Verhaltensrichtlinien in verkehrsrechtlichen Bußgeld- und Strafsachen

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Die Teilnahme am Straßenverkehr bietet viele Situationen, in denen man plötzlich mit dem Gesetz in Konflikt gerät: Man bemerkt, dass man mit einem Verkehrsmessgerät gemessen wurde, wird vielleicht sogar angehalten, mit dem Vorwurf konfrontiert, ein Fahrzeug unter Alkoholeinfluss zu führen oder beispielsweise zu Hause mit dem Vorwurf aufgesucht, Fahrerflucht begangen zu haben.

Damit ein versierter Verteidiger alle Möglichkeiten für Sie ausschöpfen kann, ist es sehr wichtig, von Anfang an richtig zu handeln. Gerade vor der Beauftragung eines Verteidigers können viele Fehler gemacht werden, welche die Verteidigung erschweren oder gar einen sonst sicheren Erfolg verhindern.

1. Erstes Gebot: keine Panik! Reden ist falsch und Schweigen ist Gold!

Es ist ganz wichtig zu verinnerlichen, dass es keinerlei Sinn hat, sich selbst zur Sache einzulassen, bis ein Rechtsanwalt Akteneinsicht genommen und geprüft hat, ob das geboten ist.

Nicht selten stellt sich nämlich heraus, dass durch taktisch kluges Schweigen mehr erreicht werden kann. 

Reden ist nicht einmal Silber, sondern schlicht immer falsch! Sie haben das Recht zu schweigen! Nutzen Sie das! Schweigen Sie! Egal, ob Sie unmittelbar von der Polizei angehalten oder angetroffen werden, ob man sie zu Hause aufsucht. 

Geben Sie nie mehr an, als ihre Personalien! Konsultieren Sie am besten immer zunächst einen Rechtsanwalt. Das gilt auch dann, wenn Sie sich im Recht fühlen! Selbstverständlich haben Sie den Wunsch, sich zu rechtfertigen und daraus entsteht ein entsprechender Rededruck. Die Ermittlungsbeamten sind darin geübt, das geschickt zu nutzen!

Rechnen Sie damit, dass alles was sie sagen, auch gegen Sie verwendet werden wird! Nicht selten wird eine Verurteilung sogar damit begründet, dass die Rechtfertigung des Betroffenen/Beschuldigten so unglaubhaft wäre.

Bitten sie ihr Umfeld, den Ermittlungsbehörden keine Auskunft zu geben. Insbesondere ist niemand verpflichtet, Ermittlungsbeamten der Polizei Auskünfte zu erteilen. Lassen sie sich von einem Rechtsanwalt dazu beraten, welche weiteren Empfehlungen ihrem Umfeld im Einzelfall zu erteilen sind.

Gerade auch dann, wenn ihnen sogar eine Straftat wie Trunkenheit im Verkehr, Fahrerflucht, Straßenverkehrsgefährdung, fahrlässige Körperverletzung oder gar eine fahrlässige Tötung zur Last gelegt wird, wird der Verteidiger die korrekte und aussichtsreichste Verteidigungsstrategie erst dann seriös festlegen können, wenn ihm die Akten der Ermittlungsbehörden vorliegen. In Fällen fahrlässiger Körperverletzung kann der geschickte Verteidiger häufig bereits anfänglich einen erfolgreichen und begründeten Antrag auf Verfahrenseinstellung anbringen, ohne sich deshalb für seinen Mandanten zum Tatvorwurf positionieren zu müssen.

Wenn Sie schon ausgesagt haben, verkürzen Sie die Möglichkeiten der Verteidigung erheblichst!

2. Sie sind nicht der Fahrzeughalter?

In dieser Situation ist es wichtig, den Fahrzeughalter sofort zu informieren. Halten Sie ihn dazu an, keine Angaben zu machen, die nicht zuvor mit Ihrem Rechtsanwalt abgesprochen wurden. Dies gilt insbesondere auch für das Ausfüllen des Anhörungsbogens oder die Erteilung sonstiger abgefragter schriftlicher Auskünfte (Zeugenfragebogen). 

