VW-Abgasskandal: Fragen und Entwicklung vor dem ersten BGH-Termin

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Gut viereinhalb Jahre nach dem Beginn des Diesel-Abgasskandals von VW stehen wichtige Entscheidungen an. In der Musterfeststellungklage wird derzeit über einen Vergleich zwischen dem Verbraucherzentrale Bundesverband vzbv, der rund 450.000 Verbraucher vertritt, und dem Volkswagen-Konzern verhandelt. Am Bundesgerichtshof BGH (5. Mai 2020) und Europäischen Gerichtshof EuGH können in Kürze grundlegende Fragen im Diesel-Abgasskandal geklärt werden.

Die Inhaber der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH aus Lahr sind im Musterverfahren involviert. Die Kanzlei gehört zu den führenden im Abgasskandal. Nicht nur aufgrund der jüngsten juristischen Entscheidungen geht Mitinhaber Dr. Ralf Stoll von einem positiven Ende für die Verbraucher aus: „Die aktuelle Rechtsprechung kann als Vorzeichen dafür gewertet werden, dass die Verbraucher auch vor dem BGH gewinnen werden.“

Hier die wichtigsten Aspekte im Diesel-Abgasskandal rund um den VW-Motor EA 189:

1. Ganz generell: Die Rechtsprechung hat sich seit Beginn des Skandals im September 2015 zugunsten der Verbraucher entwickelt.

Mittlerweile verurteilen 17 von 24 Oberlandesgerichten und 98 von 115 Landgerichten den VW-Konzern. Selbst das OLG Braunschweig hat am 18. November bei der zweiten mündlichen Verhandlung über die Musterklage gegen VW angekündigt, bis zum nächsten Termin die Rechtsprechung der verurteilenden OLG genauer studieren zu wollen. Braunschweig hat bisher eine Haftung von VW abgelehnt. Auch hier hat ein Umdenken stattgefunden. Zudem hat der BGH am 8. Januar 2019 in einem sogenannten Hinweisbeschluss (Az.: VIII ZR 225/17) Fahrzeuge mit einer manipulierten Abgasreinigung als mangelhaft bezeichnet und auf diese Weise ein Umdenken an den untergeordneten Gerichten mit eingeleitet.

2. Das Thema Nutzungsentschädigung hat in den vergangenen Monaten eine neue Dynamik erhalten.

Immer mehr Gerichte der ersten Instanz wollen das „sittenwidrige“ Handeln von VW nicht auch noch mit einer Nutzungsentschädigung honorieren. Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg regte am 13. Januar 2020 an, dass die Dieselfahrer weniger für die Nutzung ihrer Fahrzeuge zahlen sollten (Az.: 15 U 190/19). Eine Entschädigung soll nur bis zur Geltendmachung des Rückabwicklungsanspruchs bezahlt werden.

Auch am Oberlandesgericht Brandenburg gibt es massive Zweifel daran, warum VW vom Diesel-Abgasskandal durch eine Nutzungsentschädigung profitieren sollte. Mit der Entschädigung reduziert sich der von VW an die Kläger zu zahlende Schadensersatz. Bisher haben die OLGs sich in der Regel für die Nutzungsentschädigung entschieden. Das Umdenken lässt kurz vor der ersten BGH-Verhandlung im Fall VW aufhorchen. Die Vermutung liegt nahe, dass die Karlsruher Richter den Fall ähnlich sehen könnten.

Es gibt sogar Tendenzen, die gar keine Entschädigung für VW vorsehen. Denn die Käufer wären durch eine solche Anrechnung „unzumutbar belastet“, die Hersteller „unbillig begünstigt“, argumentiert der Rechtswissenschaftler Professor Dr. Michael Heese von der Universität Regensburg in seinem Aufsatz „Nutzungsentschädigung zugunsten der Hersteller manipulierter Diesel-Kraftfahrzeuge?“ (Verbraucher und Recht, 4/2019). Zudem waren die manipulierten EA 189-Fahrzeuge von VW ungenehmigt und ohne Zulassungsfähigkeit auf den Straßen unterwegs – also illegal. Und sollte für eine illegale Nutzung auch noch eine Entschädigung bezahlt werden? Nein.

