Update: Glioblastom - Temsirolimus - einstweiliger Rechtsschutz

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Das Sozialgericht  Osnabrück hat unter dem 16.8.2022  - S 18 KR 161/22 ER - eine einstweilige Anordnung erlassen, nach der die GKV verpflichtet ist, den Antragsteller mit zwölf Gaben Temsirolimus nach Verordnung der behandelnden Ärzte zu versorgen.

Sachverhalt

Der Antragsteller ist an einem Glioblastom erkrankt. Die Erkrankung ist weit fortgeschritten, zweites Rezidiv mit Progress. Eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Leistung steht nicht mehr zur Verfügung.

Entscheidungsgründe

Für den Anwendungsbereich der Regelung des § 2 Abs. 1a SGB V gilt ein modifiziertes Qualitätsgebot. Der zur Bejahung der Wirksamkeit einer Leistung erforderliche Grad an wissenschaftlicher Evidenz lässt sich in diesen Fällen nicht allgemein bestimmen. Vielmehr sind Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade vorzunehmen. Je schwer-wiegender eine Erkrankung und je „hoffnungsloser die Situation“ ist, desto geringere Anforderungen sind an die „ernsthaften Hinweise auf einen nicht ganz entfernt liegenden Be-handlungserfolg" zu stellen.

Ob sich aus den von dem Krankenhaus dargelegten Erwägungen im Ergebnis hinreichende Indizien für eine positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf beim Antragsteller ableiten lassen können, vermag das Gericht einerseits nicht abschließend zu beurteilen. Hierzu bedürfte es medizinischen Sachverstands und voraussichtlich der Einholung eines fachärztlichen Gutachtens. Dieses Beweismittel kann im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht beschafft werden. Die weitergehende Klärung muss insoweit dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Andererseits erscheint es aber jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass diese Frage zu bejahen ist. Das Krankenhaus stützt seine Behandlungsempfehlung auf Ergebnisse einer einschlägigen Studie der Phase II (Temsirolimus bei Glioblastom-Patientinnen- und Patienten ohne MGMT-Promotor-Methylierung)......

Ist hiernach der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, überwiegt bei der vorzunehmenden Abwägung das Interesse des Antragstellers, mit der Arzneimitteltherapie sofort beginnen zu können. Dem Antragsteller kann nicht zugemutet werden, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Während bei einem gedachten Unterliegen des Antragstellers in der Hauptsache eine Erstattung der Aufwendungen für die Behandlung mit Temsirolimus in Betracht kommt, könnte im umgekehrten Fall die jetzige Behandlungssitu-ation bei zu erwartendem Fortschreiten der Erkrankung nicht wiederhergestellt werden.


Fazit

Patienten, die an einem Glioblastom erkrankt sind, bei denen nach leitliniengerechter Behandlung einen Rezidiv auftritt und bei denen eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Leistung steht nicht mehr zur Verfügung steht, haben Anspruch auf eine Behandlung mit Bevacizumab (Avastin®) bzw. Temsirolimus (Torisel®). Während sich zu Bevacizumab bereits eine gefestigte Rechtsprechung im einstweiligen Rechtschutz durch Entscheidungen der Landessozialgerichte in Bayern, Niedersachsen-Bremen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein gebildet hat, haben sich nach hiesigem Kenntnisstand erst zwei Sozialgerichte mit Temsirolimus befasst und jeweils dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattgegeben.



Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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