Auch hier können viele vermeidbare Fehler begangen werden.

3. Atemalkoholmessung; Trunkenheitsvorwurf

Kein Problem, wenn Sie sich 100-prozentig sicher sind, dass ihre Atemalkoholkonzentration 0 mg/Liter Atemluft beträgt. Dann können Sie eine Atemalkoholmessung durchführen lassen. Selbst dann bleibt es aber bei der Empfehlung, nicht mehr anzugeben, als die eigenen Personalien.

In allen anderen Fällen gilt:

Schweigen Sie auch in dieser Situation zum Vorwurf! Machen Sie keine Angaben, welche über Ihre Personalien hinausgehen! Beantworten Sie insbesondere auch keine Fragen dazu, ob, wann und wieviel Alkohol Sie getrunken haben. Ob Angaben in dieser Richtung sinnvoll sind, entscheidet Ihr Verteidiger mit Ihnen, nachdem er Einsicht in die Ermittlungsakte genommen hat.

Erst dann kann geprüft werden, inwieweit man sich überhaupt einlässt, insbesondere ob die Behörden den Nachweis einer Ordnungswidrigkeit oder einer Straftat wegen eines Fahrens unter Alkoholeinfluss führen können. Es gab schon Fälle, in denen sich ergab, dass den Ermittlungsbehörden dieser Nachweis ohne die, leider bereits getätigten, Angaben des Betroffenen/Beschuldigten gar nicht gelungen wäre.

Wenn die Polizei einen begründeten Verdacht hat, kann sie für die Anordnung einer Blutalkoholkontrolle sorgen, im absoluten Ausnahmefall (Gefahr im Verzug) diese Anordnung sogar selbst treffen, Sie aber nicht zu einem Atemalkoholtest zwingen. Die Verweigerung des Atemalkoholtests führt also in der Regel zur Blutalkoholkontrolle, was mit zeitlichen Verzögerungen verbunden ist. Im Hinblick auf die Blutalkoholkontrolle kann es wegen des grundsätzlichen Erfordernisses einer richterlichen Anordnung auch zu Verfahrensfehlern kommen, welche der Verteidiger später möglicherweise in Ihrem Sinne nutzen kann.

Sie sind übrigens an ihre Zustimmung zur Durchführung des Atemalkoholtests nicht gebunden; Sie können selbst dann, wenn sie sich erst auf dem Polizeirevier entscheiden, nun doch nicht mehr mitwirken zu wollen, nicht zum Atemalkoholtest gezwungen werden. Sie brauchen sich also nicht einschüchtern zu lassen, wenn sie es sich anders überlegen, oder sich (aus Sicht der Polizeibeamten) bei der Durchführung der Atemalkoholkontrolle zu ungeschickt anstellen. Sicher wird dies die Polizeibeamten verärgern, weil Sie jetzt doch auf die Blutalkoholkontrolle ausweichen müssen und wertvolle Zeit vergangen sein kann. Das ändert aber nichts daran, dass niemand Sie zwingen kann, an Ihrer eigenen Überführung aktiv dadurch mitzuwirken, dass Sie, vielleicht auch noch kräftig und lang genug, in das Messgerät pusten.

Auch beim Atemalkoholtest gibt es Fehlerquellen, die ein guter Verteidiger kennen sollte.

In der weiteren Verteidigung wird sie ein versierter Verteidiger auch darüber beraten können, 

  • ob eventuell der Entzug der Fahrerlaubnis droht und welche Vorsorgemaßnahmen bereits getroffen werden können, um eine Sperrfrist möglichst zu verkürzen, 
  • außerdem, ob zu erwarten ist, dass Sie für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis eine MPU benötigen (in der Regel ab 1,6 Promille) und was unternommen werden kann, um diese möglichst frühzeitig und erfolgreich zu absolvieren.

