Verfassungsbeschwerde im Strafrecht: Die Anfechtung der Strafzumessung

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Auch im Strafrecht ist die Verfassungsbeschwerde meist das letzte Mittel der Anfechtung eines als falsch oder ungerecht empfundenen Urteils.

In vielen Fällen soll dabei nicht oder nicht nur die Verurteilung als solche, sondern auch die festgesetzte Strafe überprüft werden. Diese ist als greifbares Ergebnis des Strafprozesses für den Verurteilten von besonderer Bedeutung: Der Strafausspruch entscheidet, ob er danach vorbestraft ist oder auch darüber, ob und wie lange er ins Gefängnis muss.

Die Strafzumessung hat daher ganz massiven Einfluss auf das weitere Leben des betroffenen Bürgers. Trotzdem ist dieser Teil des Urteils im Rahmen der Verfassungsbeschwerde meist nur sehr schwer anfechtbar.

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich dabei in folgende Grundsätze fassen:

  • Die Strafzumessung ist Sache des Strafgerichts.
  • Das Strafgericht muss dabei die gesetzlich festgelegten Kriterien beachten.
  • Das BVerfG prüft nur Verstöße gegen spezifisches Verfassungsrecht.
  • Die Strafzumessung ist verfassungswidrig, wenn sie objektiv willkürlich ist.


Dies bedeutet im Einzelnen:


Die Strafzumessung ist Sache des Strafgerichts.

Die Strafzumessung einschließlich der Feststellung der sie bestimmenden Tatsachen ist allein Sache der Fachgerichte; sie erfolgt in Auslegung und Anwendung des sogenannten einfachen Rechts, also der entsprechenden Bestimmungen im StGB.

Im Urteil muss das Gericht die wesentlichen Argumente für die Strafzumessung schriftlich festhalten. Das bedeutet aber nicht, dass jeder einzelne Gesichtspunkt erörtert werden muss und das Fehlen von Argumenten bedeutet, dass diese übersehen wurden. Die Gewichtung der Strafzumessungsgesichtspunkte obliegt grundsätzlich dem Tatgericht. (2 BvR 1083/07)


Das Strafgericht muss dabei die gesetzlich festgelegten Kriterien beachten.

Die Strafzumessung muss nach präzisen Kriterien erfolgen. Diese sind im Strafrecht (vor allem in § 46 StGB) festgelegt. Das Gericht muss dann die Umstände der konkreten Tat daran messen. (2 BvR 321/94)

Nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip muss die Strafe in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Maß der Schuld des Täters stehen (2 BvR 578/02).

Das Strafgericht muss zwischen den verschiedenen Argumenten differenzieren und danach entscheiden, welche Gesichtspunkte es als maßgebliche Strafzumessungsgründe ansieht. Wurde ein Gesichtspunkte, dessen Bedeutung sich aufdrängt, erkennbar nicht erwogen, ist die Strafzumessung rechtsfehlerhaft. (2 BvR 2628/10)


Das BVerfG prüft nur Verstöße gegen spezifisches Verfassungsrecht.

Die verfassungsgerichtliche Prüfung beschränkt sich auf Verstöße gegen spezifisches Verfassungsrecht. Verstöße gegen das StGB prüfen die Oberlandesgerichte und der Bundesgerichtshof, nicht das BVerfG.

Das Bundesverfassungsgericht kann nicht nachprüfen, ob die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte in jeder Hinsicht zutreffend gewichtet worden sind oder ob eine andere Entscheidung näher gelegen hätte. Denn das BVerfG war bei der Hauptverhandlung nicht dabei und kann sich daher nicht die gleichen Eindrücke von den Beteiligten machen wie das Strafgericht selbst. (2 BvR 466/99)

Eine Strafzumessungsentscheidung wird daher regelmäßig nur aufgehoben, wenn sich aus der Urteilsbegründung ergibt, dass diese gegen Grundgesetzbestimmungen wie das Schuldprinzip verstoßen.


Die Strafzumessung ist verfassungswidrig, wenn sie objektiv willkürlich ist.

Die Strafzumessung ist dann verfassungswidrig, wenn sie sich so weit von dem Gedanken des gerechten Schuldausgleichs entfernt, dass sie sich als objektiv willkürlich erweist (2 BvR 15/01). Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung unter keinen denkbaren Gesichtspunkten mehr verständlich ist.


Zusammenfassung

Für eine erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen eine Strafzumessungsentscheidung braucht es sehr gute, fast sogar zwingende verfassungsrechtliche Argumente. Ansonsten mischt sich das Bundesverfassungsgericht nicht in solche Entscheidungen ein, sondern überlässt sie allein den Fachgerichten.

Das Bundesverfassungsgericht möchte nicht zu einem Strafgericht werden, das Urteile in sachlicher Hinsicht überprüfen und eine eigene Ermessensentscheidung treffen muss. Daher muss in der Verfassungsbeschwerde genau dargelegt werden, warum hier ausnahmsweise ein Verstoß gegen das Grundgesetz vorliegt, der ein Einschreiten des Bundesverfassungsgerichts erforderlich macht.


Wichtig: Frist beachten

Von zentraler Bedeutung für eine Verfassungsbeschwerde ist stets die Einhaltung der Frist. Innerhalb eines Monats nach der letzten gerichtlichen Entscheidung muss die Verfassungsbeschwerde vollständig begründet und zusammen mit den Verfahrensakten beim Bundesverfassungsgericht eingereicht werden.

Die Frist beginnt in der Regel mit Zugang der Revisionsentscheidung (Beschluss des Oberlandesgerichts oder Bundesgerichtshofs). Viele Betroffene rühren sich erst, wenn die Ladung zum Haftantritt erfolgt oder ein Vollstreckungsaufschub oder Gnadengesuch abgelehnt wurde. Dann ist es für eine Verfassungsbeschwerde aber viel zu spät.

Darum sollten Sie rechtzeitig, am besten innerhalb weniger Tage nach Erhalt des Revisionsbeschlusses, Kontakt mit einem auf Verfassungsbeschwerden spezialisierten Rechtsanwalt aufnehmen.


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