Zahlungsunfähigkeit: Definition, Rechtsprechung, Beurteilung, Gefahren, Beseitigung

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1. Woher kommt Begriff?

Solvendo non esse ( lat ) = zahlungsunfähig sein

2. Wie definierte die alte Rechtsprechung (BGH von 1956) Zahlungsunfähigkeit?

"Zahlungsunfähigkeit ist das auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende, dauernde Unvermögen des Schuldners, seine sofort fälligen Geldschulden im Wesentlichen zu begleichen."

3. Wie wird Zahlungsunfähigkeit aktuell definiert in § 17 Abs. 2 InsO?

"Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen."

In der Regel ist von einer Zahlungsunfähigkeit auszugehen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Zahlungsunfähigkeit ist im Rahmen des § 17 InsO immer Geldilliquidität.

Zu den baren Zahlungsmitteln sind alle Vermögensgegenstände zu zählen, die kurzfristig liquidierbar sind.

4. Was sagt der Bundesgerichtshof aktuell?

Der BGH hat entschieden, dass für die Zahlungsunfähigkeit bereits genügt, wenn weniger als 10 % der fälligen Schulden offen bleiben und nicht innerhalb der nächsten drei Wochen nachbezahlt werden können. Die Zahlungsunfähigkeit ist ein Insolvenzgrund gemäß § 17 InsO.

5. Wie beurteilt man die Zahlungsunfähigkeit?

Es gibt einen Prüfungsstandard zur Beurteilung eingetretener oder drohender Zahlungsunfähigkeit.

Die Beurteilung, ob Zahlungsunfähigkeit vorliegt, erfolgt auf Grundlage eines Finanzstatus und eines darauf aufbauenden Finanzplans.

Wenn der Finanzstatus keine Liquiditätslücke ausweist, liegt keine Zahlungsunfähigkeit vor.

Wenn der Finanzstatus zeigt, dass am Stichtag die fälligen Verbindlichkeiten mit den zur Verfügung stehenden liquiden Mitteln nicht bedient werden können, liegt eine Zahlungsunfähigkeit nicht vor, wenn auf Basis des Finanzplans davon ausgegangen werden kann, dass die Liquiditätslücke innerhalb des vom Bundesgerichtshof zugestandenen Prüfungszeitraums von drei Wochen zumindest bis auf einen geringfügigen Rest ausgeglichen wird.

Daher ist die Beurteilung der Liquiditätslage zum Stichtag auf der Grundlage des Finanzstatus durch eine Beurteilung der künftigen Entwicklung auf der Grundlage eines Finanzplans zu ergänzen.

6. Wer prüft die Zahlungsunfähigkeit?

Idealerweise muss der Geschäftsführer die Zahlungsfähigkeit regelmäßig prüfen - erst Recht in Krisensituationen. Die zusätzliche Einschaltung von insolvenzrechtlich versierten Rechtsanwälten ist dringend angeraten.

7. Sind bei der Beurteilung auch künftige fällige Verbindlichkeiten in die Betrachtung einzubeziehen?

Es gibt Auffassungen, die bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit auf der Passivseite nicht nur die zum Stichtag fälligen Verbindlichkeiten einstellen, sondern auch die innerhalb der nächsten drei Wochen fällig werdenden Verbindlichkeiten - die sogenannten Passiva II.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind "im Rahmen einer Liquiditätsbilanz die aktuell verfügbaren und kurzfristig verfügbar werdenden Mittel in Beziehung gesetzt zu den an demselben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten" bzw es sind die "im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren und innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel in Beziehung zu setzen zu den am selben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten" (BGH, Urteil v. 12.10.2006, Az.: IX ZR 228/03).

Das bedeutet, dass die Passiva II nicht in die Liquiditätsbilanz einzustellende Passiva sind.

8. Was sind die Gefahren der Zahlungsunfähigkeit?

Nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit sind eine Vielzahl von geleisteten Zahlungen und gestellten Sicherheiten anfechtbar, §§ 130, 131 InsO.

Für alle Zahlungen nach Insolvenzreife droht dem Geschäftsführer die persönliche Haftung und die Verurteilung wegen Insolvenzverschleppung.

Der Rechtsanwalt einer insolventen Kapitalgesellschaft ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass diese bei Zahlungsunfähigkeit den fälligen Insolvenzantrag auch stellt (vgl BGH, Urteil v. 12.10.2006, Az.: IX ZR 228/03; ZIP 2001, 33).

9. Wie kann die Zahlungsunfähigkeit beseitigt werden?

Aktivseite

  • Verbesserung Inkasso offener Forderungen
  • Verkauf von nicht benötigtem Anlagevermögen
  • Sonderverkäufe aus dem Warenlager

Passivseite

  • Verlängerung Zahlungsfristen; Stundungsvereinbarung
  • Erhöhung Kreditrahmen
  • Gesellschafterdarlehen
  • Sale-and-lease back
  • Verzicht auf Entgeltbestandteile durch das Personal
  • Bürgschaften und Fördermittel durch die öffentliche Hand

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