Voraussetzungen für gemeinsames Sorgerecht – OLG Stuttgart, 2.12.14, 11 UF 173/14

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Die nicht verheirateten Eltern eines im Jahre 2004 geborenen Sohnes stritten vor dem Amtsgericht Ellwangen über die gemeinsame elterliche Sorge. Die Mutter hatte die Alleinsorge für das Kind inne. Der Kindesvater verlangte eine Beteiligung im Sinne einer gemeinsamen elterlichen Sorge.

Das Kind lebte nach der Geburt im Haushalt der Mutter. Es fand zunächst regelmäßiger Umgang zwischen Vater und Sohn statt. Der Kontakt brach jedoch im Jahre 2010 ab. Das Kind war zwischenzeitlich im Heim untergebracht, im Jahre 2014 jedoch in den Haushalt der Kindesmutter zurückgekehrt. Zwischen den Eltern bestand seit Jahren kein Kontakt mehr. Verschiedentliche Beratungsgespräche beim Jugendamt waren gescheitert. Das Amtsgericht hatte den Antrag des Kindesvaters, von dem er sich auch eine Wiederanbahnung des Umgangs versprach, zurückgewiesen.

Die Rechtmäßigkeit des Beschlusses wurde seitens des Kindesvaters zur Überprüfung durch das Oberlandesgericht Stuttgart gestellt.

Maßstab für die Beurteilung war § 1626a Abs. 2 BGB. Demnach hat das Familiengericht die elterliche Sorge beiden Eltern gemeinsam zu übertragen, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht.

Das Obergericht führte aus, dass für die Prüfung, ob die Übertragung der gemeinsamen Sorge dem Kindeswohl widerspricht, auf die Kriterien zurückgegriffen werden könne, die die Rechtsprechung zu § 1671 BGB entwickelt hat. Die gemeinsame Sorge verlange ein Mindestmaß an Übereinstimmung der Eltern in den wesentlichen Bereichen der Erziehungsfragen und eine grundsätzliche Konsensfähigkeit. Fehlten objektive Konsensfähigkeit und subjektive Kooperationsbereitschaft im Rahmen eines weiterhin bestehenden erheblichen Paarkonfliktes und hindere dies die Eltern auch an der gemeinsamen Erarbeitung von kindgerechten Lösungen, widerspreche eine gemeinsame Sorge dem Kindeswohl. Dabei sei es, ebenso wie im Rahmen des § 1671 BGB, irrelevant, welcher Elternteil die Verantwortung für die fehlende Verständigungsmöglichkeit trage.

Die gemeinsame Sorge sei dann zu verweigern, wenn bei bestehender gemeinsamer Sorge nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB ein Antrag auf Alleinsorge Erfolg hätte, was beispielsweise dann naheliege, wenn mehrfach eine Einigung über eine Umgangsregelung nicht ohne gerichtliche Entscheidung möglich ist.

Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass eine gemeinsame Sorge in dem zu beurteilenden Fall dem Kindeswohl widerspricht, weil die Eltern nicht über die für die gemeinsame Sorgetragung notwendige Kooperationswilligkeit oder -fähigkeit verfügten.

Weder das eine noch das andere sei ersichtlich. Vielmehr bestehe auf der Kommunikationsebene eine schwerwiegende und nachhaltige Störung, die bereits seit vielen Jahren eine gemeinsame Entscheidungsfindung verhindere und den Antragsteller dazu bewegt habe, ohne Rücksicht auf die Belange und Bedürfnisse des Kindes Handlungen zu unternehmen (siehe dazu unten), von denen er annimmt, dass sie die Antragsgegnerin verletzen.

Dabei stellte das Gericht auf die gescheiterten Beratungsgespräche (beim Jugendamt), aber auch Berichte des Kindes ab, wonach der Antragsteller anlässlich der Umgangskontakte beharrlich schlecht über die Kindesmutter geredet hatte und es von ihm geschlagen worden sei. Ferner hatte sich herausgestellt, dass der Kindesvater Nacktbilder des Kindes im Netz veröffentlicht hat. Durch die Vorkommnisse war dieses traumatisiert worden und musste stationär therapiert werden. Schließlich hatte der Antragsteller eine Rückführung des Kindes nach dessen Heimaufenthalt in den Haushalt der Mutter, die tatsächlich Defizite aufwies, gegen dessen ausdrücklichen Willen zu verhindern versucht.

All das verbiete es, den Kindesvater an der elterlichen Sorge zu beteiligen. 

Fazit:

Bei dem Fall dürfte es sich um ein Extrembeispiel handeln. Dass dem Kindesvater in Anbetracht seiner Verfehlungen die gemeinsame elterliche Sorge versagt wurde, war nichts anderes als konsequent. Liegt jedoch kein (gravierendes) Fehlverhalten des antragstellenden Elternteils vor, so sprechen die Instanzengerichte diesen nach unserer Erfahrung in der Regel die gemeinsame elterliche Sorge zu.


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