrag oder Kaufvertrag mit Montageverpflichtung relevant. Das OLG Stuttgart hat in seinem Urteil vom 19.09.2017 (6 U 76/16) klargestellt, dass der Vertrag zur Herstellung und Lieferung einer an ein bestehendes Haus angepassten Aufzugsanlage auch dann ein Werkvertrag ist, wenn der Anschluss bauseits erfolgt.Diese Einordnung hat erhebliche Auswirkungen auf die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, insbesondere hinsichtlich der Gewährleistungsrechte und Haftungsfragen. Bei einem Werkvertrag hat der Besteller umfassendere Rechte bei Mängeln als bei einem Kaufvertrag.
Nachunternehmer und Durchgriffshaftung
Häufig werden Aufzugsanlagen nicht vom Generalunternehmer selbst, sondern von spezialisierten Nachunternehmern installiert. Das OLG Frankfurt a.M. hat in seinem Urteil vom 01.02.2008 (4 U 15/07) klargestellt, dass dem Unternehmer gegenüber seinem Nachunternehmer wegen der Mangelhaftigkeit von dessen Leistung auch dann ein Leistungsverweigerungsrecht zustehen kann, wenn der Bauherr abgenommen und gezahlt hat.Die Abnahme durch den Bauherrn und die Zahlung an den Hauptunternehmer schließen nicht das Recht des Hauptunternehmers aus, gegenüber dem Nachunternehmer Mängelrechte geltend zu machen. Dies ist besonders relevant für Bauunternehmer, die mit der Installation von Aufzugsanlagen beauftragt sind und diese Leistung an Subunternehmer weitergeben.
Haftung des Betreibers
Verkehrssicherungspflichten
Der Betreiber einer Aufzugsanlage unterliegt umfassenden Verkehrssicherungspflichten. Diese ergeben sich nicht nur aus der allgemeinen zivilrechtlichen Verkehrssicherungspflicht, sondern werden durch die BetrSichV und die TRBS 3121 konkretisiert. Das LG Deggendorf hat in seinem Urteil vom 06.04.2011 (22 O 568/10) festgestellt, dass dem Betreiber eines Aufzugs keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorzuwerfen ist, wenn der Aufzug zwar in der Vergangenheit wiederholt Probleme bereitet hat, sich diese aber nicht im schädigenden Ereignis niedergeschlagen haben und die vorschriftsgemäß durchgeführten Wartungen keine Mängel offenbart haben.
Wartungs- und Prüfpflichten
Zu den zentralen Pflichten des Betreibers gehören die regelmäßige Wartung und Prüfung der Aufzugsanlage. Gemäß BetrSichV müssen Aufzüge wiederkehrend auf ihren sicheren Zustand hinsichtlich des Betriebs geprüft werden, und zwar spätestens alle zwei Jahre. Zwischen zwei Hauptprüfungen ist eine Zwischenprüfung durch eine "Zugelassene Überwachungsstelle" (ZÜS) durchzuführen. Darüber hinaus müssen Aufzugsanlagen regelmäßig einer Inaugenscheinnahme und Funktionskontrolle unterzogen werden. Der Zeitabstand richtet sich nach Art und Umfang der Verwendung einer Aufzugsanlage.
Dokumentationspflichten
Für den Betreiber bzw. die von ihm beauftragte Person ist es unumgänglich, die durchgeführten Kontrollen des Aufzugs und das Ergebnis zu dokumentieren. Eine solche Dokumentation ist sowohl gegenüber dem Auftraggeber als auch der Aufsichtsbehörde notwendig und dient zudem der Absicherung gegenüber einer Inanspruchnahme durch einen Geschädigten. Das LG Deggendorf hat in seinem Urteil bestätigt, dass die regelmäßige Wartung und Inspektion durch eine Fachfirma sowie zusätzliche Sichtkontrollen durch eigenes Personal die Verkehrssicherungspflicht des Betreibers erfüllen.
