Wochenzeitung wird durch Innenminister stigmatisiert

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Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) darf die Lektüre der „Jungen Freiheit“ nicht als „Warnsignal für eine rechtsextreme Gesinnung“ werten. Dies wurde ihm vom Verwaltungsgericht Düsseldorf bei Meidung einse Ordnungsgeldes verboten und gleichzeitig wurde auch geurteilt, dass diese Aussage in einer Rede vor Extremismus-Beauftragten am 25. Mai 2020 rechtswidrig war und diese Rechtswidrigkeit den Extremismus-Beauftragten mitzuteilen ist. Die Junge Freiheit ist die zweitgrößte deutsche Wochenzeitung, erscheint überregional im 37. Jahrgang und hat ihren Sitz in Berlin. Am 25. Mai 2020 fand eine Veranstaltung zur Einführung der Extremismus-Beauftragten beim Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei in Nordrhein-Westfalen statt. Auf dieser Veranstaltung hielt auch Innenminister Reul eine Rede in der er angab, dass „Warnsignalen, die es gab, nicht nachgegangen und diese auch lange Zeit nicht ernsthaft genug gewürdigt wurden“. Darüber hinaus ließ sich Reul zu der Aussage hinreißen: „die JF auf dem Tisch zu haben – das ist nicht so ganz normal“ und implizierte so, dass das Lesen der Wochenzeitung die Junge Freiheit ein Warnsignal für eine rechtsextreme Gesinnung ist.


Gegen die Aussagen des Innenministers von Nordrhein Westfalen erhob die Junge Freiheit Klage vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf ( 1 K 5972/20). 19,2% der Leserschaft der Jungen Freiheit bestehe aus Beamten im gehobenem und höheren Dienst, für die § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG (Beamtenstatusgesetz) gelte. Dort heißt es wie folgt: „Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.“ Auf Basis der Äußerung des Innenministers die instruktiv vor den Extremismus-Beauftragten fiel, müssten Disziplinarmnahmen befürchtet werden.

Der Verwaltungsrechtsweg war in der streitgegenständlichen Angelegenheit eröffnet, da Reul seine Aussagen in dienstlicher Eigenschaft als Innenminister Nordrhein-Westfalens getroffen hat. Folglich ist die angegriffene Äußerung dem öffentlichen Recht und nicht dem Privatrecht zuzuordnen, da sie Teil der Erfüllung öffentlich rechtlicher Aufgaben ist. Da eine Wiederholung der Aussage nicht eindeutig und von vornherein ausgeschlossen werden konnte, bestand seitens der Jungen Freiheit auch ein ausreichendes Rechtsschutzbedürfnis. Insofern war eine Klage vor dem Verwaltungsgericht zulässig.Das Verwaltungsgericht hielt die Klage sowohl im Hinblick auf den geltend gemachten Unterlassungs- als auch auf den Folgenbeseitigungsanspruch für begründet und gab damit der Jungen Freiheit in allen Punkten Recht.


Zugunsten der Klägerin besteht ein sog. öffentlich rechtlicher Unterlassungsanspruch. Dieser ist gewohnheitsrechtlich schon lange anerkannt und ergibt sich aus dem „status negativus“ der Grundrecht als Abwehrrechte gegen den Staat oder einer analogen Anwendung des §1004 I 2 BGB. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Düsseldorf liegen die Voraussetzungen für diesen Anspruch vor, weil ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen der Klägerin erfolgt ist. Die Junge Freiheit wurde durch die Aussage des Innenministers in ihrer grundrechtlich verbürgten Pressefreiheit aus Art. 5 I 2 GG verletzt.


Die Pressefreiheit sichert eine von der öffentlichen Gewalt unabhängige Pressetätigkeit, da diese ein wesentliches Element eines demokratischen Staates darstellt und als „4. Gewalt im Staate“ zur öffentlichen Kontrollinstanz berufen ist. Die Junge Freiheit ist also als Grundrechtsträger vor rechtswidrigen Einflussnahmen des Staates geschützt.


Das Gericht wertete die Aussagen Reus zutreffend dahingehend, dass dieser die Lektüre der Jungen Freiheit als einen Indikator für eine rechtsradikale Gesinnung ansieht. Ein Eingriff sei demnach in jedem Fall gegeben, selbst wenn sich der exakte Wortlaut gar nicht mehr mit hundertprozentiger Sicherheit ermitteln lasse. Der Eingriff ergibt sich schon daher, dass der allgemeine Aussagegehalt als solcher geeignet ist, potentielle Leser der Jungen Freiheit vom Erwerb und Lesen der Zeitung abzuhalten. Das Land Nordrhein-Westfalen brachte vor, die Rede habe sich nicht schwerpunktmäßig mit der Jungen Freiheit befasst. Dies ist ausweislich des Urteils allerdings für einen Eingriff in die Pressefreiheit unbeachtlich.


Dieser Eingriff war auch nicht gerechtfertigt. Eine Rechtfertigung für eine solche Äußerung eines amtlichen Hoheitsträgers wäre nur dann zu bejahen, wenn dieser sich im Rahmen der ihm zugewiesenen Aufgaben bewegt und die rechtstaatlichen Anforderungen an hoheitliche Äußerungen in Form des Sachlichkeitsgebots gewahrt sind. Die Werturteile Reuls in Bezug auf den politischen Charakter der Jungen Freiheit haben nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Düsseldorf „den Boden einer sachlichen Kommunikation verlassen“. Daraus ergibt sich zusammenfassend, dass die Aussagen des Innenministers gegen die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit verstoßen und er diese zu unterlassen hat.


Zusätzlich liegen auch die Voraussetzungen eines öffentlich rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs vor, weshalb der Innenminister seine Aussage zu beseitigen hat. Er hat also den Zustand herzustellen, der vor seiner grundrechtswidrigen Aussage bestand. Der Beklagte wurde daher gerichtlich zur Abgabe einer Erklärung verpflichtet, die die nachteilige Wirkung der abgegebenen Äußerung aufhebt oder zumindest abmildert.


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