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Wer hat Vorfahrt bei gegenüberliegenden Einfahrten?

  • 2 Minuten Lesezeit
anwalt.de-Redaktion

Wer aus einem Parkplatz oder einer Grundstückseinfahrt in eine öffentliche Straße einbiegt, darf dabei keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährden. Fußgänger und fließender Verkehr, der sich bereits auf der Fahrbahn befindet, haben grundsätzlich Vorrang.

Aber wer hat Vorfahrt, wenn nahezu gleichzeitig zwei Fahrzeuge aus gegenüberliegenden Parkplatzausfahrten auf die Straße einbiegen wollen?

Vom Parkplatz auf die Straße eingebogen

In Konstanz kam es in einer solchen Situation zum Zusammenstoß zweier Verkehrsteilnehmer. Der Kläger bog mit seinem Motorroller vom Parkplatz eines Einkaufsmarktes nach links auf die Straße ein.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand sich ebenfalls eine Parkplatzausfahrt. Von dort bog ein Auto nach rechts auf die gleiche Straße ein, sodass beide schließlich kollidierten.

Schuldfrage nach dem Unfall unklar

Im Anschluss stritten sich die Beteiligten, wer schuld an dem Unfall sei. In der Regel müssen Linksabbieger, in diesem Fall also der Rollerfahrer, besonders vorsichtig sein.

Der Betroffene hielt aber dagegen: Er sei zuerst losgefahren und befand sich bereits über der Mittellinie, als es zu dem Zusammenstoß kam. Tatsächlich bestätigte ein Gutachten, dass sich der Unfall erst auf der dem Autofahrer zugewandten Fahrbahnseite ereignet hatte.

Haftungsverteilung zwischen den Fahrern

Das Landgericht (LG) meinte, beide Verkehrsteilnehmer seien für den Unfall mitverantwortlich, und nahm eine Haftungsverteilung vor. Der Rollerfahrer bekam danach eine Mitschuld von 30 Prozent, der Autofahrer die restlichen 70 Prozent.

Das im Rahmen der Berufung mit der Sache befasste Oberlandesgericht (OLG) sah die Sache in seinem nun veröffentlichten Hinweisbeschluss ebenso. Daraufhin nahm die Beklagtenseite die Berufung zurück, sodass die Entscheidung des LG nun rechtskräftig ist.

Gefährdung war nicht ausgeschlossen

Begründet wird dies mit § 10 Satz 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Danach muss beim Einfahren auf die Straße eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sein. Darauf hatten aber letztlich beide Beteiligten nicht ausreichend geachtet.

Der in § 9 Abs. 4 StVO ausdrücklich geregelte Vorrang des Rechtsabbiegers vor dem Linksabbieger gilt hingegen nach Auffassung des OLG nur für den fließenden Verkehr auf der Straße und war damit hier nicht anwendbar. Die Pflichten bei Einbiegevorgängen auf eine Straße sollen sich ausschließlich aus § 10 StVO ergeben.

Rechtsabbieger hätte hier warten müssen

Damit wären zunächst beide Beteiligten gleichermaßen Schuld an dem Unfall. Bei der konkreten Haftungsverteilung waren allerdings ergänzend Feststellungen aus dem Sachverständigengutachten zu berücksichtigen.

Danach befand sich der linksabbiegende Roller schon zwischen 0,8 und 3 Sekunden auf der Fahrbahn, bevor das entgegenkommende Auto in Bewegung gesetzt wurde. Der Pkw-Fahrer hätte in dieser Situation erst den Roller vorbeilassen und warten müssen, bis wieder ein sicheres Einbiegen auf die Straße möglich gewesen wäre. Aus diesem Grund haftet er nun überwiegend für den Unfall.

Fazit: Wer aus einer Einfahrt auf eine Straße einbiegt, egal ob nach links oder nach rechts, muss darauf achten, dass er keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet. Vorfahrt hat hier der fließende Verkehr auf der Straße, aber nicht ein von der gegenüberliegenden Seite ebenfalls einbiegendes Fahrzeug.

(OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss v. 08.10.2015, Az.: 9 U 64/14)

(ADS)

Foto(s): ©Fotolia.com

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