Wahlarzt muss seine Disziplin prägende Kernleistung persönlich und eigenhändig erbringen

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Alleinige Anwesenheit des Chefarztes genügt nicht zur Bejahung einer persönlichen Leistungserbringung im Rahmen einer Wahlleistungsvereinbarung

Ist der Chefarzt bei einer Operation zwar persönlich anwesend, führt er aber nicht, wie in der Wahlleistungsvereinbarung festgelegt, den Eingriff selbst durch, sondern ist er für die Anästhesie verantwortlich, ist die ärztliche Behandlung mangels wirksamer Einwilligung des Patienten rechtswidrig.

Hintergrund

Der Patient schließt im Vertrauen auf die besonderen Erfahrungen und die herausgehobene medizinische Kompetenz bestimmter Ärzte eine Wahlleistungsvereinbarung ab. Demzufolge muss der Wahlarzt die seine Disziplin prägende Kernleistung persönlich und eigenhändig erbringen, sofern er mit dem Patienten nicht eine Ausführung seiner Kernleistungen durch einen Vertreter wirksam vereinbart hat, vgl. BGH, Urteil vom 11.05.2010, Az.: VI ZR 252/08.

Sachverhalt

Eine Patientin hatte neben dem totalen Krankenhausaufnahmevertrag eine Wahlleistungsvereinbarung abgeschlossen. Nach dieser war eine Behandlung durch den Chefarzt vereinbart, der im Verhinderungsfall von einer Ärztin vertreten werden durfte.

Die benannte Ärztin führte eine Koloskopie durch, bei der es zu einem Einriss im Bereich der Rektumschleimhaut kam. Der vertraglich zur Operation verpflichtete Chefarzt war bei dem Eingriff als Anästhesist anwesend.

Entscheidung

Das Oberlandesgericht Hamm (Urteil vom 15.12.2017, Az.: 26 U 74/17) sah die so durchgeführte Operation mangels wirksamer Einwilligung als rechtswidrig an. Nach der abgeschlossenen Wahlleistungsvereinbarung hätte die Koloskopie von dem liquiditätsberechtigten Chefarzt durchgeführt werden müssen. Bei der Koloskopie handele es sich um eine die innere Medizin prägende Kernleistung mit nicht unerheblichen Risiken und möglichen Schwierigkeiten, bei welcher ein erkennbares Interesse des Patienten bestünde, dass sie grundsätzlich durch den Wahlarzt selbst durchgeführt wird. Nachdem er während der Koloskopie als Anästhesist anwesend war, seien eine unvorhergesehene Verhinderung und damit ein zulässiger Vertretungsfall nicht gegeben. Die Angesehenheit alleine reiche aber nicht zur persönlichen Leistungserbringung aus. Er sei maßgeblich mit der Anästhesie und damit mit einem anderen Bereich beschäftigt gewesen und konnte das chirurgische Geschehen nicht beobachten und beeinflussen. Die Beklagten könnten sich auch nicht darauf berufen, dass die Patientin mit der Leistungserbringung wie geschehen einverstanden gewesen wäre, da dies dem Schutzzweck des Einwilligungserfordernisses bei ärztlichen Eingriffen widerspräche.

Der Krankenhausträger und die beiden betroffenen Ärzte haben der gesetzlichen Krankenversicherung der Patientin sämtliche auf den Eingriff zurückzuführenden Aufwendungen als Schaden zu ersetzen.

Die Übertragung eines Eingriffs auf einen anderen Arzt kann für den Wahlarzt nicht nur vergütungsrechtliche, sondern auch haftungsrechtliche Folgen haben.

Sofern Sie weiterführende Fragen zum Thema „Wahlleistungsvereinbarung“ oder anderen medizinrechtlichen Bereichen haben, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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