Gewährleistungsansprüche
Mängelbeseitigung und Nacherfüllung
Bei Mängeln an Aufzugsanlagen hat der Besteller zunächst einen Anspruch auf Nacherfüllung gemäß § 635 BGB. Der Unternehmer kann nach seiner Wahl den Mangel beseitigen oder ein neues Werk herstellen. Allerdings hat der Besteller das Recht, die sicherste Art der Mangelbeseitigung zu wählen, wie das OLG Stuttgart in seinem Urteil vom 25.09.2010 (10 U 34/12) festgestellt hat. In diesem Fall war die Klägerin nicht verpflichtet, sich auf eine Doppelverstiftung als Nachbesserungsmethode einzulassen, da der Sachverständige erklärte, dass diese den Sicherheitsfaktor nicht ausreichend erhöhen würde. Ein Auftraggeber darf die sicherste Art der Mangelbeseitigung wählen, wenn diese den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht.
Kostenerstattungsansprüche
Kommt der Unternehmer seiner Nacherfüllungspflicht nicht nach, kann der Besteller den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen (§ 637 BGB). Dies setzt voraus, dass der Besteller dem Unternehmer eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat und diese erfolglos verstrichen ist. Das OLG Stuttgart hat in seinem Urteil vom 25.09.2010 (10 U 34/12) einen solchen Kostenerstattungsanspruch bejaht. Die Beklagte musste gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B die Kosten für den Getriebeaustausch übernehmen, nachdem sie den Aufzug nicht fristgerecht nachgerüstet hatte.
Verjährungsfristen bei Aufzugsanlagen
Die Verjährungsfrist für Mängelansprüche bei Aufzugsanlagen ist ein wichtiger Aspekt, den Bauunternehmer und Aufzugsbetreiber beachten müssen. Das LG München I hat in seinem Urteil vom 03.11.2009 (2 O 7461/09) klargestellt, dass bei Aufzugsanlagen gemäß § 13 Nr. 4 Abs. 2 VOB/B eine verkürzte Verjährungsfrist von zwei Jahren für Mängelansprüche gilt, wenn der Auftragnehmer nicht mit der Wartung beauftragt ist. Aufzugsanlagen sind "maschinelle und elektrotechnische/elektronische Anlagen oder Teile davon, bei denen die Wartung Einfluss auf die Sicherheit und Funktionsfähigkeit hat". Eine allgemeine vertragliche Vereinbarung einer längeren Verjährungsfrist (im konkreten Fall: fünf Jahre) für Bauleistungen reicht nicht aus, um die spezielle Regelung des § 13 Nr. 4 Abs. 2 VOB/B für Aufzugsanlagen auszuschließen. Um die verkürzte Verjährungsfrist auszuschließen, wäre eine ausdrückliche Abbedingung im Vertrag erforderlich gewesen.
Leistungsverweigerungsrechte
Bei Mängeln an der Leistung kann dem Besteller ein Leistungsverweigerungsrecht zustehen. Das OLG Frankfurt a.M. hat in seinem Urteil vom 01.02.2008 (4 U 15/07) festgestellt, dass dem Unternehmer gegenüber seinem Nachunternehmer wegen der Mangelhaftigkeit von dessen Leistung auch dann ein Leistungsverweigerungsrecht zustehen kann, wenn der Bauherr abgenommen und gezahlt hat. Bei der Geltendmachung eines Anspruchs auf Nachbesserung im Wege eines Zurückbehaltungsrechts kann beim Besteller keine finanzielle Bereicherung eintreten, weil die Nachbesserung unmittelbar seinem Auftraggeber zugutekommt. Daher steht die Abnahme durch den Bauherrn der Geltendmachung von Gewährleistungsrechten durch den Hauptunternehmer gegenüber dem Nachunternehmer nicht entgegen.