4. Sie haben einen Anhörungsbogen oder Zeugenfragebogen erhalten?

Antworten Sie darauf nicht selbst! Legen Sie diesen einem Verteidiger vor, der entscheiden wird, wie damit umzugehen ist. In der Regel wird er der Behörde mitteilen, dass er Sie verteidigt, darauf hinweisen, dass Sie vorerst weiterhin schweigen und Akteneinsicht beantragen.

5. Sie haben einen Bußgeldbescheid, Strafbefehl oder die Anklageschrift erhalten?

Jetzt wird es aber höchste Zeit! Informieren Sie sofort einen Verteidiger! 

Beachten Sie, dass Bußgeldbescheide oder Strafbefehle rechtskräftig werden, wenn nicht innerhalb von 2 Wochen Einspruch eingelegt wird. Die Einspruchsfrist beginnt nicht erst dann, wenn Sie die Post aus dem Briefkasten genommen oder aufgrund einer Benachrichtigung bei der Post abgeholt haben, sondern mit dem, auf dem Briefumschlag vermerkten Zustelldatum.

Wegen der laufenden Fristen empfiehlt es sich dringend, den Kontakt zum Verteidiger in persönlicher Vorsprache oder telefonisch herzustellen. Geben Sie dabei unbedingt an, welche Post bereits vorliegt und wann diese zugestellt wurde. Versichern Sie sich, dass der Anwalt oder das Personal das Zustelldatum und den Fristablauf ordnungsgemäß registriert haben. Eine auf entsprechende Sachen eingerichtete Kanzlei wird Sie bitten, unvermittelt mit den Unterlagen vorbeizukommen, damit die fristwahrenden Maßnahmen sofort getroffen werden können, auch wenn Sie nicht gleich Gelegenheit bekommen, persönlich mit dem zuständigen Rechtsanwalt zu sprechen. 

6. Es droht ein Fahrverbot?

Das ist kein Grund, zu verzagen.

Selbstverständlich wird ein guter Verteidiger die Bedeutung der Angelegenheit für Sie erkennen und die Verteidigung entsprechend intensiv führen. 

Er wird – selbstverständlich erst nach Akteneinsicht – einschätzen, inwieweit es geboten scheint, über eine Verfahrensabsprache, nach der das Fahrverbot gegen eine Erhöhung der Geldbuße entfällt, mit den Ermittlungsbehörden zu verhandeln. 

Selbst wenn alle Stricke reißen, kann es einem guten Verteidiger durch geschicktes Vorgehen gelingen, das Verfahren so lange auszudehnen, bis mehr als ein Jahr, möglicherweise sogar 2 Jahre seit der Tat vergangen sind. Dann kann mit Erfolgsaussicht geltend gemacht werden, dass die Verhängung eines Fahrverbots bereits wegen des Zeitablaufs, gegebenenfalls in Kombination mit einer angemessenen Erhöhung der Geldbuße, nicht mehr in Betracht kommt.

7. Das Punktekonto ist fast voll, Ihnen droht der Entzug der Fahrerlaubnis?

Solche Fälle sind seit dem 1. Mai 2014 problematischer, weil seither für das Erreichen einer Punkteschwelle auf den Punktestand im Zeitpunkt der Begehung der Ordnungswidrigkeit zurückgeblickt wird.

Dadurch ist es noch schwieriger geworden, eine Fahrerlaubnismaßnahme durch eine Verlängerung des Verfahrens zu vermeiden. Das Hauptaugenmerk bei einer Verteidigung liegt deshalb gerade auch in solchen Fällen darauf, einen Freispruch zu erreichen oder mindestens, möglicherweise im Rahmen einer Verfahrensabsprache, dahin zu kommen, dass ein Bußgeldbescheid oder eine Verurteilung nur in einem Umfang ergeht, bei dem keine Punkte eingetragen werden (unter 60,00 Euro).

Parallel kann ein guter Verteidiger dafür sorgen, dass das Verfahren nicht vorzeitig endet. Das ist nicht ganz chancenlos: Selbst nach heutiger Rechtslage werden tilgungsreife Punkte dann aus dem Fahreignungsregister gelöscht, wenn seit ihrer Tilgungsreife ein Jahr vergangen ist (sogenannte Überliegefrist). 


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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