Wer erhält die Auszahlung aus einer Lebensversicherung? Und was ist, wenn ​eine Sicherungsabtretung besteht?

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1. Einführung

Die Frage der Berechtigung im Falle der Fälligkeit und Auszahlung einer Lebensversicherung ist komplex und häufiger Streitpunkt in der Praxis.

Bereits die Beantwortung wer Begünstigter bzw. Begünstigte aus der Lebensversicherung ist, wirft je nach Fallkonstellation rechtliche Problemstellungen auf. Umso komplizierter wird es, wenn darüber hinaus eine Sicherungsabtretung hinzu kommt.

Insbesondere Kreditinstitute lassen sich im Rahmen von Darlehensgewährungen zusätzlich zu weiteren Sicherheiten bestehende Lebensversicherungen abtreten.

Diese Sicherungsabtretungen bleiben dann über Jahre bestehen, selbst wenn zum Teil die ursprünglichen Darlehen zum Großteil oder sogar bereits ganz zurückbezahlt wurden.

Zur Beantwortung wer letztlich den Auszahlungsbetrag aus einer Lebensversicherung erhält, kommt es zum einen auf die Art der Lebensversicherung an, die vertragliche Ausgestaltung und die Frage, ob eine wirksame Besicherung bestellt wurde.

Hierzu im Einzelnen:


2. Die verschiedenen Arten der Lebensversicherung

Es gibt verschiedene Formen von Lebensversicherungen:

a. Reine Risikolebensversicherung

Die reine Risikolebensversicherung sichert den Tod der versicherten Person ab. Das Versicherungsunternehmen zahlt, wenn die versicherte Person stirbt. Es handelt sich also um eine Versicherung auf den Todesfall.

b. Kapitalbildende Lebensversicherung

Bei der kapitalbildenden Lebensversicherung, der Lebensversicherung auf den Erlebensfall, zahlt die Versicherungsgesellschaft, wenn die versicherte Person einen bestimmten Tag erlebt (sog. Versicherung auf den Erlebensfall).

c. Kombinierte Lebensversicherung

Schließlich gibt es auch die kombinierte Lebensversicherung auf den Erlebens- und Todesfall, bei der das Versicherungsunternehmen bezahlt, wenn die versicherte Person bis zu einem bestimmten Tag stirbt, und wenn die versicherte Person den bestimmten Tag erlebt.


3. Die Beteiligten im Versicherungsverhältnis

Der Vertragspartner einer Lebensversicherung ist der sog. Versicherungsnehmer. Dieser ist zur Zahlung der Versicherungsprämien verpflichtet.

Die versicherte Person ist diejenige, auf deren Leben die Versicherung abgeschlossen wird (vgl. § 150 VVG). Das heißt, der Tod oder das Erleben der versicherten Person stellt den Versicherungsfall dar, über die die Versicherungssumme ausgelöst wird.

Die versicherte Person kann mit dem Versicherungsnehmer identisch sein, muss es aber nicht.

Wer versicherte Person ist, entscheidet der Versicherungsnehmer im Rahmen des Versicherungsvertragsschlusses. Die versicherte Person kann bei einer Lebensversicherung nach Vertragsschluss nicht mehr geändert werden, da die Versicherungsgesellschaft die Prämien risikoabhängig auf diesen Fall kalkuliert und das Risiko durch die versicherte Person bestimmt wird.


4. Das Bezugsrecht als wesentliches Kriterium für die Begünstigung aus der Lebensversicherung

Die Versicherungssumme wird im Versicherungsfall (Tod oder Erleben der versicherten Person) an den Bezugsberechtigten ausbezahlt. 

Bezugsberechtigt ist entweder der Versicherungsnehmer selbst oder eine dritte Person. 

Wer bezugsberechtigt ist, entscheidet der Versicherungsnehmer durch individuelle Benennung im Versicherungsvertrag. 

Es sind zwei Arten von Bezugsberechtigung zu unterscheiden:

a. Widerrufliches Bezugsrecht

Bei einem widerruflichen Bezugsrecht kann der Versicherungsnehmer die bezugsberechtigte Person ohne deren Zustimmung ändern. Auch eine Zustimmung der Versicherungsgesellschaft ist nicht erforderlich (vgl. § 159 Abs. 1 VVG).

b. Unwiderrufliches Bezugsrecht

Bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht kann der Versicherungsnehmer die Bezugsberechtigung nur noch mit Zustimmung des Bezugsberechtigten ändern.