Verkehrssicherungspflichten
Umfang der Verkehrssicherungspflicht
Die Verkehrssicherungspflicht des Betreibers einer Aufzugsanlage ist umfassend und wird durch die BetrSichV und die TRBS 3121 konkretisiert. Der Betreiber muss alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um Gefahren für die Benutzer des Aufzugs zu vermeiden. Besondere Vorschriften für Aufzugsanlagen finden sich in Anhang 1 Ziffer 4 BetrSichV. Dazu gehören die Verpflichtung, ein Zweiwege-Kommunikationssystem vorzuhalten, einen Notfallplan zu erstellen bzw. einen Notdienst einzurichten.
Regelmäßige Wartung und Inspektion
Zu den zentralen Verkehrssicherungspflichten gehört die regelmäßige Wartung und Inspektion der Aufzugsanlage. Das LG Deggendorf hat in seinem Urteil vom 06.04.2011 (22 O 568/10) bestätigt, dass Aufzugsbetreiber ihre Verkehrssicherungspflicht erfüllen, wenn sie:
- Regelmäßige Wartungen und Inspektionen durch eine Fachfirma durchführen lassen
- Zusätzliche regelmäßige Sichtkontrollen durch eigenes Personal vornehmen
- Bei Problemen zeitnah reagieren
Frühere Probleme mit einem Aufzug begründen keine Haftung, wenn diese nicht im Zusammenhang mit dem konkreten Schadensfall stehen.
Notfallmaßnahmen und Kommunikationssysteme
Ein wichtiger Aspekt der Verkehrssicherungspflicht ist die Einrichtung von Notfallmaßnahmen und Kommunikationssystemen. Gemäß BetrSichV muss der Betreiber ein Zweiwege-Kommunikationssystem vorhalten, einen Notfallplan erstellen bzw. einen Notdienst einrichten. Die TRBS 3121 konkretisiert diese Pflichten und verlangt unter anderem, dass die Notrufeinrichtung funktioniert und, sofern kein Notdienst vorhanden ist, ein lesbarer und aktueller Notfallplan in der Nähe der Aufzugsanlage angebracht ist.
Haftungsbegrenzung durch ordnungsgemäße Wartung
Eine ordnungsgemäße Wartung und Inspektion kann die Haftung des Betreibers begrenzen. Das LG Deggendorf hat in seinem Urteil festgestellt, dass dem Betreiber eines Aufzugs keine Verkehrssicherungsverpflichtung vorzuwerfen ist, wenn der Aufzug zwar in der Vergangenheit wiederholt Probleme bereitet hat, sich diese aber nicht im schädigenden Ereignis niedergeschlagen haben und die vorschriftsgemäß durchgeführten Wartungen keine Mängel offenbart haben. Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung einer dokumentierten, regelmäßigen Wartung und Inspektion von Aufzugsanlagen durch qualifizierte Fachfirmen. Technische Sicherheitseinrichtungen wie Fangvorrichtungen und Geschwindigkeitsbegrenzer sind entscheidend für die Sicherheit von Aufzugsanlagen.
Praxisrelevante Gerichtsentscheidungen
OLG Stuttgart: Mangelhaftigkeit bei nicht ausreichendem Sicherheitsfaktor
Das OLG Stuttgart hat in seinem Urteil vom 25.09.2010 (10 U 34/12) festgestellt, dass ein Werk (hier: Personenaufzug) mangelhaft ist, wenn wegen Schadensfällen an Maschinen der gleichen Bauart zum Fortbestehen der Betriebserlaubnis Sonderprüfungen angeordnet werden. Die Beurteilung eines Mangels erfolgt nach den Erkenntnismöglichkeiten zum Zeitpunkt der Selbstvornahme. Spätere wissenschaftliche Erkenntnisse, die das Vorliegen eines Mangels in Frage stellen, stehen einem Kostenerstattungsanspruch nicht entgegen. Ein Auftraggeber darf die sicherste Art der Mangelbeseitigung wählen, wenn diese den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. Der von den allgemein anerkannten Regeln der Technik geforderte Sicherheitsfaktor von 2,0 muss in praxisrelevanten Situationen gewährleistet sein.
