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Versicherungsprämie nicht gezahlt - dennoch versichert?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Nicht jede Versicherung ist wirklich sinnvoll – bevor man einen Versicherungsvertrag abschließt, sollte man sich daher genau überlegen, ob man sie auch braucht. Man ist schließlich nicht umsonst versichert, sondern muss in regelmäßigen Abständen Prämien zahlen. Wer allerdings bereits die erste Prämie nicht entrichtet, muss damit rechnen, dass die Versicherung ihre Leistung verweigert und/oder vom Vertrag zurücktritt. Doch kann sie ihre Einstandspflicht auch dann verweigern, wenn der Versicherungsnehmer vor Vertragsrücktritt des Versicherers Schadensregulierung verlangt?

Versicherung verweigert Zahlung

Eine Autofahrerin schloss einen Vertrag über eine Vollkaskoversicherung für ihr Kfz ab, zahlte jedoch die erste Prämie nicht. Nachdem sie in einen Unfall verwickelt worden war und vom Versicherer Regulierung ihres Schadens verlangte, trat die Versicherung vom Vertrag zurück. Außerdem verweigerte sie jegliche Leistung – dazu sei sie berechtigt, weil die Autofahrerin die Erstprämie nicht gezahlt habe. Die klagte daraufhin vor Gericht auf Zahlung des Schadenersatzes.

Der Versicherer beharrte jedoch auf Nichtzahlung – die Autofahrerin habe nicht nur eine Zahlungsaufforderung, sondern auch den erforderlichen Versicherungsschein erhalten. Der sei der Frau per einfachem Schreiben zugesandt und nicht wieder an das Unternehmen zurückgeschickt worden. Er sei ihr daher auch zugegangen. Das jedoch bestritt nun die Versicherungsnehmerin. Auch die Vermittlerin der Versicherung konnte sich nicht mehr erinnern, ob sie der Kundin den Versicherungsschein übergeben hat.

Versicherungsschein muss zugegangen sein

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart verpflichtete die Versicherung zur Zahlung.

Nach § 37 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) sind sowohl der Vertragsrücktritt als auch die Leistungsfreiheit nur zulässig, wenn der Versicherungsnehmer die Erstprämie nicht gezahlt hat. Allerdings muss nur dann eine Forderung beglichen werden, wenn sie fällig ist – und das ist sie erst, wenn der Gläubiger sie auch tatsächlich verlangen kann. Bei einem Kaufvertrag beispielsweise ist die Leistung grundsätzlich sofort fällig, sofern ein Fälligkeitszeitpunkt nicht festgelegt wurde.

Fälligkeit der Erstprämie

Bei Versicherungsverträgen ist jedoch eine Besonderheit zu beachten: Die Zahlung der Erstprämie wird erst mit Zugang des Versicherungsscheins fällig – vorher muss der Versicherungsnehmer also keinen Cent zahlen. Wird die Leistung der Versicherung demnach in Anspruch genommen, bevor der Kunde den Versicherungsschein erhalten hat, muss die Versicherung dennoch zahlen.

Versicherung ist beweispflichtig

Vorliegend lag der Kundin der Versicherungsschein laut eigener Aussage aber weder zur Zeit des Verkehrsunfalls noch zur Zeit des Vertragsrücktritts vor. Anderes hätte der Versicherer nachweisen müssen – diesen Beweis blieb er aber bis zum Schluss der Verhandlung schuldig.

Zwar hatte er das Schreiben mit dem Versicherungsschein zweifellos abgeschickt und nicht wieder zurückbekommen – daraus darf allerdings nicht geschlossen werden, dass die Autofahrerin es auch tatsächlich erhalten hat. Zumal sie dauerhaft einen Zugang bestritt. Auch konnte die als Zeugin angehörte Vermittlerin kein Licht ins Dunkel bringen, da sie sich nicht daran erinnern konnte, der Kundin den Versicherungsschein übergeben zu haben.

Um derartige Beweisschwierigkeiten zu vermeiden, hätte der Versicherer den Versicherungsschein nicht als einfachen Brief zur Post geben dürfen – sicherer wäre es gewesen, ihn durch Einschreiben mit Rückschein zu versenden.

In diesem Fall gingen die Beweisschwierigkeiten zulasten des Versicherers: Der Versicherungsschein galt demnach als nicht zugegangen – somit war die Zahlung der Erstprämie nicht fällig und der Versicherer konnte sich nicht auf Leistungsfreiheit berufen.

(OLG Stuttgart, Urteil v. 10.09.2015, Az.: 7 U 78/15)

(VOI)

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