Welche Rechte haben Minderheitsgesellschafter im Gesellschafterstreit? Teil 1

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Teil 1: Der gesetzliche Minderheitenschutz und die Treuepflicht 


Von Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann*

Eine GmbH wird in der Regel von demjenigen beherrscht, der die Mehrheit der Stimmen der Gesellschafter hinter sich hat (vgl. § 47 Abs. 1 GmbHG).

Enthält die Satzung keine abweichenden Regelungen sind Minderheitsgesellschafter dem Handeln eines Mehrheitsgesellschafters in der Regelung schutzlos ausgeliefert. Lediglich in Fällen der Unternehmensübernahme, einer Fusion oder Satzungsänderung (§ 53 Abs. 2 GmbHG) sowie bei der Auflösung der Gesellschaft (§ 60 Abs. 1 Satz 2 GmbHG) haben Gesellschafter, die mehr als 25% der Stimmen auf sich vereinigen, eine Sperrminorität.

Die Situation verschlechtert sich meist. wenn der Mehrheitsgesellschafter zugleich alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft ist. Kommt es zu Meinungsverschiedenheiten, scheint der Minderheitsgesellschafter dem Mehrheitsgesellschafter schutzlos ausgeliefert zu sein.


Welche Rechte haben GmbH-Minderheitsgesellschafter?

1. Das Auskunfts- und Einsichtsrecht (gem. § 51a GmbHG)

Zwar hat ein GmbH-Gesellschafter das Recht, jederzeit von der Geschäftsführung Auskunft über sämtliche Angelegenheiten der Gesellschaft zu verlangen und Einsicht in die Bücher und Schriften der Gesellschaft zu fordern (vgl. § 51a GmbHG). Dieses Auskunfts- und Einsichtsrecht besteht unabhängig von der Höhe der Beteiligung und ist sehr häufig mit erheblichem Aufwand für die Geschäftsführung und die Gesellschaft verbunden. In Gesellschafterstreitigkeiten greifen Minderheitsgesellschafter oft auf dieses Recht zurück in der Hoffnung, Anhaltspunkte für ein mögliches Fehlverhalten der Geschäftsführung oder die Treuwidrigkeit der Mitgesellschafter zu finden. Allerdings ist die rechtliche Durchsetzung dieses Auskunftsrechts mit einem nicht unerheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwand verbunden und kommt für den betroffenen Gesellschafter oft zu spät.

2. Das Einberufungsrecht (gem. § 50 GmbHG)

Gesellschafter, die mit mindestens 10 % am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt sind, können die Geschäftsführung immer wieder zur Einberufung neuer Gesellschafterversammlungen oder zur Ergänzung der Tagesordnung auffordern.

Kommt der Geschäftsführer diesem Wunsch nicht in angemessener Frist nach, kann der Gesellschafter selbst die Gesellschafterversammlung einberufen.

3. Stimmrechtsausschluss in eigenen Angelegenheiten? (§ 47 Abs. 4 GmbHG)

Zwar ist das Stimmrecht eines GmbH-Mehrheits-Gesellschafter-Geschäftsführers entsprechend § 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG ausgeschlossen, wenn die Gesellschafterversammlung die Beschlussfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits ihm gegenüber betrifft. Gegen anwaltlich gut beratene Gesellschafter-Geschäftsführer gelingt es Minderheitsgesellschaftern in der Praxis nur sehr selten sich bereits in der Gesellschafterversammlung durchzusetzen.

4. Die Treuepflicht als Stimmrechtsausübungsschranke des Mehrheitsgesellschafters

Schließlich kann die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht auch einen Mehrheitsgesellschafter verpflichten, bei der Ausübung seines Stimmrechts auf die Belange des Minderheitsgesellschafters Rücksicht zu nehmen.


Was ist die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht?

Die Treuepflicht folgt unmittelbar aus der Vereinbarung der Gesellschafter (i.d.R. der Gesellschaftsvertrag). Darin haben sich die Gesellschafter verabredet, das gemeinsame Interesse zu fördern und Schaden von der Gesellschaft abzuwenden.

