Vorfälligkeitsentschädigung - BGH entscheidet zugunsten der Darlehensnehmer

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Durch Urteil vom 19. Januar 2016 hat der Bundesgerichtshof (BGH) der Klage auf Rückzahlung einer zu Unrecht geforderten Vorfälligkeitsentschädigung stattgegeben.

Die Darlehensnehmer der beklagten Kreissparkasse waren in Zahlungsverzug geraten. Daraufhin hatte die Sparkasse den Kredit gekündigt und neben der Rückzahlung der offenen Darlehensvaluta eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangt, die auch gezahlt wurde. Das Rückzahlungsverlangen hatte in den Vorinstanzen vor dem Landgericht und Oberlandesgericht Stuttgart keinen Erfolg. Nunmehr ist die Kreissparkasse vom BGH zur Rückzahlung verurteilt worden.

Damit wurde die lange umstrittene Rechtsfrage, ob die Bank bei einer Kündigung des Darlehens aufgrund eines Zahlungsverzugs der Darlehensnehmer zusätzlich zu dem gemäß § 497 Abs. 1 BGB anfallenden Verzugszins auch eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen kann, nunmehr vom BGH ausdrücklich zugunsten der Darlehensnehmer entschieden. Von den Banken wurde im Kündigungsfalle regelmäßig auch eine Vorfälligkeitsentschädigung geltend gemacht.

Bereits im Januar 2013 hatte der 11. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in der mündlichen Verhandlung des Verfahrens zum Az. XI ZR 512/11 darauf hingewiesen, dass bei der Kündigung eines Kredits durch die Bank nicht noch zusätzlich zu den Verzugszinsen eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangt werden kann. Nach diesen mündlichen Äußerungen des Senats hatte die Bank in dem dortigen Fall den Anspruch auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung anerkannt. Es erging daher am 17. Januar 2013 nur ein Anerkenntnisurteil ohne Begründung. Viele Banken setzten gleichwohl ihre Praxis, die Vorfälligkeitsentschädigung auch nach einer bankseitigen Kündigung zu verlangen, fort.

Nunmehr hat der BGH ein begründetes Urteil erlassen, dessen Entscheidungsgründe voraussichtlich in den nächsten Wochen veröffentlicht werden. In der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs heißt es zu den Urteilsgründen wörtlich:

„Die in Rechtsprechung und Schrifttum umstrittene Frage, ob der Darlehensgeber im Falle der außerordentlichen Kündigung eines Verbraucherdarlehensvertrags infolge Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers anstelle des Verzögerungsschadens eine Vorfälligkeitsentschädigung als Ersatz seines Nichterfüllungsschadens verlangen kann, wird vom Wortlaut des § 497 Abs. 1 BGB in der hier maßgeblichen bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung nicht eindeutig beantwortet. Nach dieser Vorschrift hat der Darlehensnehmer, der mit seiner Zahlungsverpflichtung in Verzug kommt, den geschuldeten Betrag mit dem dort festgelegten Verzugszinssatz zu verzinsen. Ob damit zugleich eine Sperrwirkung in dem Sinne verbunden ist, dass eine andere Form des Schadensersatzes nicht geltend gemacht werden kann, lässt sich dem Wortlaut der Vorschrift selbst nicht entnehmen. Dafür sprechen indes die Gesetzgebungsgeschichte und der Sinn und Zweck dieser Vorschrift.

Nach der Gesetzesbegründung sollte ‚der Verzugszins nach Schadensersatzgesichtspunkten zu ermitteln und ein Rückgriff auf den Vertragszins grundsätzlich ausgeschlossen‘ sein (BT-Drucks. 11/5462, S. 26 zur Vorgängernorm des § 11 VerbrKrG). Der Gesetzgeber wollte damit die Schadensberechnungsmöglichkeiten einer einfachen und praktikablen Neuregelung zuführen. Zugleich sollte mit der Festlegung der Höhe des Verzugszinses auch dem Verbraucher die Möglichkeit gegeben werden, die Höhe der Mehraufwendungen im Verzugsfall selbst zu berechnen. Dieses Ziel der (Prozess-)Vereinfachung würde indes nicht erreicht, wenn der Darlehensgeber anstelle der einfachen Verzugszinsberechnung auf die im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung bestehenden Zahlungsrückstände eine Vorfälligkeitsentschädigung beanspruchen könnte. Vor allem aber würde bei Zubilligung einer Vorfälligkeitsentschädigung, die im Ausgangspunkt auf dem Vertragszins beruht, das vornehmliche Ziel des Gesetzgebers, einen Rückgriff auf den Vertragszins für die Schadensberechnung nach Wirksamwerden der Kündigung grundsätzlich auszuschließen, verfehlt.

Soweit damit – was bereits gegen die Vorgängerregelung eingewendet worden ist – für den Bereich des Verbraucherdarlehensgeschäfts eine Besserstellung des vertragsbrüchigen gegenüber dem vertragstreuen Schuldner verbunden sein sollte, hat der Gesetzgeber dies bewusst in Kauf genommen, indem er bei Überführung des § 11 VerbrKrG in das Bürgerliche Gesetzbuch durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zu einer Änderung der Rechtslage keinen Anlass gesehen hat, sondern ganz im Gegenteil den Anwendungsbereich des § 497 Abs. 1 BGB sogar noch auf Immobiliardarlehensverträge ausgedehnt hat.“

Betroffene Darlehensnehmer, deren Kredit seitens der Bank gekündigt wurde, können die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung nunmehr verweigern. Wer nach der Kündigung durch die Bank bereits eine Vorfälligkeitsentschädigung geleistet hat, kann diese von der Bank zurückverlangen.

Betroffene Darlehensnehmer sollten sich von einem auf das Bankrecht spezialisierten Rechtsanwalt beraten lassen. Rechtsanwalt Ingo M. Dethloff ist als Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht mit zahlreichen Fällen befasst, in denen seitens der Bank unberechtigt eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangt wurde.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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