Teilzahlungen, die der Schuldner vor Insolvenzeröffnung erbringt müssen nicht zurückgegeben werden

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Erbringt der Schuldner vor Insolvenzantragstellung Teilleistungen und nimmt der Gläubiger diese an, so stellt dies nach Ansicht des Oberlandesgerichts Saarbrücken keinen Fall inkongruenter Deckung dar, welcher den Insolvenzverwalter zu einer Insolvenzanfechtung berechtigt.

Eine Baugesellschaft erbrachte über mehrere Jahren Bauleistungen für die Schuldnerin. Aufgrund von Mängeln vereinbarten Schuldnerin und Baugesellschaft in einem Vergleich vom 5. August 2004, dass die Schuldnerin noch 19.500,00 EUR zu zahlen habe. Nach Abzug weiterer Rechnungen verblieb ein Betrag von 11.481,38 EUR zugunsten der Baugesellschaft. Hierauf zahlte die Schuldnerin am 17. August 2004 einen Betrag in Höhe von 5.000,00 EUR und am 22. September 2004 einen Betrag in Höhe von 3.892,34 EUR. Den Restbetrag zahlte sie nicht mehr. In der Geschäftsbeziehung kam es öfters vor, dass die spätere Schuldnerin der Baugesellschaft zustehende Geldbeträge einbehielt.

Am 16. November 2004 wurde Insolvenzantrag gestellt; das Insolvenzverfahren wurde am 12. Januar 2005 eröffnet.

Der Insolvenzverwalter meint, dass die Schuldnerin bei Vornahme der Abschlagszahlungen schon überschuldet gewesen sei. Da die Schuldnerin „grundlos" Teilleistungen an die Baugesellschaft erbracht habe, habe diese wissen müssen, dass die Schuldnerin zahlungsunfähig sei. Er ficht somit die beiden Zahlungen an und fordert die 8.892,34 € von der Baugesellschaft zurück.

Das Landgericht sah die Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung als gegeben an und verurteilte die Baugesellschaft antragsgemäß.

Das Oberlandesgericht hob diese Entscheidung auf.

Die Anfechtungsnorm nach der Insolvenzordnung setze eine Rechtshandlung voraus, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht, nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte. Das Landgericht habe inkongruente Deckung in Form einer Befriedigung der Baugesellschaft bejaht, die diese „nicht in der Art" zu beanspruchen hatte und dies damit begründet, nach dem abgeschlossenen Vergleich sei die Schuldnerin nicht zu Teilleistungen berechtigt gewesen.

Dies vermag nicht zu überzeugen. „Nicht in der Art" ist eine Befriedigung, wenn sie von der nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses geschuldeten Befriedigung abweiche.

Die Schuldnerin und die Baugesellschaft haben am 5. August 2004 zum Abschluss einer mehrjährigen nicht unproblematischen Geschäftsbeziehung einen Vergleich geschlossen. Die Schuldnerin schuldete der Baugesellschaft aus dem Vergleich einen Betrag von insgesamt 11.481,38 EUR. Weder habe die Schuldnerin sofort gezahlt noch haben die Baugesellschaft sofortige Zahlung verlangt. Vielmehr habe die Schuldnerin ohne Beanstandung seitens der Baugesellschaft zwei Teilleistungen erbracht. Dieses Zahlungsverhalten habe jedoch nicht zu einer inkongruenten Deckung geführt.

Die Teilzahlungen der Schuldnerin widersprechen zwar dem Gesetz, wonach der Schuldner zu Teilleistungen nicht berechtigt sei. Allerdings stehe es jedem Gläubiger frei, Teilleistungen zu akzeptieren. Die Baugesellschaft habe die Teilleistungen beanstandungslos angenommen und einen Gesetzesverstoß nicht gerügt. Somit sei aufgrund der Teilleistungen teilweise Erfüllung eingetreten.

Der Zweck der Anfechtungsnorm der Insolvenzordnung führe dazu, dass aufgrund dieser Teilleistungen eine inkongruente Deckung nicht angenommen werden könne. Diese Anfechtungsvorschrift soll verhindern, dass der Schuldner kurz vor Stellung des Insolvenzantrages Verbindlichkeiten in einer vertraglich nicht festgelegten Form erfüllt und hierdurch einzelne Gläubiger zu Unrecht bevorzugt.

Ein Anfechtungsgrund wegen inkongruenter Deckung sei somit nicht gegeben.

Der Insolvenzverwalter könne schließlich auch nicht mit der Begründung anfechten, dass die Baugesellschaft bei Erhalt der Zahlungen von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gewusst habe. Dass die Baugesellschaft die Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin bei Vereinnahmung der Teilzahlungen gekannt habe, habe der Insolvenzverwalter jedoch nicht vorgetragen und schon gar nicht bewiesen.

Im vorliegenden Fall fehlen auch Anhaltspunkte dafür, dass sich der Baugesellschaft eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hätten „aufdrängen" können. Aus einer vom Insolvenzverwalter vorgelegten Übersicht gehe hervor, dass die Baugesellschaft zu einer Vielzahl von Gläubigern gehöre und keine herausgehobene Stellung innehabe. Vielmehr waren Zahlungsstockungen und Einbehalte in der mehrjährigen Geschäftsbeziehung häufiger vorgekommen. Diese hatten ihre Ursache aber immer in Rechnungs- und Gewährleistungsstreitigkeiten.

Weitere Anfechtungstatbestände waren nicht ersichtlich. Dem Insolvenzverwalter steht mithin kein Anspruch aus Insolvenzanfechtung zu.

(Quelle: Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 24.06.2008; 4 U 324/07

Vorinstanz: Landgericht Saarbrücken; Urteil vom 30.04.2007; 6 O 212/06)

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