Veröffentlicht von:

Warum eine Ratenschutzversicherung keine „echte“ Versicherung für fremde Rechnung ist

  • 3 Minuten Lesezeit

Ob einem Verbraucher im Fall einer Ratenschutzversicherung das gesetzliche Widerrufsrecht nach § 8 VVG zusteht, ist unter Juristen höchst umstritten. Eine klärende Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) hierzu liegt bislang nicht vor.

Bei Abschluss eines allgemeinen Verbraucherdarlehensvertrags wird dem geschäftsunerfahrenen – und mit der konkreten Abschlusssituation überforderten – Verbraucher häufig eine Ratenschutzversicherung „untergejubelt“.

Die Versicherungsverträge sind von dem Versicherer und dem Darlehensgeber in aller Regel als Gruppenversicherungsverträge ausgestaltet. Der Verbraucher erklärt bei Abschluss des Darlehensvertrags den Beitritt zu dem Gruppenversicherungsvertrag, der bereits zwischen dem Versicherer und dem Darlehensgeber besteht. In einem solchen Fall ist aber der Darlehensgeber (die Bank) der Versicherungsnehmer, während der Verbraucher (Bankkunde) lediglich die versicherte Person ist.

Genau darin aber besteht das Problem bei dieser Vertragsgestaltung, denn das Widerrufsrecht nach § 8 VVG steht ausschließlich dem Versicherungsnehmer zu: „(1) Der Versicherungsnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen widerrufen.“ (§ 8 Abs. 1 S. 1 VVG)

Der Verbraucher, also der Darlehensnehmer, ist jedoch, wie dargestellt, nicht der Versicherungsnehmer, sondern nur die versicherte Person, bei deren Tod der Leistungsfall eintritt.

Diese Vertragsgestaltung ist dem Gesetz auch nicht fremd. Man spricht in solchen Fällen von einer „Versicherung für fremde Rechnung“. Der Versicherungsnehmer kann den Versicherungsvertrag im eigenen Namen für einen anderen, mit oder ohne Benennung der Person des Versicherten, schließen (vgl. § 43 Abs. 1 S. 1 VVG).

Wesentliches Kennzeichen einer solchen Versicherung für fremde Rechnung ist, dass dem Versicherten die Rechte aus der Versicherung zustehen. Damit ist insbesondere das Bezugsrecht im Leistungsfall gemeint. Der Versicherte ist jedoch nicht Vertragspartei und kann damit auch keine Gestaltungsrechte ausüben, wie z. B. das Kündigungsrecht oder das Widerrufsrecht. Den Versicherten trifft auch nicht die Pflicht zur Prämienzahlung, da er nicht der Vertragspartner des Versicherers ist.

Die Pflicht zur Prämienzahlung liegt somit bei dem Versicherungsnehmer. Er ist der wirtschaftlich Verpflichtete aus dem Vertrag. Aus diesem Grund stehen ihm die Gestaltungsrechte zu und er erhält den Versicherungsschein und nicht die versicherte Person.

Im Fall der typischen Ratenschutzversicherung liegt der Fall jedoch anders: Hier trägt die versicherte Person, also der Darlehensnehmer, die wirtschaftlichen Verpflichtungen aus der Versicherung und nicht der Versicherungsnehmer, der in diesem Fall die Bank ist.

Die Versicherungsprämie wird regelmäßig mitfinanziert, sodass sich der Nettodarlehensbetrag erhöht – und damit auch die geschuldeten Zinsen für das Darlehen.

Ein gutes Geschäft für die Bank, die sowohl Darlehensgeber als auch Versicherungsnehmer ist. Sie erhält nun mehr Zinsen, ihr Kerngeschäft wird somit profitabler, und zusätzlich erhält das Kreditinstitut noch eine Prämie für die Vermittlung des Versicherungsvertrags von dem Versicherer.

Das wirtschaftliche Risiko hingegen wird im vollen Umfang auf den Verbraucher abgewälzt.

Es ist also nicht mehr der Versicherungsnehmer, der hier schutzwürdig ist und dem daher das Widerrufsrecht (Überdenken des Vertragsabschlusses) zustehen muss, sondern die versicherte Person, also der Bankkunde.

Die Ausgestaltung als Gruppenversicherungsvertrag dient lediglich der beschleunigten Abwicklung im Geschäftsverkehr, da das Versicherungsprodukt, hier die Ratenschutzversicherung, gleich als Massenprodukt zum Darlehensvertrag mit verkauft wird.

Letztlich ist es auch der Verbraucher, der eine Willenserklärung auf Abschluss/Beitritt zur Ratenschutzversicherung abgibt. Ohne die Willenserklärung des Verbrauchers kommt es zu keinem Versicherungsverhältnis. Der Versicherungsnehmer, die Bank, gibt keine schutzwürdige Vertragserklärung ab, auf die sich das Widerrufsrecht beziehen könnte.

Letztlich stellt dieses Vertragskonstrukt daher eine Umgehung von Schutzvorschriften dar.

In § 18 VVG heißt es, dass von § 8 VVG nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden kann. Zwar ist der Verbraucher hier nicht der Versicherungsnehmer – er aber ist es, der schutzwürdig ist. Der Bankkunde wird durch das Vertragskonstrukt des Versicherers und der Bank als Darlehensgeber aus der Stellung eines Versicherungsnehmers verdrängt, die Kostenlast der Versicherung jedoch verbleibt bei dem Verbraucher.

Dies ist der Grund, warum wir der Rechtsauffassung sind, dass hier keine „echte“ Versicherung für fremde Rechnung vorliegt.

Das Landgericht (LG) Düsseldorf ist dieser Rechtsauffassung zwar in einer Einzelfallentscheidung nicht gefolgt, es hat jedoch anerkannt, dass die Argumentation nicht von der Hand zu weisen ist. Es hat daher eine Überprüfung dieser Rechtsfrage durch den BGH für notwendig erachtet: „Die Revision war im Hinblick auf die Frage, ob der versicherten Person abweichend vom Gesetzeswortlaut des § 8 VVG ein Widerrufsrecht zusteht, zur Rechtsfortbildung zuzulassen.“ (LG Düsseldorf Urt. v. 21.07.2016 – 9 S 47/15)

Wir werden Sie auf dem Laufenden halten.

Für eine Ersteinschätzung stehen wir Ihnen kostenfrei zur Verfügung! Rufen Sie uns an und vereinbaren Sie einen Termin für eine Erstberatung.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Guido Lenné

Beiträge zum Thema

Ihre Spezialisten