Wissenszurechnung in Unternehmen

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Das OLG Frankfurt hatte sich mit der Frage der Wissenszurechnung in Unternehmen auseinanderzusetzen. Es ging um die Frage, wann ein Gläubiger bei voll automatisierten Vorgängen Kenntnis erlangt.

Dies spielte in diesem Fall für die Frage der Verjährung nach § 199 BGB eine gewichtige Rolle. Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt in der Regel dann mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Was war geschehen?

Die Parteien stritten im hiesigen Fall um die Frage, wann die Klägerin tatsächlich von den anspruchsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt hatte und eine Wissenszurechnung vorliegt. Die Klägerin war ein Kreditinstitut einer Gläubigerin. Sie nahm die Beklagte, das Kreditinstitut der Schuldnerin, auf Zahlung nach Rückbuchung aufgrund von Lastschriftwidersprüchen im Jahr 2012 mit einer Klage aus dem Jahr 2017 in Anspruch. Hintergrund war, dass die Bank zunächst zugunsten ihres Kunden eine Lastschrift durchführte und hierdurch das Konto des Schuldners bei einer anderen Bank belastete.

Der Schuldner widersprach der Lastschrift gegenüber seiner Bank, wobei dieser Widerspruch zu spät erfolgte. Auf Anweisung der Bank des Schuldners führte die Bank des Gläubigers eine Rückbuchung durch. Die Gläubigerbank musste hingegen den entsprechenden Buchungsbetrag zurückbuchen und dem Kunden wieder gutschreiben. Im Rahmen des Regressprozesses machte die Bank des Gläubigers Erstattungsansprüche gegen die Bank des Schuldners geltend, da diese unberechtigt die Rückbuchung angewiesen hatte. Die Bank des Schuldners erhob die Einrede der Verjährung, da etwaige Regressansprüche aus dem Rücklastschriftverfahren im Jahr 2012 seit Ablauf des 31. Dezember 2015 verjährt gewesen sein sollen.

Wie entschied das OLG Frankfurt zur Wissenszurechnung?

In seiner Entscheidung stellte das Oberlandesgericht Frankfurt einzig auf das Kriterium der Zurechenbarkeit ab (Beschluss v. 25. Januar 2019 – 3 U 145/18).

In seiner Leitentscheidung heißt es: „Die verjährungsauslösende Kenntnis einer Bank von vollautomatisiert ablaufenden Vorgängen tritt bereits ein, wenn die entsprechenden Informationen aus dem eigenen Datenbestand abrufbar sind. Diese Informationen sind den Organen der Bank zurechenbar.“

Demnach muss die Kenntnis der Person des Gläubigers vorliegen, in diesem Fall beim organschaftlichen Vertreter einer juristischen Person. Handelt es sich dabei um ein Unternehmen, kommt es je nach innerbetrieblicher Organisation auf den zuständigen Bediensteten. Dabei können auch mehrere Angestellte aus verschiedenen Abteilungen stellvertretende Personen sein, die als Wissensvertreter mit der Vorbereitung und Verfolgung von Ansprüchen betraut sind.

So können Ansprüche gegen Dritte dann verjähren, wenn Informationen zum Anspruch im automatisiert erzeugten Datenbestand erst verspätet geprüft werden, obwohl sie bereits Teil der Datenbank sind.

Der Bank des Schuldners lagen laut OLG Frankfurt zum Zeitpunkt der Rückbuchung alle Informationen hinsichtlich der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Widerspruchs gegen die Lastschrift vor, namentlich bereits im Jahr 2012. Nach Ansicht des OLG war demnach der Regressanspruch seit Ablauf des 31. Dezembers 2015 verjährt. Die Bank des Gläubigers müsse sich die in ihrem Datenbestand befindlichen Informationen zurechnen lassen, sodass sie bereits im Jahr 2012 Kenntnis von allen relevanten Umständen gehabt hatte.

Bisherige Linie

§ 199 BGB stellt auf Kenntnis des Anspruchsinhabers ab. Gerade dann, wenn es sich um ein großes Unternehmen handelt, ist die Frage im Raum, wann vorliegende Informationen Geschäftsleitungen oder anderen Personen des Unternehmens zugerechnet werden können.

Rechtsanwalt Guido Kluck, LL.M. erklärt: „Bislang wurde eine Wissenszurechnung gemäß § 166 BGB im Verjährungsrecht abgelehnt. Mit der Aufspaltung von Unternehmen in verschiedene Abteilungen oder Filialen geht auch die organisatorische Aufspaltung der Zuständigkeiten der einzelnen Mitarbeiter bzw. im Fall einer juristischen Person der einzelnen Organe einher. Das Wissen um bestimmte Zusammenhänge ist in der Regel damit auf verschiedene Personen aufgeteilt. In diesen Fällen ist der Vertragspartner einer Personengesellschaft oder juristischen Person schlechter gestellt als der Vertragspartner einer natürlichen Person.“

Zum Schutz des Rechtsverkehrs wird dieser Nachteil dadurch ausgeglichen, dass der juristischen Person bzw. Personengesellschaft das Wissen auch der Mitarbeiter zugerechnet wird, die am Abschluss eines Vertrags selbst nicht beteiligt sind, wenn sie sich in derselben Abteilung befinden.

Wenn aber keine Mitarbeiter mehr damit betraut sind, bestimmte automatisierte Vorgänge abzuwickeln und die relevanten Tatsachen nur in Dateien festgehalten sind, kann nach Ansicht des OLG das maßgebliche Argument des BGH, mit dem die Zurechnung der Kenntnis anderer Abteilungen abgelehnt wird, nicht eingreifen. Es argumentiert damit, dass die Informationen in diesen Fällen aktenkundig sind und dem entsprechenden Unternehmen vorlagen.

Ausblick

Da die Datenbestände im Zeitalter der Digitalisierung immer umfangreicher werden und der Prozess der Automatisierung weiterwächst, wird diese Rechtsprechung und die Frage der Wissenszurechnung im Rahmen von Verjährungsfragen erhebliche Auswirkungen auf den Umgang mit automatisiert erzeugten Informationen haben. Es wird damit zu rechnen sein, dass Unternehmen innerhalb ihrer vollautomatisierten Vorgänge Sicherheitsverfahren einführen, damit Informationen im Zusammenhang mit Ansprüchen nicht unentdeckt bleiben.

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