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Work-Life-Balance: eine Aufgabe für Unternehmen?

  • 6 Minuten Lesezeit
anwalt.de-Redaktion

An dem Thema Work-Life-Balance kommt man in der heutigen Arbeitswelt nicht mehr vorbei, denn sie ist in aller Munde und steht nicht nur bei Arbeitnehmern ganz weit oben auf der To-do-Liste. Gerade weil sich die jüngeren Generationen schon während ihres Studiums mit der Thematik beschäftigen und immer weniger bereit sind, ihr Leben dem Job zu opfern, befassen sich auch mehr und mehr Unternehmen mit der Materie. Für sie stellen sich vor allem die Fragen, was eigentlich hinter dem groß wirkenden Begriff „Work-Life-Balance“ steckt, ob es sich um eine bloße Modeerscheinung handelt oder um ein Aufgabenfeld, an dem ein modernes Unternehmen nicht mehr vorbeikommt, und welche Vorteile das Thema Work-Life-Balance ihnen bringt. 

Was steht hinter dem Begriff „Work-Life-Balance“?

Der Begriff „Work-Life-Balance“ wird zwar seit Jahren regelmäßig in etlichen politischen Diskussionen, diversen Forschungen und zahlreichen gesellschaftlichen Debatten eingebracht, ein einheitliches oder klares Begriffsverständnis gibt es aber nicht. Vom Wortlaut her geht es bei der Work-Life-Balance um die Balance zwischen zwei verschiedenen Lebensbereichen, die in der modernen Lebenswelt immer mehr ineinander übergehen und verschwimmen. Eine klare Rollentrennung zwischen dem Beruf auf der einen und dem Privatleben auf der anderen Seite gibt es daher im Grunde genommen schon lange nicht mehr. Zum einen werden Anforderungen aus dem Job durch die modernen Telekommunikationstechnologien in das Privatleben übertragen, weil Arbeitnehmer z. B. auch nach Feierabend noch Mails beantworten oder über Handy erreichbar sind. Zum anderen erhalten Arbeitnehmer aber gerade mithilfe dieser Technologien die Möglichkeit, ihre privaten Interessen und Aufgaben wie z. B. Kinderbetreuung, Angehörigenpflege oder Vereinstätigkeit leichter mit dem Job zu vereinbaren, indem sie beispielsweise einen Teil ihrer Arbeit im Homeoffice erledigen. 

Vor diesem Hintergrund versucht die Work-Life-Balance mit verschiedensten Ansätzen und Maßnahmen ein ausgewogenes und gesundes Verhältnis zwischen dem Berufs- und dem Privatleben zu schaffen und die Vereinbarkeit beider Bereiche zu verbessern. Da es sich beim Arbeitsverhältnis per Definition um eine auf Gegenseitigkeit beruhende vertragsrechtliche Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer handelt, kann das Ziel der Work-Life-Balance denkrichtig nur gemeinsam verfolgt und erreicht werden. Der Arbeitnehmer allein kann keine Work-Life-Balance herstellen, sondern ist stets auf die Mitwirkung seines Arbeitgebers angewiesen. So sind beispielsweise flexible Arbeitszeitmodelle, möglichst wenige Überstunden oder Tage im Homeoffice immer vom Einverständnis des Arbeitgebers abhängig. Schon aus diesem Grund ist Work-Life-Balance eine Thematik, mit der sich Arbeitgeber bewusst oder unbewusst auseinandersetzen müssen. Darüber hinaus gibt es aber auch mehrere gute Gründe, warum sich Unternehmen als Arbeitgeber nicht nur gezwungenermaßen mit der Thematik beschäftigen, sondern sich die Schaffung einer guten Work-Life-Balance zur unternehmerischen Aufgabe machen sollten.

