Überlassen Sie die Regulierung Ihres Unfallschadens niemals der gegnerischen Versicherung!

  • 3 Minuten Lesezeit

Nach einem Verkehrsunfall wird sich der gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherer beeilen, sich bei m Geschädigten zu melden, um seine unkomplizierte und schnelle Hilfe bei der Regulierung anzubieten. Wer sich auf dieses Angebot einlässt, wird in der Regel nicht den vollen Schadenersatz geschweige denn das volle Schmerzensgeld erhalten.

In § 249 BGB ist geregelt:

„(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.“

Der Geschädigte bestimmt über Art und Weise der Schadensbehebung

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 25.06.2019, Az. VI ZR 358/18 klargestellt dass der Gesetzgeber dem Geschädigten die Möglichkeit eingeräumt hat, die Schadensbehebung gerade unabhängig vom Schädiger in die eigenen Hände zu nehmen und in eigener Regie durchzuführen. Diese gesetzgeberische Grundentscheidung würde unterlaufen,wenn man den Geschädigten schadensrechtlich grundsätzlich für verpflichtet ansehen würde, zuvor Alternativvorschläge des Schädigers einzuholen und diesen dann gegebenenfalls zu folgen.

Die Kfz-Haftpflichtversicherer haben vornehmlich ihr Interesse, Kosten so gut wie möglich einzusparen, im Blick. Wenn man ihnen die Regulierung überlässt, sind dann etwa Kosten bei der Reparatur gekürzt (ein unabhängiger Sachverständiger wird schließlich nicht eingschaltet), Nutzungsausfall oder Unkostenpauschale vergessen. Wer sich verletzt hat, wird Schmerzensgeld nur vom unteren Ende der nach der Rechtsprechung möglichen Beträge erhalten, was beispielsweise bei der HWS-Distorsion I. Grades („Schleudertrauma“) Hunderte, wenn nicht bei schwereren Verletzungen sogar Tausende €€€ ausmachen kann.

Beliebtes „Streichkonzert“: Die fiktive Abrechnung 

Besonders bei der sog. fiktiven Abrechnung (auf Basis von Kostenvoranschlag oder Sachverständigengutachten) wird gerne gekürzt. So wird dann behauptet, manche Position auf der Rechnung sei „nicht angefallen“, was in krassem Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht: Dieser hat schon mit Urteil vom 19.02.2013, Az.VI ZR 401/12 entschieden, dass sich „die im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlichen (Gesamt-) Reparaturkosten eines Kraftfahrzeuges nach einem Verkehrsunfall aus vielen einzelnen Kostenfaktoren zusammensetzen und sich schadensrechtlich nicht in einen ‚angefallenen‘ und einen ‚nicht angefallenen‘ Teil aufspalten lassen“. Im Endeffekt ist immer darauf abzustellen, dass man sich die Reparatur so vorstellt als wäre sie ausgeführt worden und dann etwa auch UPE-Zuschläge und Beilackierung zu bezahlen wären, man also mit Ausnahme der Mehrwertsteuer alles erhält.

Bei Stundenverrechnungssätzen sollte sich der Geschädigte nicht auf Abweichungen von den für Jedermann geltenden Stundenverrechnungssätzen einlassen – die von den Kfz-Haftpflichtversicherern ausgehandelten Spezialtarife muss sich der Geschädigte nicht entgegenhalten lassen, vgl. schon Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.06.2010, Az. VI ZR 337/09.

Einzige Ausnahme: Mietwagen

Mit Urteil vom 12.02.2019, Az. VI ZR 141/18 hat der Bundesgerichtshof jedoch einen Hinweis des Kfz-Haftpflichtversicherers an den Geschädigten vor Anmietung eines Mietwagens darauf, wo dieser besonders günstig angemietet werden könne, selbst dann als beachtlich eingestuft, wenn es sich um einen Sonderpreis handelt, den der Vermieter nur einräumt, wenn der Versicherer den Kontakt herstellt. Dies sei deshalb an dieser Stelle gerechtfertigt, weil die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs im Gegensatz zur Reparatur oder der Verwertung der beschädigten Sache nicht mit einer unmittelbaren Einwirkung auf das Eigentum am beschädigten Fahrzeug verbunden sei. „Der vorrangige Zweck der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, den Geschädigten davon zu befreien, das verletzte Rechtsgut dem Schädiger oder einer von diesem ausgewählten Person zur Wiederherstellung anvertrauen zu müssen, ist bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs also nicht betroffen.“ Der Mietwagen wird nur für einen kurzen Zeitraum genutzt – die Reparatur ist von Dauer.

Um Waffengleichheit mit der Gegenseite herzustellen, sollte der Geschädigte stets einen auf das Schadensrecht spezialisierten Rechtsanwalt beauftragen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht stehe ich Ihnen in diesem Zusammenhang gerne zur Verfügung.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Michael Böhler

Beiträge zum Thema