Das Bezugsrecht bildet die Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Auszahlung aus der Lebensversicherung. Wer Bezugsberechtigter ist, ist im Regelfall auch Anspruchsinhaber für die Auszahlungen aus der Lebensversicherung.


5. Sicherungsabtretung an der Lebensversicherung und deren Rechtswirkung

Eine wirksame (Sicherungs)Abtretung an der Lebensversicherung kann die Auszahlungsberechtigung verschieben.

Die Abtretung von Lebensversicherungsansprüchen muss der Versicherungsnehmer vornehmen, denn er ist Vertragspartner des Versicherungsvertrags und damit Zedent.

Ein Zustimmungserfordernis der versicherten Person ist nicht notwendig. 

Falls nicht der Versicherungsnehmer selbst bezugsberechtigte Person ist, sondern eine begünstigte dritte Person, muss die Bezugsberechtigung widerrufen werden. 

Denn anderenfalls erhielte der Bezugsberechtigte und nicht die Bank im Versicherungsfall die Versicherungssumme. Wenn die Bezugsberechtigung nur widerruflich erteilt war, reicht es, wenn
der Versicherungsnehmer die Bezugsberechtigung widerruft. Dies muss selbstverständlich rechtssicher für den Streitfall dokumentiert werden.

Wurde die Bezugsberechtigung unwiderruflich erteilt, muss der Bezugsberechtigte auf sein Bezugsrecht verzichten. Das Kreditinstitut muss die Zustimmung des Bezugsberechtigten zur Abtretung der Lebensversicherung einholen. Auch dies muss für den Streitfall dokumentiert sein.

Zudem gibt § 13 der Allgemeinen Bedingungen für Lebensversicherungen vor, dass Abtretungen an einer Lebensversicherung gegenüber der Versicherungsgesellschaft in Textform anzuzeigen sind. Ist dies nicht erfolgt, ist die Sicherungsabtretung unwirksam. Es bleibt dann bei der ursprünglichen Auszahlungsberechtigung.

Weiter ist die Besonderheit zu beachten, dass der Versicherungsschein ein Inhaberpapier darstellt (vgl. § 4 Abs. 1 VVG i. V. m. § 808 Abs. 1 S. 1 BGB). Dies bedeutet, dass das Versicherungsunternehmen berechtigt ist, mit befreiender Wirkung an denjenigen zu zahlen, der den Versicherungsschein in Besitz hat und diesen der Versicherung nachweisen kann. Verfügt daher nicht die  Bank über den Versicherungsschein, kann dies ein Auszahlungshindernis und eine Gefährdung der Sicherungsabtretung darstellen.


6. Fazit

Die Fragen rund um die Berechtigung hinsichtlich der Auszahlung eines Guthabenbetrages aus einer bestehenden Lebensversicherung sind schon im Grundfall komplex.

Noch komplizierter kann sich die Rechtslage darstellen, wenn eine Sicherungsabtretung zugunsten eines Kreditinstituts erfolgt ist.

In diesem Fall sind rechtswahrend sowohl die Versicherungsverträge hinsichtlich der Lebensversicherung als auch die Verträge und die Durchführung zur Sicherungsabtretung durch einen fachkundigen Rechtsanwalt zu prüfen.

Denn bereits kleinste Fehler und Unstimmigkeiten können zur Verschiebung der Auszahlungsberechtigung aus einer Lebensversicherung führen.

Für die Beteiligten steht daher viel auf dem Spiel.



Dieser Artikel stellt keine konkrete und individuelle Rechtsberatung dar, sondern gibt lediglich einen groben Erstüberblick über die geschilderte und sehr komplexe rechtliche Materie. Rechtliche Sicherheit für Ihre konkrete Fallkonstellation können Sie nur durch abgestimmte Prüfung und Beratung eines fachkundigen Rechtsanwalts erhalten. 

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Foto(s): Dr. Holger Traub


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