Verkehrsgerichtstag: Zur Diskussion um die Promillegrenze bei E-Scooter-Fahrern

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Am letzten Donnerstag, während der mehrstündigen Anreise nach Goslar, habe ich drei unterschiedliche Radioberichte über die diesjährigen Themen gehört. Besondere Aufmerksamkeit fand in den Medien der Arbeitskreis V, an dem auch ich teilnehmen wollte. 

Vielleicht war es schon bezeichnend für die Kenntnis der Öffentlichkeit von der aktuellen Rechtslage über die Folgen alkoholisierten Fahrens mit E-Scootern, dass von drei Berichten nur einer den Hintergrund für die Aufnahme des Themas in den Expertenkongress richtig wiedergeben konnte. Der Arbeitskreis befasste sich mit der Frage, ob die Promillegrenzen bei E-Scootern heraufgesetzt werden sollten und nicht, wie in den beiden anderen Sendungen dargestellt um die Herabsetzung.

Die Ausgangslage

Die Flutung der Innenstädte mit Leihscootern begann im Jahr 2019. Voran drehten sich die Diskussionen über die Zulassung dieser Gefährte um Helmpflicht, Fahrerlaubnis oder um das Problem, welche Verkehrsbereiche für sie freigegeben werden sollten (Straße, Rad- oder Gehwegbenutzung). Völlig außen vor blieb der Bereich der Ahndung von Verstößen bei ihrer Benutzung. Die ersten Nutzer waren daher nach meiner Erfahrung meist völlig ahnungslos, welches Risiko für ihren Führerschein sie eingegangen waren, als sie sich mehr oder weniger (meist mehr) alkoholisiert auf dieses neue Zweirad schwangen. Tatsächlich sind die Dinger nach der Elektrokleinstfahrzeugverordnung als Kraftfahrzeuge eingestuft und sind damit, was die Rechtsfolgen bei Verstößen angeht, nicht mit Fahrrädern oder E-Bikes vergleichbar. Allenfalls sogenannte S-Pedelecs mit zugelassenen motorunterstützten Höchstgeschwindigkeiten über 25 km/h sind ähnlich reglementiert.

Die Einstufung als Kraftfahrzeug führt vereinfacht dazu, dass Alkoholverstöße genauso geahndet werden, als wären sie mit dem PKW passiert. Zwischen 0,5 und 1,1 Promille ist es eine Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von 500,00 Euro und einem Monat Fahrverbot für den Ersttäter, ab 1,1 Promille befindet man sich im Bereich der absoluten Fahruntüchtigkeit. Somit handelt es sich um eine Straftat nach § 316 StGB mit der Folge einer erheblichen Geldstrafe (ein bis zwei Nettomonatseinkommen), der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Festsetzung einer sogenannten Sperrfrist, innerhalb derer die Fahrerlaubnisbehörde eine neue Fahrerlaubnis nicht ausstellen darf.

Insgesamt droht eine führerscheinlose Zeit von 6 bis 15 Monaten je nach Grad der Alkoholisierung. Außerdem wird die Fahrerlaubnisbehörde ab einer Promillezahl von 1,6 für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) beauflagen, um zu prüfen, ob die generelle Eignung für die Teilnahme als Kraftfahrer am Straßenverkehr überhaupt wieder vorhanden ist. Wer sich darauf nicht professionell vorbereitet, fällt mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 % durch. Die MPU wird auch bei wiederholter Teilnahme am Straßenverkehr mit Alkohol verlangt, auch wenn die Promillezahl dann unter 1,6 liegt.

Die Folgen einer alkoholisch beeinträchtigten Nutzung eines E-Scooters, der vielen wie ein Spielzeug vorkommt und daher als Kraftfahrzeug nicht wirklich ernst genommen wird, können also erheblich sein. Man vergegenwärtige sich dabei, dass es hier um ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug geht, dessen Benutzung unter diesen Bedingungen den Verlust der Fahrerlaubnis nach sich zieht. In manchen Regionen wird gleichzeitig vom Strafgericht auch ein Verbot der Benutzung von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen ausgesprochen. Davon werden dann auch Fahrräder (auch ohne Motor) erfasst.

Das ist die bisherige Rechtslage und Wirklichkeit an deutschen Strafgerichten.

Was wurde in Goslar diskutiert?

Es ging um die Frage, ob die Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit für Scooter auf 1,6 Promille angehoben werden sollte (wie bei Fahrrädern) und ob die Regelfolge der Entziehung der Fahrerlaubnis gerechtfertigt ist. Argumente waren der geringere Gefährdungsgrad des vergleichsweise kleinen Scooters gegenüber einem Pkw wegen seiner geringeren Größe, eine grundsätzlich abgeregelte Höchstgeschwindigkeit und der eingeschränkte benutzbare Verkehrsbereich. Auch die eventuell vom Benutzer bewusst getroffene Entscheidung, gerade nicht den Pkw zu benutzen, wurde von einigen Diskussionsteilnehmer als Argument für eine Differenzierung auf der Rechtsfolgenseite gebracht.

Grundlage der Diskussion war aber auch eine Studie, wonach das Geschick, einen Scooter über einen Parkour zu fahren, schon bei geringfügigen Alkoholisierungen im Vergleich zum Fahrrad stark abfiel. Dafür mag es Erklärungen geben, die vielleicht auch berücksichtigen, dass die meisten Menschen schon von klein auf die Benutzung eines Fahrrades geübt haben und nur die wenigsten auf vergleichbare Erfahrungen mit Scootern zurückgreifen können. Dennoch hat die Vorstellung der Studie den Diskussionsverlauf in Goslar stark beeinträchtigt. Letztendlich war sie wohl auch der Grund dafür, dass die Heraufsetzung der Promillegrenze von 1,1 auf 1,6 am Ende unterblieb.

Dennoch wurde eine Änderung der bisherigen Praxis der Justiz im Umgang mit alkoholisierten Scooterfahrenden empfohlen. Die Regel soll nicht mehr die Entziehung der Fahrerlaubnis sein. Es genüge die Verhängung eines Fahrverbotes. Dafür müsste aber nun der Gesetzgeber tätig werden und § 69 Abs. 2 StGB ändern. Ob dies geschieht, bleibt abzuwarten. Zumindest wird so etwas nicht in wenigen Monaten umgesetzt und es gab schon etliche Empfehlungen des Verkehrsgerichtstages, die vom Gesetzgeber nie aufgegriffen wurden. Vielleicht beginnt aber das einzelne Strafgericht, in seine Entscheidungen die Überlegungen der Verkehrsexperten einfließen zu lassen. Das könnte schneller gehen.


[Detailinformationen: RA Klaus Kucklick, Fachanwalt für Verkehrsrecht, ADAC-Vertragsanwalt, Telefon 0351 80718-70, kucklick@dresdner-fachanwaelte.de


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