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Wann ist ein Arbeitszeugnis noch wohlwollend, wann eine Lüge?

  • 4 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Um das berufliche Fortkommen ihrer ehemaligen Beschäftigten nicht zu erschweren, müssen Arbeitgeber wohlwollende Arbeitszeugnisse erstellen. Diese dürfen also nicht dazu verwendet werden, um sich an ausgeschiedenen Mitarbeitern zu rächen, indem sie z. B. mit Geheimcodes „runtergeputzt“ und kritisiert werden. Allerdings müssen Arbeitszeugnisse auch wahrheitsgemäß ausgestellt werden. Lügen – zulasten oder zugunsten der früheren Angestellten – sind unzulässig. Doch wann ist ein Arbeitszeugnis noch wohlwollend formuliert und ab wann enthält es Lügen?

Gerichte müssen über Kündigung entscheiden

Einem Flugbegleiter wurde am 17.11.2011 fristlos gekündigt. Er wehrte sich gerichtlich gegen die Kündigung – zunächst mit Erfolg. Das Arbeitsgericht hielt die Kündigung für unwirksam und verpflichtete den Arbeitgeber am 21.06.2012, den Flugbegleiter bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiterzubeschäftigen, sog. Prozessbeschäftigung. Er war nämlich seit November 2011 nicht mehr als Flugbegleiter für den Arbeitgeber tätig gewesen.

Allerdings dauerte die Weiterbeschäftigung nur vom 21.06.2012 bis zum 23.01.2013 an. An diesem Tag wurde dem Arbeitgeber nämlich das Urteil des Landesarbeitsgerichts zugestellt. Das hielt die Kündigung für wirksam. Grund genug für den Arbeitgeber, die Prozessbeschäftigung sofort zu beenden.

Streit um Formulierung im Arbeitszeugnis

Der Streit ging in die nächste Runde, als der Flugbegleiter ein Arbeitszeugnis verlangte. Im vom Arbeitgeber daraufhin übersandten Zeugnis stand unter anderem, dass der Flugbegleiter bis zum 17.11.2011 bei ihm beschäftigt war bzw. das Arbeitsverhältnis am 17.11.2011 endete. Dieses Datum hielt der Beschäftigte für falsch. Schließlich sei er – solange das Kündigungsschutzverfahren lief – durchaus für den Arbeitgeber tätig geworden, und zwar zumindest bis zum 23.01.2013. Alles andere würde ihm eine Lücke im Lebenslauf bescheren – mit dem Zeugnis wäre sein berufliches Fortkommen daher extrem erschwert.

Arbeitszeugnisse müssen stimmen

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) kam zu dem Ergebnis, dass der Flugbegleiter keinen Anspruch auf eine Änderung des Datums hat. Schließlich ist das Arbeitsverhältnis bereits am 17.11.2011 wirksam beendet worden – das vom Arbeitgeber überreichte Zeugnis entsprach somit der Wahrheit.

Sinn und Zweck von Arbeitszeugnissen

Ein Arbeitszeugnis dient als „Beleg“, dass man innerhalb einer bestimmten Zeit eine bestimmte Tätigkeit auf eine bestimmte Art und Weise erbracht hat. Es wird regelmäßig Bewerbungen beigefügt. Denn nur so kann sich der potenzielle neue Arbeitgeber ein erstes Bild vom Bewerber machen und entscheiden, ob er ihn zu einem Vorstellungsgespräch einlädt oder nicht. Gerade qualifizierten Zeugnissen kommt hier eine besondere Bedeutung zu, da der frühere Arbeitgeber darin nicht nur über die Dauer und Art der Beschäftigung, sondern auch über das Verhalten und die Leistung des Beschäftigten Auskunft gibt.

Aus diesem Grund muss der Arbeitgeber – selbst wenn er gegen den ausgeschiedenen Beschäftigten einen Groll hegt – wohlwollende Formulierungen im Zeugnis wählen. Er darf dagegen weder Geheimcodes verwenden noch objektiv Falsches ins Zeugnis schreiben, vgl. § 109 Gewerbeordnung (GewO), und damit das berufliche Fortkommen seines ausgeschiedenen Mitarbeiters unnötig erschweren.

Vorliegend wollte der Flugbegleiter sämtliche Daten im Zeugnis ändern lassen – er wies darauf hin, effektiv bis zum 23.01.2013 und nicht nur bis zum 17.11.2011 gearbeitet zu haben. Das müsse auch so im Zeugnis klargestellt werden.

„Das Arbeitsverhältnis endete am …“

Das BAG wies jedoch darauf hin, dass das Arbeitsverhältnis wirksam am 17.11.2011 fristlos gekündigt worden war. Aus diesem Grund durfte der Arbeitgeber nicht nur, er musste sogar als Beendigungsdatum den 17.11.2011 im Zeugnis festlegen. Ansonsten hätte er gegen seine Wahrheitspflicht verstoßen und eine Lüge ins Zeugnis aufgenommen.

Zwar ist der Flugbegleiter noch vom 21.06.2012 bis zum 23.01.2013 beim Arbeitgeber tätig geworden. Diese sog. Prozessbeschäftigung wurde dem Arbeitgeber jedoch während des laufenden Kündigungsschutzprozesses gegen seinen Willen aufgezwungen, weshalb damit keinesfalls ein Arbeitsverhältnis begründet werden konnte. Eine Prozessbeschäftigung entfällt außerdem, wenn das zuständige Gericht die Weiterbeschäftigungspflicht aufhebt. Das betreffende Arbeitsverhältnis hatte daher tatsächlich am 17.11.2011 geendet, was so auch im Zeugnis fixiert werden musste.

„XY war vom … bis … in unserem Unternehmen tätig.“

Enthält ein Arbeitszeugnis die Formulierung, dass ein Mitarbeiter für eine bestimmte Zeit im Unternehmen beschäftigt war, wird damit lediglich die Dauer der tatsächlichen Beschäftigung ausgedrückt – unabhängig davon, ob ein rechtliches Arbeitsverhältnis bestand oder nicht. Im vorliegenden Fall enthielt das Zeugnis auch einen solchen Textbaustein.

Allerdings konnte in dem Satz das Datum auch nicht auf das Ende der tatsächlichen Beschäftigung – also den 23.01.2013 – geändert werden. Hierfür gab es zwei Gründe. Erstens hatte der Flugbegleiter vor Gericht nur die Änderung sämtlicher Daten beantragt. Das Gericht konnte sich daher über den Antrag nicht hinwegsetzen und den Arbeitgeber zu einer teilweisen Zeugnisänderung verpflichten. Zweitens würde der Arbeitgeber erneut gegen die Wahrheitspflicht verstoßen, wenn er dem Flugbegleiter bestätigen würde, dass dieser ab Vertragsschluss bis zum 23.01.2016 für ihn tätig gewesen ist. Das nämlich würde den Eindruck erwecken, als ob der Flugbegleiter ununterbrochen für ihn gearbeitet hätte. Dabei gab es aber durchaus eine Arbeitsunterbrechung – und zwar vom 17.11.2011 bis zum 20.06.2012.

Fazit: Während Kündigungsschutzverfahren können Arbeitgeber zu einer Prozessbeschäftigung verpflichtet werden. Die Beschäftigungsdauer kann – je nach Formulierung – im Arbeitszeugnis berücksichtigt werden, indem etwa nicht auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses abgestellt wird, sondern auf die Dauer der tatsächlichen Beschäftigung. Auf keinen Fall darf ein Arbeitgeber aber objektiv falsche Tatsachen ins Zeugnis schreiben. Das wäre ein Verstoß gegen seine Wahrheitspflicht.

(BAG, Urteil v. 14.06.2016, Az.: 9 AZR 8/15)

(VOI)

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