Thema Betreuungsrecht: Gericht entscheidet auf zwingende Anhörung bei neuen Tatsachen

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Der Bundesgerichtshof (XII. Zivilsenat) hat mit Beschluss vom 06.10.2021 (Aktenzeichen XII ZB 205/20) folgenden Fall im Betreuungsrecht entschieden:

Die Betroffene litt an einer fortgeschrittenen Demenz, wegen derer sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen und keinen freien Willen mehr bilden konnte. 

Im Jahr 2013 hatte sie ihren beiden Töchtern, den Beteiligten zu 1 und 2, jeweils eine privatschriftliche Vorsorgevollmacht erteilt. Die Betroffene lebt in einer Wohnung und wird dort von der Beteiligten zu 1 versorgt, die ebenfalls im gleichen Ort wohnt. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Vollmacht der Beteiligten zu 2 widerrufen wurde. 

Das Amtsgericht hat auf Anregung der Beteiligten zu 2 eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Organisation des Kontakts zwischen der Betroffenen und der Beteiligten zu 2 sowie der Information der Beteiligten zu 2 bezüglich des Gesundheitszustands und des Aufenthaltsorts der Betroffenen eingerichtet. 

Die Betroffene und die Beteiligte zu 1 haben hiergegen Beschwerde eingelegt, dass das Landgericht ohne erneute Anhörung zurückgewiesen hat. 

Nunmehr legten die Betroffene und Beteiligte zu 1 Rechtsbeschwerde ein und streben die Aufhebung der Betreuung an.

Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Die Sache wurde an das Landgericht zurückverwiesen und der angefochtene Beschluss aufgehoben. Das Landgericht hatte dies damit begründet, dass die Einrichtung der Betreuung trotz der erteilten Vollmachten erforderlich ist. Die Beteiligte zu 2 habe ihre Mutter seit Oktober 2018 nicht mehr sehen oder telefonisch erreichen können, da die Beteiligte zu 1 das Schloss der Wohnung ausgetauscht habe und die Betroffene weder die Klingel noch ihr Telefon höre. Da sich die Betroffene und die Beteiligte zu 2 nicht mehr sehen könnten und die Beteiligte zu 1 den Kontakt der Betroffenen zur Beteiligten zu 2 zu verhindern versuche, liege ein erheblicher Mangel der Vollmachtausübung vor. Auch wenn sie sich vorbildlich um die Pflege und Versorgung der Betroffenen kümmere, handele die Beteiligte zu 1 nicht mehr entsprechend der Vereinbarung und im Interesse der Betroffenen. Die beiden Bevollmächtigten seien so tief zerstritten, dass sie ohne die Hilfe der Betreuerin keine Regelung finden könnten, welche der Beteiligten zu 2 eine Kontaktaufnahme zur Betroffenen und regelmäßige Besuche möglich machen. Die Betroffene habe nicht geäußert, die Beteiligte zu 2 nicht mehr sehen zu wollen. Dies ergebe sich aus den in erster Instanz durchgeführten Anhörungen und eingeholten Berichten, die die Erforderlichkeit einer Betreuung deutlich machen würden. Die Betreuerin hat für ein Treffen zwischen der Betroffenen und der Beteiligten zu 2 gesorgt.

Das Beschwerdegericht hat von einer erneuten Anhörung der Betroffenen im Beschwerdeverfahren abgesehen, da das Beschwerdegericht der Ansicht war, dass die Betroffene im ersten Rechtszug ausführlich angehört worden war und keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind. Dies unter anderem auch hinsichtlich ihrer Erkrankung.

Die Pflicht zur persönlichen Anhörung des Betroffenen besteht auch im Beschwerdeverfahren, vor allem, wenn neue Erkenntnisse zu erwarten sind bzw. neue Tatsachengrundlagen. Die Betroffene hätte somit persönlich angehört werden müssen.

Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt Oliver Thieler, LL.M. von der Rechtsanwaltskanzlei Prof. Dr. Thieler – Prof. Dr. Böh – Thieler Rechtsanwaltsgesellschaft mbH erstellt.

Rechtsanwalt Oliver Thieler, LL.M. ist seit Jahren u.a. im Bereich des internationalen länderübergreifenden Erbrechts tätig und Autor der Publikation: "Richtig Erben und Vererben".

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