Waldorf Frommer: Schadenersatz in Höhe der doppelten Lizenzgebühr mit Europarecht vereinbar

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Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat zuletzt mit einigen für den Bereich des Urheberrechts wegweisenden Entscheidungen Aufmerksamkeit erregt. Das in Luxemburg ansässige Gericht hatte zunächst u.a. die Haftung für das Setzen von Hyperlinks auf illegal ins Netz gestellte Werke konkretisiert (Urteil vom 8. September 2016, C-160/15 – GS Media) sowie das deutsche Konzept der Störerhaftung für den Betrieb eines ungesicherten WLAN-Netzes gestützt (Urteil vom 15. September 2016, C-484/14 – McFadden). Nunmehr beschäftigt sich ein Urteil vom 25. Januar 2017 (C-367/15) mit dem angemessenen Schadensersatz im Fall der unberechtigten Verwendung geschützter Werke.

Der Entscheidung liegt eine Vorlagefrage des polnischen Obersten Gerichtshofes zugrunde. In dem dort anhängigen Ausgangsverfahren streiten eine Verwertungsgesellschaft und ein lokaler Fernsehsender über die Höhe des Schadensersatzes, der für die „lizenzlose“ Ausstrahlung von Filmwerken zu entrichten ist. Nach dem polnischen Urheberrecht kann der Verletzte in einem solchen Fall das Doppelte der angemessenen Vergütung verlangen, die bei ordnungsgemäßer Lizenzierung fällig gewesen wäre. Das polnische Gericht hatte Zweifel, ob diese Regelung mit europäischem Recht (genauer: Art. 13 der sog. Durchsetzungsrichtlinie 2004/48/EG) vereinbar ist und legte diese Frage dem EuGH zur Entscheidung vor.

Der EuGH hat nun entschieden, dass eine entsprechende nationale Regelung, die dem Verletzten einen Anspruch in Höhe der „doppelten Lizenzgebühr“ zubilligt, mit dem Europarecht im Einklang steht.

Dieses Ergebnis gründet sich bereits darauf, dass die betreffende Richtlinie lediglich einen Mindeststandard festschreibt. Es steht den Mitgliedsstaaten danach frei, den Inhabern von Urheberrechten weitergehende Ansprüche zu gewähren, als die Richtlinie vorgesehen hat.

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der entsprechende Schadensersatz nach der Richtlinie den Zweck eines angemessenen Ausgleichs verfolgt und somit gerade keine „Strafe“ darstellen soll. Denn zum einen sei es durchaus zulässig, eine entsprechende, weitergehende Straffunktion im nationalen Recht zu verankern (s.o.). Zum anderen ist „die bloße Zahlung der hypothetischen Vergütung“ nach Auffassung des EuGH nicht geeignet, „eine Entschädigung für den gesamten tatsächlich erlittenen Schaden zu garantieren“ (Tz. 30 der Entscheidung). So berücksichtige der einfache Lizenzbetrag weder die mit der Auffindung der Verletzungshandlung sowie des Verantwortlichen verbundenen Kosten, noch den Ersatz eines möglichen immateriellen Schadens.

Obwohl diese Entscheidung in erster Linie die Rechtslage in Polen (und einigen weiteren Mitgliedsstaaten) bestätigt, lassen sich daraus auch Erkenntnisse für die Situation in Deutschland gewinnen. Schließlich liegt der in der Durchsetzungsrichtlinie geregelte Standard auch dem hiesigen Recht zugrunde.

Nach dem im deutschen Recht verankerten Prinzip der Lizenzanalogie kann der Inhaber des verletzten Urheberrechtes den Schadensersatz auf Grundlage der angemessenen Vergütung berechnen, die beim Erwerb einer ordnungsgemäßen Lizenz zu bezahlen gewesen wäre (§ 97 Abs. 2 S. 3 UrhG). Die Rechtsprechung in Deutschland leitet hieraus ab, dass der Urheberrechtsverletzer nicht besser, aber eben regelmäßig auch nicht schlechter gestellt werden darf als ein redlicher Lizenznehmer. Vor diesem Hintergrund kann als Schadensersatz für die unberechtigte Nutzung zumeist (nur) der einfache Lizenzbetrag durchgesetzt werden.

Dies stößt bei betroffenen Urhebern bzw. Unternehmen seit jeher auf einiges Unverständnis, da das „Risiko“ des unredlichen Nutzers somit – abgesehen von etwaigen ebenfalls zu tragenden (Verfahrens-)Kosten – auf die einfache Lizenzgebühr begrenzt ist. Dieses begrenzte Risiko könnte einen Anreiz dafür darstellen, geschützte Werke zunächst ohne Lizenz zu nutzen und zu hoffen, nicht „erwischt“ zu werden.

Die nun vorliegende Entscheidung des EuGH macht deutlich, dass jedenfalls die europäischen Vorgaben weder einer strengeren gesetzlichen Regelung (hier wäre der Gesetzgeber gefordert), noch einer strengeren Auslegung durch die Gerichte entgegenstehen. Der Wortlaut des § 97 Abs. 2 UrhG spricht davon, dass der Schadensersatz „auf Grundlage“ der einfachen Lizenzgebühr berechnet werden kann. Vor diesem Hintergrund wäre es durchaus denkbar, auch die weiteren vom EuGH für die Berechnung des Schadens herangezogenen Umstände (Ermittlungskosten, immaterieller Schaden) bei der Bezifferung als Erhöhungsfaktoren mit einzubeziehen.

Schließlich soll nicht unerwähnt bleiben, dass der unberechtigte Nutzer von Fotografien auch nach der heutigen Rechtspraxis zumeist Schadensersatz in Höhe der doppelten Lizenzgebühr zu zahlen hat. So ist weitgehend anerkannt, dass die unterlassende Nennung des Urhebers in Zusammenhang mit der Nutzung einen entsprechenden „Zuschlag“ in Höhe von 100 % auf die einfache Lizenzgebühr rechtfertigt.

Auf dieser Grundlage verurteilte beispielsweise das Amtsgericht München (Urteil v. 29. April 2016, 142 C 1011/16) einen Spezialanbieter für Stahlprodukte, der eine Fotografie aus dem Repertoire der von uns vertretenen Klägerin unberechtigt auf seinem Internetauftritt verwendet hatte, zur Zahlung der „doppelten“ Lizenzgebühr in Höhe von EUR 1.320,-.

Dieser Anspruch beruht rechtlich gesehen jedoch gerade nicht auf der unlizenzierten Nutzung selbst (§§ 16, 19a UrhG), sondern auf der Verletzung des in § 13 UrhG geregelten Rechts des Urhebers auf Anerkennung seiner Urhebereigenschaft am jeweiligen Werk. Die weiteren, vom EuGH zur Schadensberechnung herangezogenen Faktoren werden somit gerade nicht abgebildet.

Im Ergebnis ist die vorliegende Entscheidung des EuGH als weiterer Schritt zur Stärkung der Inhaber von Urheberrechten zu begrüßen. Es bleibt zu hoffen, dass sowohl der Gesetzgeber, als auch die nationalen Gerichte von den hierdurch eröffneten Möglichkeiten Gebrauch machen.

Der Fachbeitrag von Rechtsanwalt Marc Hügel wurde erstmalig vom Bundesverband professioneller Bildanbieter (BVPA) im Rahmen des Sondernewsletters BVPAflash veröffentlicht.


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