OLG Frankfurt: Leistungsverweigerungsrecht gegenüber Nachunternehmern
Das OLG Frankfurt a.M. hat in seinem Urteil vom 01.02.2008 (4 U 15/07) klargestellt, dass dem Unternehmer gegenüber seinem Nachunternehmer wegen der Mangelhaftigkeit von dessen Leistung auch dann ein Leistungsverweigerungsrecht zustehen kann, wenn der Bauherr abgenommen und gezahlt hat. Die Abnahme gegenüber dem Hauptunternehmer wurde in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 641 Abs. 2 BGB n.F. gewürdigt: Mit der Abnahme durch den Auftraggeber des Hauptunternehmers und der Abrechnung ist auch konkludent durch Inbenutzungnahme das Werk des Nachunternehmers abgenommen. Der Geltendmachung von Gewährleistungsrechten durch den Hauptunternehmer steht nicht entgegen, dass sein Auftraggeber seinerseits keine Ansprüche geltend gemacht hat. Nur unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung wäre dies dann der Fall, wenn feststünde, dass der Hauptunternehmer seinerseits wegen Mängeln von seinem Auftraggeber nicht mehr in Anspruch genommen wird.
LG München: Verjährungsfristen bei Aufzugsanlagen
Das LG München I hat in seinem Urteil vom 03.11.2009 (2 O 7461/09) die Verjährungsfrist für Mängelansprüche bei Aufzugsanlagen konkretisiert. Bei Aufzugsanlagen gilt gemäß § 13 Nr. 4 Abs. 2 VOB/B eine verkürzte Verjährungsfrist von zwei Jahren für Mängelansprüche, wenn der Auftragnehmer nicht mit der Wartung beauftragt ist. Aufzugsanlagen sind "maschinelle und elektrotechnische/elektronische Anlagen oder Teile davon, bei denen die Wartung Einfluss auf die Sicherheit und Funktionsfähigkeit hat". Eine allgemeine vertragliche Vereinbarung einer längeren Verjährungsfrist für Bauleistungen reicht nicht aus, um die spezielle Regelung des § 13 Nr. 4 Abs. 2 VOB/B für Aufzugsanlagen auszuschließen. Um die verkürzte Verjährungsfrist für Aufzugsanlagen auszuschließen, wäre eine ausdrückliche Abbedingung des § 13 Nr. 4 Abs. 2 VOB/B im Vertrag erforderlich gewesen. Es ist unerheblich, ob die defekten Teile selbst wartungsbedürftig sind, da die Aufzugsanlagen als Ganzes zweifelsfrei wartungsbedürftig sind.
LG Deggendorf: Verkehrssicherungspflicht und Haftungsbegrenzung
Das LG Deggendorf hat in seinem Urteil vom 06.04.2011 (22 O 568/10) die Verkehrssicherungspflicht eines Aufzugbetreibers konkretisiert. Dem Betreiber eines Aufzugs ist keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorzuwerfen, wenn der Aufzug zwar in der Vergangenheit wiederholt Probleme bereitet hat, sich diese aber nicht im schädigenden Ereignis niedergeschlagen haben und die vorschriftsgemäß durchgeführten Wartungen keine Mängel offenbart haben. Aufzugsbetreiber erfüllen ihre Verkehrssicherungspflicht, wenn sie regelmäßige Wartungen und Inspektionen durch eine Fachfirma durchführen lassen, zusätzliche regelmäßige Sichtkontrollen durch eigenes Personal vornehmen und bei Problemen zeitnah reagieren. Frühere Probleme mit einem Aufzug begründen keine Haftung, wenn diese nicht im Zusammenhang mit dem konkreten Schadensfall stehen. Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung einer dokumentierten, regelmäßigen Wartung und Inspektion von Aufzugsanlagen durch qualifizierte Fachfirmen.