Mit Hilfe der Treuepflicht werden sowohl die Gesellschaft als auch die Mitgesellschafter vor Schädigungen durch das Abstimmungsverhalten einzelner geschützt. So ist es anerkannt, dass die Verfolgung ausschließlich eigennütziger Zwecke und das Streben nach ungerechtfertigten Sondervorteilen treuwidrig ist.

Die Hürden für die Anwendung der Treuepflicht sind allerdings sehr hoch. Keine Verletzung der Treuepflicht liegt nach Auffassung des Bundesgerichtshofes (BGH, Urt. V. 12. April 2016 - II ZR 275/14) vor, wenn

  • eine Maßnahme erhebliche wirtschaftliche Bedeutung für die Gesellschaft hat,
  • die Gesellschaft oder die Mitgesellschafter durch die Maßnahme übermäßig belastet würden oder
  • eine Maßnahme im Interesse der Gesellschaft liegt und geeignet ist, die Zwecke der Gesellschaft zu fördern.

Grundsätzlich ist jeder GmbH-Gesellschafter frei darin, sich wirtschaftlich unvernünftig zu verhalten und damit auch für unsinnige und für die Gesellschaft schädliche Beschlüsse zu stimmen

Eine Zustimmungspflicht des GmbH-Gesellschafters besteht vielmehr erst dann, wenn

  • der Zweck und die Interessen der Gesellschaft die konkrete Maßnahme zwingend erfordern,
  • die Maßnahme zur Erhaltung wesentlicher Werte der Gesellschaft oder zur Vermeidung erheblicher Verluste objektiv unabweisbar erforderlich ist und
  • die Zustimmung dem Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner schutzwürdigen Belange zumutbar ist

Dies ist der Fall, wenn der Gesellschafter seine Zustimmung ohne vertretbaren Grund verweigert.

Auch dieser Weg ist damit für den Minderheitsgesellschafter ein steiniger und aufwendiger Weg, der gut überlegt sein muss.


Wie kann sich ein Minderheitsgesellschafter gegen schädliche Entscheidungen eines Mehrheitsgesellschafters wehren?

Gerade in Fällen, in denen der Gesellschafter daran zweifelt, ob die Geschäftsführungsmaßnahmen dem wirtschaftlichen Wohl der Gesellschaft ausreichend Rechnung tragen, bietet es sich an, diese Geschäftsführungsmaßnahmen zum Gegenstand einer Sonderprüfung zu machen. um ggf. im Anschluss Ersatzansprüche gegen den betroffenen geschäftsführenden Gesellschafter geltend zu machen.

Was eine Sonderprüfung ist und wie diese durchgesetzt werden kann, wird in einem 2. Teil erörtert.


* Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann ist Gründungspartner von LFR Wirtschaftsanwälte München, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie für gewerblichen Rechtsschutz, zertifizierter Wirtschaftsmediator (IHK) und systemischer Business Coach (IHK). Der Beitrag spiegelt auch seine persönlichen Erfahrungen als Sonderprüfer in Gesellschafterkonflikten wieder.

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LFR Wirtschaftsanwälte sind Ihr Partner bei Wirtschaftskonflikten aller Art, insbesondere im Gesellschaftsrecht. Wir verfügen seit über 20 Jahren über umfangreiche Expertise in allen typischen Formen der Gesellschafterkonflikte, insbesondere Auseinandersetzungen in Familien- und Freiberuflergesellschaften, bei Startups und VC-finanzierten Gesellschaften, bei Personengesellschaften, AGs, Vereinen, Stiftungen, bei Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit Unternehmensverkäufen (M&A-Dispute) oder Unternehmensnachfolge, bei der Verteidigung von (ehemaligen) Gesellschaftern, Geschäftsführern, Vorständen, Aufsichts- und Beiräten gegen Ansprüchen von Insolvenzverwaltern oder Firmenkäufern, bei der Abberufung, Bestellung und Durchsetzung von Geschäftsführern, Vorständen und geschäftsführenden Gesellschaftern.

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