Zur Verwertbarkeit von Zeugenaussagen

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Das Strafgericht hat in seinem Urteil seine Entscheidung zu begründen.

Oft kommt es vor, dass das Gericht seine Entscheidung hauptsächlich auf die Aussage von Zeugen stützt, da sich der Angeklagte selbst zur Sache nicht einlässt.

Um mögliche Rechtsmittel geltend zu machen, muss der Strafverteidiger darauf achten, ob die Aussagen der Zeugen überhaupt verwertbar sind.

Folgende Konstellationen sind denkbar:

  • Dürfen die Angaben eines Zeugen, der nicht über ein ihm zustehendes Auskunftsverweigerungsrecht belehrt wurde, verwertet werden und wie kann dieser Zeugenbeweis in das Verfahren eingeführt werden?
  • Dürfen die Angaben eines über ein Zeugnisverweigerungsrecht belehrten oder zu Unrecht nicht belehrten Zeugen verwertet werden, wenn dieser sich später auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft?
  • Können Zeugenaussagen aufgrund einer Fernwirkung des Verwertungsverbotes unverwertbar sein?

Die Belehrung nach §57 StPO

Die Belehrung nach §57 StPO beinhaltet, dass der Zeuge in seiner Vernehmung die Wahrheit sagen muss, da eine unvollständige oder falsche Aussage strafrechtliche Folgen haben kann.

Wird es vergessen den Zeugen nach §57 StPO zu belehren, begründet dies keinesfalls ein Verwertungsverbot der Aussage im Verfahren gegen den Beschuldigten.

Bei §57 StPO handelt es sich um eine ausschließlich im Interesse des Zeugen erlassene Ordnungsvorschrift.

Das Auskunftsverweigerungsrecht nach §55 StPO

Die Belehrung nach §55 StPO beinhaltet das Recht des Zeugen nichts zu sagen, wenn er gegen sich selbst oder gegen nahe Angehörige, die nicht Beschuldigte des Verfahrens sind, aussagen müsste.

Wenn der Zeuge von diesem Recht Gebrauch macht, stellt sich die Frage nicht, ob der Zeuge die Auskünfte zu Recht verweigert hat. Da der Zeuge keine Angaben macht, gibt es auch keine auswertbaren Informationen. Dem Zeugen, der von seinem Recht nach §55 StPO Gebrauch macht, darf dies nicht negativ angelastet werden, sodass sich weitere Fragestellungen hierzu erübrigen.

Die Vorschrift dient allein dem Schutz des Zeugen vor Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die er bereits vor seiner Vernehmung begangen hat. Die Vorschrift soll den Zeugen dagegen nicht davor schützen, eine falsche Aussage zu machen.

Bei der Verwertbarkeit der Aussage des Zeugen stellt sich vielmehr die Frage, was mit den Angaben des zur Sache aussagenden Zeugen passiert, wenn dieser hätte über sein Auskunftsverweigerungsrecht belehrt werden müssen und dies nicht geschehen ist.

Die Belehrungspflicht des §55 StPO greift erst dann, wenn ein Auskunftsverweigerungsrecht besteht oder in Betracht kommt. Der Richter muss den Zeugen nicht pauschal über dieses Recht informieren, wenn kein Anlass dazu besteht.

Das Unterlassen einer Belehrung nach §55 StPO begründet kein Verwertungsverbot der Zeugenaussage in dem Verfahren gegen den Beschuldigten.

Dies wird damit begründet, dass die Vorschrift des §55 StPO nicht dem Schutz des Beschuldigten dient.

Dies gilt auch dann, wenn der Zeuge zunächst Angaben macht, ohne belehrt worden zu sein und sich dann in einer späteren Vernehmung auf sein Auskunftsverweigerungsrecht beruft. Einmal gemachte Angaben bleiben verwertbar. §252 StPO findet keine Anwendung, was bedeutet, dass der Richter dem Zeugen Vorhalte aus einer früheren Vernehmung machen darf und auch die Verhörsperson der früheren Vernehmung befragt werden darf.

Die Aussage des Zeugen gegen sich selbst, ohne entsprechende Belehrung, wird aber sehr wohl zur Unverwertbarkeit in dem eigenen Verfahren gegen ihn führen.

Das Zeugnisverweigerungsrecht nach §52 StPO

Das Zeugnisverweigerungsrecht berücksichtigt die Zwangslage des Zeugen, der zur Wahrheit verpflichtet ist, aber befürchten muss, dadurch dem beschuldigten Angehörigen zu schaden.

Das Zeugnisverweigerungsrecht besteht für Verlobte, Ehegatten und Lebenspartner, Verwandte und Verschwägerte.

Für das Recht zur Zeugnisverweigerung ist der Zeitpunkt der Vernehmung maßgeblich, nicht der Zeitpunkt der Tat.

Was passiert mit der Aussage eines Zeugen, der nicht über das Recht aus §52 StPO belehrt worden ist?

Was passiert mit der früheren Aussage eines belehrten Zeugen, der sich bei einer späteren Vernehmung auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft?

Was passiert mit freiwilligen Angaben des Zeugen?

Anders als bei §55 StPO ist jeder Zeuge stets vor seiner Aussage über sein Recht nach §52 StPO zu belehren.

Der Verstoß gegen das Belehrungsgebot nach §52 StPO führt zu einem Verwertungsverbot.

Hat ein Zeuge in einer früheren Vernehmung vor dem Polizeibeamten Angaben gemacht und beruft sich dieser in seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung auf sein bestehendes Zeugnisverweigerungsrecht, dürfen ihm aus seiner früheren Aussage gemäß §252 StPO keine Vorhalte gemacht werden. Auch die Vernehmungsperson darf hierzu nicht angehört werden.

Verwertbar bleiben jedoch Angaben des Zeugen, die dieser freiwillig, außerhalb einer Vernehmung gemacht hat, in dem er beispielsweise der Polizei in einem Brief freiwillige Hinweise erteilt hat. Spontane Äußerungen des Zeugen können über die Vernehmung des wahrnehmenden Zeugen in den Prozess eingeführt werden. Angaben die der Zeuge gemacht hat, ohne dass er belehrt worden ist, dürfen nicht verwertet werden.

Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Zeuge, dem ein Zeugnisverweigerungsrecht tatsächlich zustand und er hierüber auch ordnungsgemäß belehrt wurde, von einem Richter vernommen wird und diese Vernehmung richterlich protokolliert wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dürfen diese Vernehmungsprotokolle zu Beweiszwecken in die Hauptverhandlung eingeführt werden.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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