Work-Life-Balance als Wettbewerbsvorteil

Im modernen Wirtschaftsleben ist das Angebot einer angemessenen Work-Life-Balance schon lange zum Wettbewerbsvorteil geworden, der sich im Personalbereich am deutlichsten zeigt. Bei vielen Arbeitnehmern steht heutzutage nicht mehr ein hohes Gehalt an erster Stelle, sondern eine optimale Work-Life-Balance. Sie ist deshalb ein wichtiges Element für die Attraktivität eines Arbeitgebers. Auf dem Arbeitsmarkt ist das Angebot von Maßnahmen zur Work-Life-Balance beim Kampf um gutes Fachpersonal fast schon kein Vorteil mehr, sondern ein unabdingbares Muss.  

Fehlende Work-Life-Balance als Kostenfaktor

Der Nutzen von Work-Life-Balance-Angeboten lässt sich aber bei Weitem nicht auf Wettbewerbsvorteile und Marketingeffekte reduzieren. Vielmehr haben solche Angebote für Mitarbeiter auch monetär messbare Effekte, die eine fehlende Work-Life-Balance im Umkehrschluss für Unternehmen zum versteckten Kostenfaktor werden lassen. Ein dauerhaftes Ungleichgewicht der beiden Bereiche Arbeits- und Privatleben sorgt für ungesunden Stress, der im schlimmsten Fall in einer psychischen Erkrankung des betroffenen Mitarbeiters mündet. Solche psychischen Erkrankungen nehmen immer mehr zu. 

Im Jahr 2012 schafften die psychischen Erkrankungen es mit 14 Prozent der Krankschreibungen auf Platz zwei der häufigsten Ursachen für den Krankenschein. Das wissenschaftliche Institut der Allgemeinen Ortskrankenkassen geht davon aus, dass jeder zehnte Arbeitsunfähigkeitstag auf einer psychischen Erkrankung beruht. Für Unternehmen sind diese Erkrankungen ein wahrer Kostenfresser. Erkrankt beispielsweise ein Mitarbeiter an Burn-out, fällt er statistisch vierzig Arbeitstage aus, wobei ein Fehltag im Durchschnitt circa 400 Euro kostet mit der Konsequenz, dass der Burn-out insgesamt etwa 16.000 Euro kostet. Dem Gesundheitsreport der Allianz Deutschland AG und dem Rheinisch Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung zufolge verursachen depressive Mitarbeiter jährlich einen Produktionsverlust von 9,3 Milliarden Euro. 

Dies sind nur zwei plakative Beispiele. Die Work-Life-Balance kann diese Krankheiten zwar nicht in jedem Fall verhindern, in vielen Fällen kann sie ihrer Entstehung aber vorbeugen und entgegenwirken. Die Work-Life-Balance ist deshalb ein Ansatz, mit dem gerade die psychische Gesundheit der Mitarbeiter gefördert werden kann. Das vermeidet nicht nur enorme Kosten. Mit der gesunden Mitarbeiterschaft bleiben Unternehmen auch mittel- und langfristig wettbewerbsfähig, denn gesunde und engagierte Mitarbeiter sind eine tragende Säule erfolgreicher Unternehmen. Dabei ist auch zu bedenken, dass nicht nur die Fähigkeit der Mitarbeiter, ihre Arbeitsleistung zu erbringen, sondern auch deren Motivation eine entscheidende Rolle für die Qualität ihrer Arbeit und damit für ihren quantitativen Beitrag innerhalb der Wertschöpfungskette des Unternehmens spielt. 

Work-Life-Balance als zentrales Handlungsfeld im betrieblichen Gesundheitsmanagement

Darüber hinaus stellt die Herstellung einer guten Work-Life-Balance ein zentrales Handlungsfeld innerhalb des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) dar. Das BGM ist ein eigenständiger Aufgabenbereich innerhalb eines Unternehmens, der sich gezielt um die gesundheitsförderliche Gestaltung von Strukturen und Prozessen sowie die gesundheitsförderliche Befähigung von Beschäftigten kümmert. Inhalt eines BGM ist es, die Gesundheit von Arbeitnehmern zu schützen, indem schädliche Faktoren ausgeschaltet und gesundheitsfördernde Ressourcen verstärkt werden. Damit fasst das betriebliche Gesundheitsmanagement als Begriff alle Aufgabenbereiche zusammen, die sich mit Gesundheitsfragen im Unternehmen beschäftigen. 

