Verjährungshemmung durch missbräuchlichen Mahnantrag - Folgen für die Anwaltshaftung

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Grundsätzlich kann die drohende Verjährung auch durch die Einleitung eines Mahnverfahrens gehemmt werden, § 204 I Nr.3 BGB. Die verjährungshemmende Wirkung des Mahnverfahrens setzt allerdings voraus, dass das Mahnverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde, insbesondere die Einhaltung der Vorschriften der §§ 688 ff. BGB.

Für geschädigte Kapitalanleger, die eine Rückabwicklung ihrer Beteiligung (sog. „großer Schadensersatz“) beabsichtigen, ist die Einhaltung dieser Vorschriften regelmäßig nicht möglich. Dies hat folgenden Grund: Verlangt der geschädigte Kapitalanleger die Rückabwicklung der Beteiligung, begehrt er in aller Regel die Zahlung von Schadensersatz, Zug-um-Zug gegen Rückgabe der Beteiligung. Die Schadensersatzleistung hängt also von einer Gegenleistung ab.

Nach § 688 II Nr.2 ZPO findet das Mahnverfahren jedoch nicht statt, wenn die Geltendmachung des Anspruchs von einer noch nicht erbrachten Gegenleistung abhängt. Wird für einen geschädigten Kapitalanleger in einem solchen Fall trotzdem ein Mahnverfahren durchgeführt, muss der Mahnantrag zwingend falsche Angaben enthalten, nämlich entweder die (falsche) Aussage, die Gegenleistung sei bereits erbracht, oder die (ebenfalls falsche) Aussage, die Schadensersatzleistung hänge nicht von einer Gegenleistung ab.

Wir ein Mahnverfahren auf diese Art betrieben, handelt der Anleger bzw. der verantwortliche Rechtsanwalt rechtsmissbräuchlich. Bereits im Jahre 2011 hatte der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs insofern festgestellt, dass ein Kläger sich nicht auf die Hemmung der Verjährung durch das Mahnverfahren berufen kann, wenn er im Mahnverfahren bewusst falsche Angaben gemacht hat (BGH, Urteil vom 21.12.2011 - VIII ZR 157/11).

Dies hat nun der u.a. für Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs nochmals bestätigt: Mit Urteil vom 23.06.2015 (Az.: XI ZR 536/14) hat der XI. Zivilsenat entschieden, dass der Missbrauch des Mahnverfahrens zur Folge hat, dass sich der Kläger nicht auf die Hemmung der Verjährung durch das Mahnverfahren berufen kann.

In der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 23.06.2015 heißt es hierzu:

„Wer den Erlass eines Mahnbescheids beantragt, muss [...] erklären, dass der Anspruch nicht von einer Gegenleistung abhängt oder dass die Gegenleistung erbracht ist. Gibt der Antragsteller im Mahnverfahren in Kenntnis der Rechtslage bewusst eine sachlich unrichtige Erklärung ab, weil er ´großen´ Schadensersatz nur Zug um Zug gegen einen im Zusammenhang mit der Schädigung erlangten Vorteil [...] verlangen kann, im Antrag aber behauptet, der Anspruch sei von einer Gegenleistung nicht abhängig, wird die Verjährung zwar nach § 204 I Nr.3 BGB gehemmt. Die Geltendmachung des großen Schadensersatzes stellt in diesem Fall aber einen Missbrauch des Mahnverfahrens dar. Dieser Missbrauch verwehrt es dem Antragsteller [...] grundsätzlich, sich auf die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids zu berufen. 
[...]
Deshalb muss sich auch der Kläger [...] so behandeln lassen, als sei sein Anspruch verjährt.“

Für betroffene Anleger stellt sich nun die Frage, ob hier eine Haftung des verantwortlichen Rechtsanwalts in Betracht kommt.

Grundsätzlich ist ein Rechtsanwalt verpflichtet, den „sichersten Weg“ zu gehen, d.h., er darf bei der Vertretung des Mandanten keine unnötigen Risiken eingehen. Die bewusste Verwendung falscher Angaben im Mahnantrag dürfte nach unserer Auffassung aus Sicht des verantwortlichen Rechtsanwalts nicht der „sicherste Weg“ zur Hemmung der Verjährung sein. Gerade im Kapitalanlagerecht würde sich insofern stattdessen die Einleitung eines Güteverfahrens anbieten, § 204 I Nr.4 BGB. Für das Güteverfahren spielt es nämlich keine Rolle, ob die begehrte Leistung von einer Gegenleistung abhängt und ob diese bereits erbracht wurde.

Nach unserer Auffassung dürfte daher die Einleitung eines Mahnverfahrens durch bewusst falsche Angaben eine Pflichtverletzung des Rechtsanwalts darstellen. Spätestens seit der Entscheidung des VIII. Zivilsenats vom 21.12.2011 (VIII ZR 157/11) müsste dies jedem im Kapitalanlagerecht tätigen Rechtsanwalt bekannt sein.

Die missbräuchliche Einleitung eines Mahnverfahrens allein führt allerdings noch nicht zu einer Haftung des verantwortlichen Rechtsanwalts. Zusätzlich ist erforderlich, dass der Anleger den Prozess bei ordnungsgemäßer anwaltlicher Vertretung gewonnen hätte. Hierüber entscheidet grundsätzlich das Gericht des Regressprozesses. Steht fest, dass bei ordnungsgemäßem Vorgehen des Anwalts der tatsächlich verloren gegangene Prozess gewonnen worden wäre, hat der Anwalt sämtliche entstandenen Verfahrenskosten sowie den geltend gemachten Anspruch zu ersetzen.

Nach § 51 VI S. 2 BRAO kann der betroffene Mandant von der Rechtsanwaltskammer Auskunft über den Namen und die Adresse der Berufshaftpflichtversicherung des verantwortlichen Rechtsanwalts sowie die Versicherungsnummer verlangen. Ein „Direktanspruch“ des Mandanten gegen die Vermögensschadenshaftpflicht des Anwalts besteht jedoch in aller Regel nicht. Eine Ausnahme gilt allerdings für den Fall der Insolvenz des verantwortlichen Rechtsanwalts bzw. für den Fall, dass der verantwortliche Rechtsanwalt „unbekannt verzogen“, also „untergetaucht“, ist (vgl. § 115 VVG).

Autor: Rechtsanwalt Dr. Christoph Sieprath


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