Wacklige Bußgelder - Nächtliche Messung der Geschwindigkeit durch Nachfahren ist unsicher
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Leider kommt es noch vor, dass Polizeibeamte eine angebliche Geschwindigkeitsüberschreitung zur Anzeige bringen, obwohl die Geschwindigkeit durch bloßes Nachfahren und auch noch bei Dunkelheit gemessen wurde. Mangels technischer Aufzeichnung gilt dann das für die Betroffenen unbefriedigende und rechtsstaatlich fragwürdige Motto „Behauptung vor Beweis".
Zum Glück für die betroffenen Fahrer, stellt die obergerichtliche Rechtsprechung inzwischen hohe Anforderungen an die Feststellungen, die im Hinblick auf eine beweissichere Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren zur Nachtzeit zu treffen sind.
Die ordnungsgemäße Messung durch Nachfahren setzt einen gleichbleibenden Verfolgungsabstand über eine längere Strecke voraus. Die Problematik bei Messungen unter schlechten Lichtverhältnissen liegt daher grundsätzlich in der Gewährleistung des gleichbleibenden Abstandes des Polizeiwagens zum vorausfahrenden Fahrzeug des Betroffenen. Daher sind plausible Feststellungen zu der Frage erforderlich, ob der Abstand durch die Scheinwerfer des Polizeifahrzeugs oder durch andere Lichtquellen so stark aufgehellt war, dass er sicher erfasst und geschätzt werden konnte. Außerdem muss feststehen, dass sich die Beamten für die Schätzung des gleichbleibenden Abstandes auf ausreichende und trotz der Dunkelheit erkennbare Orientierungspunkte beziehen konnten.
Das OLG Düsseldorf sah es bei einem Verfolgungsabstand von ca. 100 m für die optische Wahrnehmbarkeit eines gleichbleibenden Abstandes als ausreichend an, wenn bei üblicher Ausleuchtung der Fahrbahn nur noch die Rücklichter des gemessenen Fahrzeugs erkennbar sind und zusätzlich erkennbare Orientierungspunkte wie Leitpfosten vorhanden sind.
Ausführungen zu den Orientierungspunkten und den Sichtverhältnissen sind, zumindest nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm, allerdings dann nicht nötig, wenn bei einem relativ geringen Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug (hier 75 m) die Messstrecke ungewöhnlich lang war (hier 3 km).
Wurde die Messung mit eine Fahrzeug durchgeführt, dass nur über einen nicht justierten Tachometer verfügte, muss auf bei der Ermittlung der vorwerfbaren Geschwindigkeit zudem ein Sicherheitsabschlag von 7 % auf den Skalenendwert des Tachometers und ein weiterer Abzug von 12 % der abgelesenen Geschwindigkeit vorgenommen werden. Nur so können mögliche Ungenauigkeiten, die durch Eigenfehler des Tachos oder beim manuellen Ablesen der Geschwindigkeit entstehen, ausgeglichen werden. Damit der Betroffene nachvollziehen kann, ob der Toleranzabschlag bei ihm korrekt vorgenommen wurde, muss er deshalb wissen, welchen Endwert das Tachometer des Polizeiwagens hatte.
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Der Verfasser dieses Rechtstipps, Christian Demuth, ist Rechtsanwalt und Inhaber einer bundesweit tätigen Kanzlei für Verkehrsstraf- und Bußgeldrecht mit Sitz in Düsseldorf.
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