Aus rechtlicher Sicht gehört das BGM als solches nicht zum Pflichtenprogramm eines Arbeitsgebers, jedoch enthält es zahlreiche Einzelbestandteile, die gesetzlich verpflichtend sind. Zu diesen gesetzlich vorgeschriebenen Teilaspekten des BGM gehören vor allem der Arbeitsschutz und das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM). Der Arbeitsschutz ist dabei sehr weit auszulegen und erfasst alle Rechtsnormen, die öffentlich-rechtliche Pflichten des Arbeitgebers begründen, um von der Arbeit ausgehende Gefahren zu beseitigen oder zu vermindern. Zu diesen Gefahren gehört mittlerweile auch der arbeitsbedingte Stress, dem mit Maßnahmen der Work-Life-Balance entgegengewirkt werden soll. Der gesetzlich vorgeschriebene Arbeitsschutz umfasst deshalb längst nicht mehr nur den rein technischen Bereich, sondern auch die menschengerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes und der Arbeitsbedingungen. Dabei steht der Arbeitsschutz in der modernen und vernetzten Arbeitswelt vor grundlegenden neuen Herausforderungen, denn gerade die psychischen Belastungen durch Zeit- und Leistungsdruck haben in den letzten Jahren immer größere öffentliche und politische Aufmerksamkeit gefunden und spiegeln sich in neuen Rechtsvorschriften wider. So sind Arbeitgeber z. B. seit einer Änderung des Arbeitsschutzgesetzes 2013 auch zu einer psychischen Gefährdungsbeurteilung verpflichtet. 

Die Work-Life-Balance spielt auch eine große Rolle im betrieblichen Eingliederungsmanagement, das zu den Kernstücken eines effizienten BGM gehört, weil dieses die einzelnen Durchführungsschritte des BEM steuert. Das betriebliche Eingliederungsmanagement spielt eine zentrale Rolle im Bereich der personenbedingten Kündigung wegen Krankheit, denn es ist ein rechtlich regulierter Suchprozess, mit dem individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung einer künftigen Arbeitsunfähigkeit ermittelt werden sollen. Das betriebliche Eingliederungsmanagement ist zwar selbst kein milderes Mittel zur Kündigung, mit ihm sollen aber solche milderen Mittel im Vergleich zur krankheitsbedingten Kündigung erkannt und entwickelt werden. Im Bereich der psychischen Krankheiten kann dies z. B. die Verbesserung der persönlichen Work-Life-Balance des betroffenen Mitarbeiters sein. 

Diese beiden Aspekte aus zwei zentralen Säulen zeigen, dass das „Recht auf Gesundheit“ von Mitarbeitern nicht unterschätzt werden darf, auch wenn das betriebliche Gesundheitsmanagement als solches gesetzlich noch nicht normiert ist und daher auch keine Verpflichtung zur Einführung eines solchen besteht. Zahlreiche Einzelgesetze legen den Unternehmen unterschiedliche Pflichten auf, denen mit einem effizienten betrieblichen Gesundheitsmanagement am besten begegnet werden kann. Hierbei spielen Maßnahmen zur Schaffung einer guten Work-Life-Balance eine zentrale Rolle. 

Fazit: Work-Life-Balance ist eine Thematik, an der in der heutigen Wirtschafts- und Arbeitswelt kein Unternehmen mehr vorbeikommt. Dabei bringt die Schaffung einer gesunden und ausgeglichenen Balance zwischen Berufs- und Privatleben für die eigenen Mitarbeiter einem Unternehmen weit mehr als einen Wettbewerbsvorteil auf dem raren Arbeitsmarkt. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht schlägt sie sich in niedrigeren Kosten und höheren Umsätzen nieder. Aus rechtlicher Perspektive unterstützt sie Unternehmen dabei, den sich ständig ändernden und verschärfenden gesetzlichen Vorgaben innerhalb des betrieblichen Gesundheitsmanagements gerecht zu werden.  

(THE)

Foto(s): fotolia.com

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