3. Ob für den Zeitraum zwischen Autokauf und Zustellung der Klage vier Prozent jährliche Zinsen auf den Kaufpreis zu zahlen sind, ist in der Rechtsprechung umstritten.

Gerade Landgerichte verurteilen VW zu diesem Zins. Oberlandesgerichte haben das bislang nicht so gesehen. Doch auch hier ist kürzlich eine Kehrtwende eingetreten. Das OLG Köln hat diese sogenannten deliktischen Zinsen 2019 einem Verbraucher zugesprochen. Das OLG Oldenburg zog in einem Verfahren unserer Partnerkanzlei Rogert & Ulbrich aus Köln nach. In dem Verfahren (Az.: 14 U 166/19) entschied das Gericht mit Urteil vom 16. Januar 2020, dass der Kläger für den Zeitraum von der Kaufpreiszahlung bis zur Zustellung der Klage (fast drei Jahre) die begehrten Zinsen erhält.

Entscheidet sich der BGH für den deliktischen Zins, kann das für VW richtig teuer werden. Manche Fahrzeuge, die in Klagen verwickelt sind, stammen aus dem Jahr 2008. Der Geschädigte könnte den Kaufpreis zurückerhalten und –wenn es gut läuft – keine Nutzungsentschädigung bezahlen müssen und noch Zinsen von 44 Prozent erhalten, wenn er im vergangenen Jahr erst geklagt hatte.

4. Käufer, die nach dem Bekanntwerden des Diesel-Abgasskandals ihr Fahrzeug erworben hatten, gingen bei OLGs meist leer aus.

Wiederum das OLG Oldenburg hat ebenfalls in dem Verfahren (Az.: 14 U 166/19) mit der bisherigen Rechtsprechung gebrochen. Selbst wenn der klagende Käufer über den Diesel-Abgasskandal bei VW informiert gewesen sein sollte, schützt das die VW AG nicht vor ihrer Strafe. Für das Gericht änderte auch die Ad-Hoc-Mitteilung des VW-Konzerns vom Herbst 2015 nichts am sittenwidrigen Handeln.

Die Info über den Diesel-Abgasskandal hat auf die zivilrechtliche Haftung des Konzerns keinen Einfluss. Schließlich war der Schaden bereits eingetreten. Das Gericht hält es für nicht angemessen, bei einer vollendeten sittenwidrigen Handlung den Täter mit Straflosigkeit zu belohnen, nur weil er sein Handeln öffentlich macht. Am Ergebnis der Tat ändert das nämlich nichts.

Ebenso darf der geschädigte Käufer nicht das Risiko tragen, dass ihn die Aufklärungsmaßnahme der VW AG nicht erreicht hat. VW hatte sich in dem Verfahren auf die Ad-hoc-Mitteilung vom 22. September 2015 berufen und wollte aufgrund dessen die Klage abgewiesen sehen. Sieht der BGH das auch so, erhöht sich die Zahl der Anspruchsberechtigten massiv. Für VW könnte das sehr teuer werden.

5. Auch die Verjährung im Diesel-Abgasskandal von VW ist heftig umstritten.

VW pocht auf die dreijährige Verjährungsfrist in zwei Varianten: Die erste beginnt Ende 2015 zu laufen und endet 2018. Die zweite beginnt Ende 2016 und endet 2019.

Normalerweise beginnt die Verjährungsfrist gegen Ende des Jahres zu laufen, in dem das Tatereignis stattfand. 2015 machte VW den Abgasskandal publik. Realistischerweise ging man bisher davon aus, dass allerhöchstens 2016 die Verbraucher vom Skandal informiert gewesen sein könnten. Das Landgericht Duisburg schob am 20. Januar 2020 den Verjährungsbeginn viel weiter hinaus, als bisher angenommen worden war (Az.: 4 O 165/19).

