Unfallversicherung: Beweislast bei Vorerkrankungen

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Ist in den Bedingungen Ihrer privaten Unfallversicherung vereinbart, dass Ihr Anspruch entfällt oder sich mindert, wenn Krankheiten oder Gebrechen bei der durch den Unfall verursachten Gesundheitsschädigung oder deren Folgen mitgewirkt haben, hat der Versicherer (VR) die Voraussetzungen des Wegfalls oder Minderung des Anspruches nachzuweisen; § 182 VVG. Grundsätzlich ist die Mitwirkung unfallunabhängiger Krankheiten oder Gebrechen denkbar bei einem Unfall (Sturz infolge Gehbehinderung) oder bei der ersten Gesundheitsschädigung (Knochenbruch nach Sturz wegen Osteoporose) (vgl. Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 182, Rdn. 2).

Nach einem Unfall kann fraglich sein, ob der Tod des Versicherten (VN) durch den Unfall oder durch eine Vorerkrankung als mitwirkende Ursache eingetreten ist: Der 75-jährige dialysepflichtige VN stürzte und erlitt einen Oberschenkelhalsbruch. Im Krankenhaus entwickelten sich postoperativ Druckgeschwüre, die zu einer Amputation des Beines mit anschließender Sepsis führten. An dieser Sepsis starb der VN. Die Unfalltod-Zusatzversicherung hatte die Leistungen abgelehnt: Der Tod des VNs beruhe ausschließlich auf Vorerkrankungen, nämlich der Niereninsuffizienz und den arteriellen Erkrankungen.

Das Landgericht hat der Klage der Tochter des VNs auf Zahlung der Versicherungssumme von 52.000 Euro nur zu 50% stattgegeben. Zwar sei von einem unfallursächlichen Tod auszugehen. Die vertraglich vereinbarte Leistung müsse allerdings hälftig gekürzt werden, weil die Vorerkrankungen in diesem Umfang mit zum Tode beigetragen hätten. Gegen dieses Urteil legte die bezugsberechtigte Klägerin Berufung beim OLG Karlsruhe ein. Der Senat hat klargestellt: Eine mitwirkende Verursachung des Todes nach einem Unfall durch Vorerkrankungen gemäß § 182 VVG sei nur anzunehmen, wenn der VR voll bewiesen habe, dass der unfallbedingte Tod des VNs ohne dessen Vorerkrankungen nicht eingetreten wäre. Eine mitwirkende Verursachung durch Vorerkrankungen greife nur dann, wenn diese mitwirkende Ursache seitens des Versicherers durch Vollbeweis gemäß § 286 Abs. 1 ZPO bewiesen werde. Eine Mitverursachung durch Vorerkrankungen, die lediglich plausibel oder wahrscheinlich erschienen, sei nicht ausreichend (vgl. auch Lücke, VK 2014, 195; BGH VK 13, 27; BGH VK 13, 59).

Im konkreten Fall sei nach Beweisaufnahme dem VR der Beweis nicht gelungen, dass Vorerkrankungen mitursächlich gewesen seien. In der Ursachenkette, die zum Tod des VNs geführt hätte, spielten Dekubitus-Geschwüre eine entscheidende Rolle. Diese könnten bei einem älteren Menschen auch ohne Vorerkrankungen auftreten, wenn er längere Zeit im Krankenhaus liege. Dem Dekubitus-Geschwür hafte das grundsätzliche Risiko an, dass sich eine tödliche Sepsis entwickele.

Der VR müsse den Vollbeweis im Sinne von § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO dafür erbringen, dass Krankheiten oder Gebrechen bei der durch ein Unfallereignis verursachten Gesundheitsschädigung oder deren Folgen (wie dem Tod des VNs) mitgewirkt hätten. Dieser Mitwirkungsanteil müsse mindestens 25% betragen, wenn ein solcher Mitwirkungsanteil Voraussetzung dafür sei, dass überhaupt gekürzt werden könne. Erst nach dem Vollbeweis des Mitwirkungsanteils könne die tatsächliche Höhe gem. § 287 ZPO geschätzt werden.

Bei Beantwortung der Frage, ob eine mitwirkende Verursachung der Unfallfolgen durch Vorerkrankungen gem. § 182 VVG anzunehmen ist, muss also genauestens das medizinische Sachverständigengutachten überprüft werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Mediziner und Juristen abweichende Vorstellungen von den Begriffen Kausalität, Beweislast und Beweismaßstab haben (vgl. Lücke, VK 2014, 195, (196)).

(OLG Karlsruhe, Urteil vom 03.04.2014, AZ: 9 U 123/13)


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