Praxisempfehlungen für Bauunternehmer und Aufzugsbetreiber
Präventive Maßnahmen
Für Bauunternehmer und Aufzugsbetreiber ist es entscheidend, präventive Maßnahmen zu ergreifen, um technische Mängel zu vermeiden und rechtliche Risiken zu minimieren.
Qualitätssicherung bei Planung und Montage
- Achten Sie auf die Einhaltung aller relevanten Normen und technischen Regeln bei der Planung und Montage von Aufzugsanlagen.
- Stellen Sie sicher, dass alle sicherheitsrelevanten Komponenten den erforderlichen Sicherheitsfaktor aufweisen.
- Verwenden Sie nur qualitativ hochwertige Materialien und Bauteile, die den Anforderungen entsprechen.
- Setzen Sie qualifiziertes Personal für die Montage ein und sorgen Sie für eine angemessene Überwachung der Arbeiten.
Dokumentation und Abnahme
- Dokumentieren Sie alle Planungs- und Montageschritte sorgfältig.
- Erstellen Sie vollständige Unterlagen, einschließlich Schaltpläne, Errichter-Protokolle und Dokumentation der Elektroinstallation.
- Führen Sie vor der Abnahme eine gründliche Überprüfung aller sicherheitsrelevanten Komponenten durch.
- Achten Sie darauf, dass die Abnahme durch eine zugelassene Überwachungsstelle (ZÜS) erfolgt und alle Mängel vor Inbetriebnahme beseitigt werden.
Wartungsverträge und regelmäßige Inspektionen
- Schließen Sie Wartungsverträge mit qualifizierten Fachfirmen ab.
- Stellen Sie sicher, dass regelmäßige Wartungen und Inspektionen gemäß den Vorgaben der BetrSichV durchgeführt werden.
- Führen Sie zusätzlich regelmäßige Sichtkontrollen durch eigenes Personal durch.
- Dokumentieren Sie alle Wartungs- und Inspektionsmaßnahmen sorgfältig.
Vorgehen bei Mängeln
Treten trotz präventiver Maßnahmen Mängel auf, ist ein strukturiertes Vorgehen erforderlich, um rechtliche Risiken zu minimieren und die Sicherheit der Aufzugsanlage zu gewährleisten.
Mängelerfassung und -dokumentation
- Erfassen Sie alle Mängel detailliert und dokumentieren Sie diese mit Fotos und schriftlichen Beschreibungen.
- Halten Sie den Zeitpunkt des Auftretens des Mangels fest.
- Dokumentieren Sie alle Maßnahmen, die zur Behebung des Mangels ergriffen werden.
- Bewahren Sie alle Unterlagen sorgfältig auf, um im Streitfall Nachweise vorlegen zu können.
Fristsetzung und Nachbesserungsverlangen
- Setzen Sie dem Verantwortlichen eine angemessene Frist zur Mängelbeseitigung.
- Formulieren Sie das Nachbesserungsverlangen präzise und beschreiben Sie den Mangel genau.
- Weisen Sie auf die Sicherheitsrelevanz des Mangels hin und betonen Sie die Dringlichkeit der Behebung.
- Senden Sie das Nachbesserungsverlangen nachweisbar zu (z.B. per Einschreiben mit Rückschein).
Selbstvornahme und Kostenerstattung
- Wird der Mangel nicht fristgerecht behoben, können Sie die Mängelbeseitigung selbst vornehmen oder durch einen Dritten durchführen lassen.
- Dokumentieren Sie alle Kosten, die im Zusammenhang mit der Mängelbeseitigung entstehen.
- Fordern Sie die Erstattung der Kosten vom Verantwortlichen.
- Beachten Sie, dass Sie die sicherste Art der Mangelbeseitigung wählen dürfen, wenn diese den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht.