Begründung: Eine zutreffende Einschätzung der Rechtslage ist für das Gericht Voraussetzung für den Verjährungsbeginn. Die Rechtslage sei bisher nicht eindeutig. Die BGH-Rechtsprechung hält die Klageerhebung für Gläubiger unzumutbar, wenn die Rechtslage besonders verwickelt und problematisch ist oder wenn gewichtige rechtliche Zweifel vor der Klärung der Rechtslage bestehen. Sieht der BGH die problematische Rechtslage im Fall VW gegeben, dann verlängert sich der Diesel-Abgasskandal um den VW-Motor EA 189 erneut.

Ein weiteres Horrorszenario für VW bringt die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer aus Lahr in die Verjährungs-Diskussion ein. Denn ganz so einfach ist es nicht, vor allem, wenn dabei „unerlaubte Handlungen“ im Spiel sind. „Die Ansprüche auf eine Geldzahlung können nach § 852 BGB frühestens nach zehn Jahren verjähren“, argumentierte Dr. Ralf Stoll. Diese zehnjährige Verjährungsfrist tritt dann ein, wenn der Ersatzpflichtige durch unerlaubte Handlungen jemand anderen geschädigt hat.

Also: Wer sittenwidrig täuscht und trickst, darf sich keine Hoffnungen darauf machen, dass seine Tat durch eine schnelle und übliche Verjährung der gerechten Bestrafung entgeht.

Insgesamt, so fasst Dr. Ralf Stoll die Rechtslage und aktuelle Rechtsprechung zusammen, hat sich die Situation für die Verbraucher verbessert, vor Gericht ihre Ansprüche durchzusetzen.

Sie sollten daher auch weiterhin den Klageweg gegen die Autobauer überprüfen lassen. Im kostenfreien Online-Check der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer lässt sich der richtige Weg aus dem Diesel-Abgasskandal herausfinden. Die Fälle werden individuell geprüft, ehe man sich auf ein gemeinsames Vorgehen gegen die VW AG einigt. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer gehört im Diesel-Abgasskandal zu den führenden in Deutschland und vertritt in einer Spezialgesellschaft rund 450.000 Verbraucher in der Musterfeststellungklage gegen VW. „Und bei anderen Herstellern geht die Prozesslawine jetzt erst so richtig los. Es gibt bereits einige Verfahren gegen BMW und Opel. Auch Daimler steht juristisch im Fokus.“

Dr. Stoll & Sauer führt Musterfeststellungsklage gegen VW mit an

Bei der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH handelt es sich um eine der führenden Kanzleien im Abgasskandal. Die Kanzlei ist unter anderem auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisiert. Die Kanzlei führt mehr als 2000 Verfahren gegen verschiedene Autobanken wegen des Widerrufs von Autokrediten. Im Widerrufsrecht bezüglich Darlehensverträgen wurden mehr als 5000 Verbraucher beraten und vertreten. Daneben führt die Kanzlei mehr als 12.000 Gerichtsverfahren im Abgasskandal bundesweit und konnte bereits hunderte positive Urteile erstreiten.

In dem renommierten JUVE Handbuch 2017/2018, 2018/2019 und 2019/2020 wird die Kanzlei in der Rubrik Konfliktlösung – Dispute Resolution, gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten besonders empfohlen für den Bereich Kapitalanlageprozesse (Anleger). Die Gesellschafter Dr. Ralf Stoll und Ralph Sauer führen in der RUSS Litigation Rechtsanwaltsgesellschaft mbH für den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) außerdem die Musterfeststellungsklage gegen die Volkswagen AG. Im JUVE Handbuch 2019/2020 wird die Kanzlei deshalb für ihre Kompetenz beim Management von Massenverfahren als marktprägend erwähnt.


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