Zur Fürsorgepflicht des Reitlehrers beim Springtraining

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KG Berlin, Beschl. v. 02.03.2017 – 11 U 5/16

Sachverhalt:

Der Kläger nahm bei dem Beklagten, einem sehr erfahrenen und versierten Reitlehrer, eine Trainingseinheit im Springreiten. In der Reitstunde baute der Trainer einen In-Out-Sprung auf, der aus einem ca. 30cm hohen Cavaletti und einem höheren Steilsprung bestand. Der Abstand zwischen beiden Sprüngen betrug ca. 2,40m. Der Kläger sollte mit seiner Stute zunächst das Hindernis aus dem Trab anreiten, wobei die Stute zunächst das Cavaletti umstieß. Danach ritt der Kläger zweimal aus dem Galopp an, was problemlos funktionierte. Daraufhin erhöhte der Trainer den hinteren Steilsprung leicht auf etwa 80cm. Als der Kläger das Hindernis erneut aus dem Galopp überwand, riss die Stute die obere Stange des Steilsprungs mit dem Vorderbein, stolperte über die Stange und stürzte auf den Kläger, welcher sich erheblich verletzte. Der Kläger begehrte von dem Trainer Schmerzensgeld und Schadensersatz, da er der Auffassung war, der Reitlehrer habe den Sturz dadurch verursacht, dass er die Abstände zwischen den Sprüngen falsch abgemessen hat.

Entscheidung:

Sowohl das erstinstanzliche Landgericht Berlin, als auch das Berufungsgericht haben die Klage gegen den Reitlehrer abgewiesen, da der Kläger nicht beweisen konnte, dass der Beklagte die ihm obliegenden Verkehrssicherungspflichten verletzt hat und damit für den Sturz des Klägers verantwortlich war.

Zwischen Kläger und Beklagtem ist ein Dienstvertrag gemäß § 611 Abs. 1 BGB zustande gekommen, da der Beklagte in erster Linie eine Unterrichtsleistung schuldete und nicht etwa einen konkreten Ausbildungserfolg. Ein Schadensersatzanspruch kann dabei entstehen, wenn der Dienstleister eine Pflichtverletzung durch Verletzungen der allgemeinen Verkehrssicherungspflichten begeht. Wann im Rahmen einer Springstunde eine Verkehrssicherungspflicht verletzt ist, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab und bemisst sich unter anderem an einer Gesamtschau von Art der Übung, Alter und Ausbildungsstand von Pferd und Reiter. Vorliegend hatte der Kläger das Hindernis schon dreimal ohne größere Probleme überwunden, der kurze Abstand war dem Reiter daher bewusst, sein Pferd war auch bereits in der Vergangenheit über Sprünge bis zu einer Höhe von etwa 1,05m gesprungen und auch der Reiter war durchaus erfahren, wenn auch weniger im Springreiten als im Dressurreiten.

Fraglich war jedoch, ob der Abstand zwischen dem Cavaletti und dem Steilsprung pflichtwidrig zu eng gewählt war, denn die Richtlinien für Reiten und Fahren von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) sehen „regelmäßig“ eine Distanz von 3 m oder mehr für ein In-Out vor. Die Sachverständigen haben ausgeführt, dass es sich bei den Richtlinien der FN lediglich um Empfehlungen handele. Der Trainer könne individuell an Pferd und Reiter die Abstände anpassen und zum Beispiel im Rahmen der Gymnastizierung des Pferdes auch verkleinern. Einen „ordnungsgemäßen“ Abstand zwischen Cavaletti und folgendem Sprung gibt es daher nicht, vielmehr muss der Trainer diesen nach Größe des Pferdes, Ausbildungsstand und Trainingsziel wählen. Bei den Richtlinien der FN handelt es sich gerade nicht um Richtlinien im juristischen Sinne. Der Reitlehrer war auch nicht dazu verpflichtet, den Reiter vorher besonders darauf hinzuweisen, dass er den Sprung erhöht hatte, denn die Erhöhung war so gering, dass sie keinen Einfluss auf den Sprungablauf haben konnte. Ein bei der Reitstunde aufgezeichnetes Video hatte ebenfalls bestätigt, dass die Stute nicht aufgrund des zu geringen Abstands gestürzt war, sondern weil sie unaufmerksam war. Das Pferd war trotz des geringen Abstands dreimal problemlos über die Hindernisse gesprungen und war auch beim vierten Versuch passend abgesprungen. Jedenfalls war es nicht ersichtlich, dass Pferd oder Reiter durch den verringerten Abstand überfordert gewesen sein sollen. Vielmehr verwirklichte sich bei dem Sturz lediglich das Risiko, das dem Reitsport immanent ist, ohne dass der Beklagte dafür haften muss.


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