Türkei: Übersicht steuerrechtlicher Maßnahmen gegen die Coronavirus-Pandemie

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Die Finanzverwaltung in der Türkei hat nach der Erklärung des Coronavirus (Covid-19) zur Pandemie durch die Weltgesundheitsorganisation und nach der Erhöhung der Infektionsfälle auch steuerliche Maßnahmen eingeleitet, um die Existenz der Betriebe zu erhalten.

Mit dem Generalerlass über die Abgabenordnung mit der Nr.: 518 vom 24.03.2020 wurde die Pandemie als „höhere Gewalt“ anerkannt und die Fristen zur Einreichung mancher Steuererklärungen und zur Einzahlung der betreffenden Steuern wurden verschoben. Manche Steuersätze wurden zudem vorläufig herabgesetzt.

In diesem Schreiben werden wir kurz auf die steuerrechtlichen Vereinfachungen aufgrund der Pandemie eingehen. Für weitere Informationen setzen Sie sich bitte mit unserer Steuerabteilung in Verbindung.

1. Branchen, für die der Zustand „höherer Gewalt“ angenommen wird 

Für den Zeitraum vom 01.04.2020 bis zum 30.06.2020 wird die Pandemie als Zustand höherer Gewalt angenommen. In folgenden Branchen können die Steuerpflichtigen von den Vergünstigungen aufgrund höherer Gewalt Gebrauch machen.

Die Zugehörigkeit zu der betreffenden Branche wird anhand des beim Finanzamt gemeldeten Geschäftsgegenstands festgestellt. Ferner kann auch ein Steuerpflichtiger, der zwar mit anderem Geschäftsgegenstand gemeldet aber faktisch und nachweisbar in einem dieser Branchen tätig ist, diese Vergünstigungen der höheren Gewalt in Anspruch nehmen.

  1. Steuerpflichtige, die aus gewerblichen, landwirtschaftlichen und beruflichen Einkünften einkommenssteuerpflichtig sind.
  2. Steuerpflichtige, die von der Covid-19-Pandemie unmittelbar betroffen sind und die sich derzeit als Hauptgeschäft mit folgenden Geschäftsgegenständen beschäftigen: Einzelhandel einschließlich Einkaufszentren, Gesundheitsdienstleistungen, Möbelherstellung, Eisen-, Stahl- und Metallindustrie, Bergbau- und Steinbruchbetriebe, Baudienstleistungen, Herstellung industrieller Küchen, Kraftfahrzeugbau und -handel sowie Automobilzulieferindustrie, Autovermietung, Logistik und Transport einschließlich Lagerung, künstlerische Leistungen wie Film und Theater, Herausgabe von Druckerzeugnissen wie Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, etc. einschließlich Druckereien, Beherbergungsgewerbe einschließlich Reiseveranstalter und Reiseagenturen, Gastronomiebetriebe einschließlich Restaurants und Kaffeehäuser, Textil- und Konfektionsherstellung und -handel, Veranstaltungen und Organisationen einschließlich Öffentlichkeitsarbeit.
  3. Steuerpflichtige, die unter Berücksichtigung des Hauptgegenstands in den Branchen tätig sind, in welchen die Arbeitsstätte im Rahmen der Maßnahmen des Innenministeriums vorläufig zu schließen haben. Betriebe wie Schwimmhallen, Bäder (sog. Hamams), Heilbäder, Sport-, Spiel- und Hochzeitshallen sowie Friseure fallen darunter.

2. Fristverlängerungen für die von der Pandemie betroffene Steuerpflichtigen (6 Monate) 

Für sämtliche oben genannte Steuerzahler, die von der höheren Gewalt betroffen sind, wurde die Frist zur Einreichung der Quellensteuer- und der Mehrwertsteuererklärung für die Monate April, Mai und Juni bis zum 27.07.2020 verlängert. 

Zudem wurde die Fälligkeit der anfallenden Steuern jeweils um 6 Monate verschoben, sodass den Steuerzahlern ermöglicht wurde, diese bis zum Ablauf der Monate Oktober, November, Dezember einzuzahlen. Die Termine zur Einreichung der Erklärungen und zur Zahlung der Steuern sind wie folgt:

Periode (2020) 

Steuererklärung 

Einzahlung 

April 

27.07.2020

30.10.2020 

Mai 

27.07.2020

30.11.2020 

Juni 

27.07.2020

31.12.2020 


3. Fristverlängerungen für alle Steuerpflichtigen unabhängig von der Pandemie (1 Monat) 

Die Frist zur Einreichung der Mehrwertsteuererklärung, die bis zum 26.03.2020 einzureichen war, sowie die Einzahlung der anfallenden Steuern wurden bis zum 24.04.2020 um einen Monat verschoben. 

