Übergewicht als Kündigungsschutz und Behinderung

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Starkes Übergewicht – sog. Adipositas – kann im Einzelfall als Behinderung anerkannt werden mit der Folge, dass der Arbeitnehmer Diskriminierungsschutz genießt, entschied aktuell der Europäische Gerichtshof.

Eine diskriminierende Entlassung kann dann unter Umständen für unwirksam erklärt werden. Dem Arbeitnehmer stehen ggf. sogar Schadensersatzansprüche zu.

Ein dänischer Arbeitnehmer wehrt sich gegen seine Entlassung, weil er behauptet, sein Übergewicht habe den Kündigungsgrund dargestellt. Dies sei diskriminierend. Der Kläger wies einen Body Mass Index (BMI) von 54 auf. Damit gilt er als fettleibig. Dies wird ab einem BMI von 30 und höher regelmäßig angenommen.

Das dänische Arbeitsgericht legte dem EuGH die Frage vor, ob das Europarecht ein allgemeines Diskriminierungsverbot kennt, ob schweres Übergewicht stets eine Behinderung darstelle und eine diesbezügliche Diskriminierung gegen Europarecht verstoße.

Der EuGH entschied, dass das Europarecht zwar kein allgemeines Diskriminierungsverbot wegen schwerer Fettleibigkeit vorsehe, im Einzelfall aber durchaus eine Behinderung vorliegen könne, die den Diskriminierungsschutz auslöst.

Es kommt daher auf den Einzelfall an. Entscheidend ist hierbei weniger, welcher Grad oder Umfang des Übergewichts bereits erreicht ist, sondern ob die Adipositas zu physischen, geistigen oder psychischen Einschränkungen führt, aufgrund derer die gleichberechtigte Teilnahme des Betroffenen am Berufsleben für einen erheblichen Zeitraum verhindert wird. Hierfür sprechen häufige Erkrankungen oder Probleme in der Bewegungsfreiheit.

Unerheblich ist hierbei, ob der Arbeitnehmer selbst zu der Fettleibigkeit beigetragen hat.

Aus den Feststellungen des Gerichts lassen sich keine klaren Grenzwerte für ein starkes Übergewicht ziehen. Entscheidend ist vielmehr, ob der Arbeitnehmer durch das Übergewicht häufig arbeitsunfähig oder stark in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist.

Das dänische Arbeitsgericht wird nunmehr beurteilen müssen, ob bei dem Kläger eine Behinderung vorliegt, die wiederrum dem Diskriminierungsverbot unterliegt.

Dies könnte zu einer Unwirksamkeit der Entlassung oder zu Schadensersatzansprüchen führen.

Abzuwarten bleibt, wie die deutschen Arbeitsgerichte die europäische Rechtsprechung aufnehmen werden. Einem schwer übergewichtigen Arbeitnehmer, welcher häufig erkrankt, kann nämlich bislang unter bestimmten Voraussetzungen aus personenbedingten Gründen gekündigt werden, sofern die Gesundheitsprognose für ihn negativ und mit weiteren erheblichen Fehlzeiten zu rechnen ist. Ob die Rechtsprechung des EuGH an dieser Rechtslage etwas ändern wird und ob fettleibige Arbeitnehmer damit einen höheren Kündigungsschutz genießen werden, ist bislang offen, jedoch nicht unwahrscheinlich.

Eine diskriminierende Kündigung kann nämlich durchaus für unwirksam erklärt werden (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.12.2013 – 6 AZR 190/12). Dies unabhängig davon, ob es sich um einen Betrieb mit weniger als 10 Arbeitnehmern handelt.

Sozialrechtlich bleibt abzuwarten, ob starkes Übergewicht an sich nunmehr häufiger von den zuständigen Behörden als schwere Behinderung anerkannt wird. Nur auf Antrag anerkannte schwerbehinderte Arbeitnehmer genießen einen besonders hohen Kündigungsschutz durch das Sozialgesetzbuch IX.

Arbeitgeber sollten jedoch bereits darauf achten, das Übergewicht eines Bewerbers nicht als Grund für die Absage zu benennen, da dies nach dieser Rechtsprechung des EuGH einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz darstellen könnte. Derartige Verstöße können zu Schadensersatzansprüchen für den potentiellen Bewerber oder Arbeitnehmer führen.

Eine Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen sollte vorab anwaltlich überprüft werden, da eine gerichtsfeste Kündigung bestimmte Voraussetzungen erfüllen muss.

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