Unfallflucht – Voraussetzungen, Wartezeit, Wahrnehmung des Unfalls

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Jede Person, dessen Verhalten den Umständen nach möglicherweise zu einem Unfall beigetragen haben könnte, ist verpflichtet an der Unfallstelle zu warten, wenn ein Fremdschaden entstanden ist. Der Geschädigte muss die Möglichkeit haben, die Personendaten und die Fahrzeugdaten feststellen zu können. Laut Rechtsprechung ist ein Unfall „ein plötzliches Ereignis im Straßenverkehr, das mit den Gefahren des Straßenverkehrs im ursächlichen Zusammenhang steht." (BGHSt 8, 264; 12255; 24, 382) Erfasst sind auch Unfälle, bei denen z.B. ein parkendes Auto oder ein Zaun beschädigt wird. Somit kann auch hier eine Unfallflucht begangen werden.

Grundsätzlich liegt das unerlaubte Entfernen vom Unfallort vor, wenn der vermeintliche Unfallverursacher für anwesende, feststellungsbereite Personen nicht mehr erreichbar ist. Die Erreichbarkeit ist nur dann noch gegeben, wenn zwischen den beteiligten Personen die Möglichkeit des Ruf - und Sichtkontakts noch besteht. Besteht die Kontaktmöglichkeit jedoch nicht mehr, so ist die Tat bereits vollendet, auch wenn sich der Fahrer nur für eine kurze Zeit und eine kurze Strecke vom Unfallort entfernt und dann wieder zurückkehrt. In diesem Fall könnte noch eine Einstellung des Strafverfahrens noch gemäß §§ 153, 153a StPO in Betracht kommen.

Der mögliche Unfallverursacher hat zunächst keine Pflicht zu einer umfassenden Aufklärung des Unfalls im Sinne einer Selbstbelastung. Ihn trifft jedoch eine aktive Mitwirkungs- und Feststellungsduldungspflicht. Er muss eine Erklärung darüber abgeben, dass sein Verhalten den Umständen nach zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben könnte. Eine Feststellung seiner Person anhand des Personalausweises ist zu ermöglichen und zumindest das Kennzeichen seines Fahrzeugs ist freizugeben. Entgegen einer weit verbreiteten Meinung reicht es nicht aus, eine Visitenkarte oder einen Zettel mit Name und Anschrift zu übergeben. Generell gilt der Grundsatz, dass die Feststellung dieser Daten in genügender Weise nur durch die Polizei getroffen werden kann. Dem Unfallverursacher ist also in jedem Fall angeraten, sich erst vom Unfallort zu entfernen, wenn die Polizei alle erforderlichen Daten erfasst und es ihm gestattet hat. Dies gilt insbesondere auch bei Unfällen, bei denen ein Sachschaden entstanden und keine feststellungsbereite Person anzutreffen ist.

Rechtliche Unsicherheit besteht oft über die Wartezeit bei solchen Unfällen. In der Regel gilt: Die Länge der Wartefrist bestimmt sich nach dem Grad des Feststellungsinteresses des Geschädigten, der Zumutbarkeit des Wartens, Art und Schwere des Unfalls, Verkehrsdichte, Tageszeit, Witterung, sonstige Chancen wirksamer Aufklärung und die entgegenstehenden Interesse des Täters. Es ist somit auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Einige Gerichte haben Richtwerte zur Wartezeit angegeben. Laut OLG Düsseldorf beträgt die Wartezeit ca. 30 Minuten. Bei Unfällen mit Personenschaden sollte mindestens eine Stunde gewartet werden.

Um eine Unfallflucht zu begehen, muss der Unfallverursacher den Unfallort vorsätzlich verlassen. Vorsatz kann jedoch nur dann vorliegen, wenn der Unfall überhaupt wahrgenommen wurde. Das heißt, der Täter muss zunächst wissen oder für möglich halten, dass unter seiner Beteiligung ein Unfall stattgefunden hat, dass es also zu einem Fremdschaden gekommen ist, und zwar zu einem nicht ganz belanglosen. Es wird vorausgesetzt, dass ein heftiges Auffahren auf einen Gegenstand laute Unfallgeräusche und heftige Erschütterungen hervorruft, der Anstoß also somit nicht nur optisch und akustisch, sondern auch als Folge der Erschütterung taktil wahrnehmbar ist. Viele Gerichte gehen demnach davon aus, dass der Unfall auch bei lautem Radio und einer anderen Blickrichtung bemerkbar ist. Hier gibt es jedoch Verteidigungsmöglichkeiten, weil es durchaus möglich ist, dass die vom angeblichen Täter wahrgenommenen Beweisanzeichen für den Unfall fälschlich, aber nachvollziehbar auf andere Ursachen zurückzuführen sind oder die Möglichkeit eines Fremdschadens aus plausiblen Gründen nicht in seine Vorstellung aufgenommen wird. Hier sollte unbedingt ein Fachanwalt für Verkehrsrecht hinzugezogen werden.


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