Andererseits wurden die Termine zur Einreichung der BA-BS-Erklärungen (Mitteilungen über Waren- und Dienstleistungseinkäufe bzw. -verkäufe) für Februar 2020, welche im Normalfall bis zum 31. März einzureichen waren, sowie die Termine zur Erstellung und Signierung der E-Bücher und zum Hochladen der Kenndaten der E-Bücher ebenfalls um einen Monat, d. h. bis zum 30.04.2020 verschoben.

4. Verschiebung hinsichtlich der jährlichen Einkommenssteuer (1 Monat) 

Die Termine zur Einreichung der jährlichen Einkommensteuererklärungen für das Kalenderjahr 2019, die im Regelfall bis zum 31.03.2020 einzureichen waren, sowie zur Einzahlung der anfallenden Steuern wurden um einen Monat, d. h. bis zum 30.04.2020 verschoben. 

Da es sich hier überwiegend um steuerpflichtige Freiberufler und um die Besteuerung der Verdienste aus dem Jahr 2019 handelt, sollte nicht mit einer weiteren Verlängerung oder mit einer weiteren Vergünstigung gerechnet werden.

5. Verschiebung der Fälligkeit der Recyclingabgabe für die Monate Januar und Februar 2020 

Die Fälligkeit der Steuererklärung für die Recyclingabgabe für die Monate Januar und Februar 2020 wurde auf den Fälligkeitstermin für die erste Periode des Jahres 2020, d. h. auf 31.07.2020 verschoben. Der einmonatige Zeitraum der einzureichenden Erklärungen wurde auf 3 Monate verlängert, für das Jahr 2020 sogar auf 6 Monate.

6. Situation steuerpflichtiger Personen, die der Ausgangssperre unterliegen 

Da das Coronavirus überwiegend für ältere Menschen tödlich ist, hat das türkische Innenministerium eine Ausgangssperre ab dem 22.03.2020 für Menschen ab 65 Jahren und für Menschen mit chronischen Krankheiten ausgesprochen.

Für steuerpflichtige natürliche Personen und Freiberufler, die unter diese Kategorie fallen, gilt der Zeitraum ab dem Anfang und bis zum Ende der Ausgangssperre als ein Fall höherer Gewalt. Die Fälligkeit der für diesen Zeitraum einzureichenden Steuererklärungen und der Einzahlung der anfallenden Steuern wurde auf das Ende des 15. Tages nach Aufhebung der Ausgangssperre verschoben.

7. Vorläufige MwSt.-Senkung für den Personenluftverkehr 

Der übliche MwSt.-Satz von 18 % für den Personenluftverkehr wurde für den Zeitraum 01.04.2020 – 30.06.2020 für 3 Monate vorläufig auf 1 % herabgesetzt. Da die Fluggesellschaften aufgrund der Flugverbote kurzfristig keine neuen Verkäufe tätigen können, können kurzfristig kaum positive Auswirkungen daraus erwartet werden.

Ergebnis 

Die von der Finanzverwaltung bis jetzt eingeleiteten Maßnahmen sind lediglich auf die Verschiebung der Fristen zur Einreichung der Steuererklärungen und zur Einzahlung der Steuern beschränkt. Augenblicklich sind keine Steuerermäßigungen oder Steuererlasse in Sicht.

Ferner gibt es noch keine Stundung für die vorläufige Körperschaftssteuererklärung für das erste Quartal 2020. Zudem wurden die Termine zur Einreichung der Beitragsmeldungen zur Sozialversicherung und zur Abführung der Sozialversicherungsprämien noch gar nicht geändert.

Die steuerrechtlichen Maßnahmen wegen der Coronavirus-Pandemie in der Türkei enthalten derzeit keine finanziellen Unterstützungen. Zurzeit scheint das Kurzarbeitergeld für Arbeitnehmer, für Betriebe die einzige Möglichkeit zu sein, eine finanzielle Unterstützung ohne Gegenleistung zu erhalten. Diese ist jedoch sehr gering und beschränkt im Umfang.

Folglich sind wir mit der Tatsache konfrontiert, dass die staatlichen Unterstützungen weder für Betriebe noch für Arbeitnehmer konkrete Abhilfe schaffen und die einzige Lösung darin besteht, in kürzester Zeit zur Normalität zurückzukehren und wieder betrieblichen Umsätze zu erreichen.

Zu diesem Zweck müssen die Steuerpflichtigen trotz des Virus alle erforderlichen und geeigneten Gesundheitsmaßnahmen ergreifen, um ihre Geschäfte fortzuführen, anstatt abzuwarten. Anderenfalls könnten die meisten Betriebe diese Corona-Krise, die länger als erwartet andauern kann, möglicherweise nicht überwinden.

Dr. Fatih Dogan

LL.M-Freiburg

Partner | Rechtsanwalt

Stand: 27.03.2020 

Generalerlass über die Abgabenordnung vom 24.03.2020 mit der Nr.: 518, abrufbar unter

https://www.resmigazete.gov.tr/eskiler/2020/03/20200324M1-4.htm


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