Rechtliche Absicherung
Eine umfassende rechtliche Absicherung ist für Bauunternehmer und Aufzugsbetreiber unerlässlich, um Haftungsrisiken zu minimieren.
Vertragsgestaltung und Haftungsbegrenzung
- Achten Sie bei der Vertragsgestaltung auf klare Regelungen zu Gewährleistung und Haftung.
- Vereinbaren Sie bei Bedarf ausdrücklich längere Verjährungsfristen für Mängelansprüche, insbesondere wenn die VOB/B Anwendung findet.
- Regeln Sie die Verantwortlichkeiten für Wartung und Instandhaltung eindeutig.
- Legen Sie fest, welche Normen und technischen Regeln einzuhalten sind.
Versicherungsschutz
- Sorgen Sie für einen ausreichenden Versicherungsschutz, der Haftungsrisiken im Zusammenhang mit Aufzugsanlagen abdeckt.
- Prüfen Sie regelmäßig, ob der Versicherungsschutz noch den aktuellen Anforderungen entspricht.
- Informieren Sie Ihre Versicherung über wesentliche Änderungen an der Aufzugsanlage.
- Beachten Sie die Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrag, insbesondere hinsichtlich Wartung und Inspektion.
Dokumentation von Wartungs- und Prüfmaßnahmen
- Führen Sie ein Wartungsbuch, in dem alle Wartungs- und Prüfmaßnahmen dokumentiert werden.
- Bewahren Sie alle Prüfbescheinigungen der zugelassenen Überwachungsstellen auf.
- Dokumentieren Sie alle Sichtkontrollen und Funktionsprüfungen durch eigenes Personal.
- Halten Sie alle Maßnahmen fest, die zur Behebung von Mängeln ergriffen wurden.
Fazit und Ausblick
Die Sicherheit von Aufzugsanlagen ist ein komplexes Thema, das sowohl technische als auch rechtliche Aspekte umfasst. Technische Mängel können in verschiedenen Kategorien auftreten: Montagemängel durch unsachgemäße Installation, Materialfehler durch Produktionsmängel oder Alterung sowie Konstruktionsmängel durch fehlerhafte Planung oder Design. Jede dieser Kategorien erfordert spezifische Maßnahmen zur Prävention und Behebung. Der rechtliche Rahmen für Aufzugsanlagen ist in Deutschland umfassend geregelt. Die Betriebssicherheitsverordnung und die Technischen Regeln für Betriebssicherheit konkretisieren die Pflichten von Herstellern, Bauunternehmern und Betreibern. Die Rechtsprechung hat in zahlreichen Entscheidungen die Haftungsfragen, Gewährleistungsansprüche und Verkehrssicherungspflichten präzisiert. Für Bauunternehmer und Aufzugsbetreiber ist es entscheidend, präventive Maßnahmen zu ergreifen, bei Mängeln strukturiert vorzugehen und für eine umfassende rechtliche Absicherung zu sorgen. Nur so können sie Haftungsrisiken minimieren und die Sicherheit der Aufzugsanlagen gewährleisten. Die Entwicklung im Bereich der Aufzugstechnik schreitet stetig voran. Neue Technologien wie digitale Überwachungssysteme, vorausschauende Wartung durch Künstliche Intelligenz und energieeffiziente Antriebe werden zunehmend Einzug halten. Auch der rechtliche Rahmen wird sich weiterentwickeln, um mit den technischen Innovationen Schritt zu halten. Bauunternehmer und Aufzugsbetreiber sollten daher die technischen und rechtlichen Entwicklungen aufmerksam verfolgen und ihre Maßnahmen zur Qualitätssicherung, Wartung und rechtlichen Absicherung kontinuierlich anpassen. Nur so können sie langfristig die Sicherheit und Funktionsfähigkeit ihrer Aufzugsanlagen gewährleisten und rechtliche Risiken minimieren.
Artikel teilen: