Wann kann im Strafprozess ein Richter wegen Befangenheit abgelehnt werden?

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Richter können aus bestimmten Gründen abgelehnt und aus dem Strafverfahren ausgeschlossen werden. Doch wann ist dies möglich?


Wann ist ein Richter befangen?

Die Befangenheit des Richters folgt aus den §§ 22 ff. StPO. Hiernach kann ein Richter aufgrund der dort niedergeschriebenen Gründe, als auch wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Der Ausschluss von Richtern kraft Gesetzes tritt automatisch ein, sofern einer der gesetzlich geregelten Fälle vorliegt.

Die Bewertung des Vorliegens eines Ablehnungsgrundes erfolgt grundsätzlich aus der Perspektive des Angeklagten. Ein begründetes Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters besteht gem. § 24 Absatz 2 StPO, wenn der Ablehnende bei einer vernünftigen Betrachtung des ihm bekannten Sachverhalts den Grund zur Annahme hat, dass der Richter eine Haltung einnimmt, die die Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen könnte, er somit die Einschätzung hat, das Verfahren laufe nicht „fair“ ab. 

Entscheidend ist damit nicht, ob der Richter tatsächlich befangen ist oder sich selbst dafür hält, sondern vielmehr die Perspektive des Angeklagten und somit das feststellbare Verhalten des Richters.

Die Besorgnis kann sowohl aus der Gesamtschau der Situation entstehen als auch im Einzelfall, wobei sie stets auf die konkrete Person bezogen wird. Daher müssen Gründe vorgebracht werden, die jedem unbeteiligten Dritten einleuchten und ihm aufzeigen: „hier geht es nicht mit Rechten Dingen zu“.


Ein prominentes Beispiel für einen solchen erfolgreichen Befangenheitsantrag zeigt die Causa Boateng. Das Bayerische Oberste Landesgericht hatte die Verurteilung von Jérôme Boateng (35) wegen Körperverletzung und Beleidigung aufgehoben. Es gab der Revision des Ex-Fußballnationalspielers und auch der von Staatsanwaltschaft und Nebenklage am Donnerstag statt und verwies das Verfahren an das Landgericht München I zurück. Der Prozess solle erneut durchgeführt werden. Anwalt Walischewski kritisierte, dass Boateng damals in seinem Recht auf ein faires Verfahren verletzt wurde. Er bemängelte insbesondere, dass der Richter in den Ablehnungsprozess gegen sich selbst involviert war. Das Gericht stimmte am Donnerstag dieser Ansicht zu und hob das Urteil "vollständig" auf. Der Vorsitzende Richter hatte vor dem Befangenheitsantrag betont, dass zusätzliche Beweisanträge von Boateng und seinen Anwälten sich negativ auf die Strafe auswirken könnten. Im Plädoyer am Donnerstag warf Boatengs Anwalt dem Richter "unangemessenes und willkürliches Verhalten während des Prozesses" vor.


Wann kann ein Richter wegen Befangenheit abgelehnt werden?

Nicht jede – aus Sicht des Angeklagten – fehlerhafte richterliche Einschätzung begründet eine Befangenheit. Insbesondere kann die Befangenheit des Richters nicht in jeder fehlerhaften Rechtsanwendung des Richters bejaht werden.

Andernfalls müsste jede fehlerhafte Anwendung einfachen Rechts durch einen Richter als Verstoß gegen die Verfassung betrachtet werden, der zwingend das Urteil auch wegen Befangenheit aufheben müsse. Auch der Umstand, dass sich der Richter zuvor bereits mit ähnlichen rechtlichen Fragen in anderen Verfahren befasst hat, begründet grundsätzlich für sich genommen noch keine Besorgnis der Befangenheit. 

Ein Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Grundgesetz) liegt jedoch dann vor, wenn der Richter eine Verfahrensnorm willkürlich oder offensichtlich falsch interpretiert oder anwendet oder wenn der Richter mit seiner Entscheidung die Bedeutung und Tragweite der Rechtsnorm grundlegend missachtet.

Sowohl der Bundesgerichtshof als auch das Bundesverfassungsgericht gehen aber davon aus, dass die reine Vorbefassung mit der in Frage stehenden Sache für sich allein noch keinen ausreichenden Grund für eine Ablehnung des Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit darstellt. Das gilt selbst dann, wenn durch die Entscheidung des Richters im Rahmen der Vorbefassung zum Ausdruck kommt, dass der Richter von der Schuld des Angeklagten überzeugt ist.

Die Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit kann in solchen Konstellationen aber dann begründet sein, wenn weitere besondere Umstände zu der Vorbefassung hinzukommen.

So entschied beispielsweise auch der BGH erst kürzlich in einem Beschluss (BGH mit Beschluss vom 14.11.2023 - 4 StR 239/23 (LG Göttingen)).


Zu welchem Zeitpunkt muss die Befangenheit des Richters im Strafprozess gerügt werden?

Die Ablehnung eines Richters aufgrund der Besorgnis der Befangenheit ist nach § 25 StPO bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse zulässig. In Verhandlungen über die Berufung oder die Revision gegen ein bereits ergangenes Strafurteil, muss die Ablehnung bis zum Beginn des Vortrags des Berichterstatters erfolgen. 

Allerdings müssen Befangenheitsgründe, die dem Ablehnungsberechtigten vor Beginn der Hauptverhandlung bekannt werden, unverzüglich angebracht werden.


Bei wem muss die Befangenheit des Richters gerügt werden?

Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 StPO kann ein Ablehnungsgesuch in der Hauptverhandlung mündlich oder schriftlich bei dem Gericht angebracht werden, dem der Richter angehört. Es kann auch außerhalb der Hauptverhandlung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle angebracht werden. 

Das Gericht kann vom Antragsteller verlangen, das mündliche Ablehnungsgesuch schriftlich zu begründen. Das Ablehnungsgesuch ist ab dem Zeitpunkt der mündlichen Anbringung gestellt. 

Für die Einreichung der schriftlichen Begründung der Ablehnung kann das Gericht eine angemessene Frist setzen. Wird eine solche Frist gesetzt, muss sie auch eingehalten werden.

Der Ablehnungsgrund muss glaubhaft gemacht werden.

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