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Zweite Rente übersehen: Darf der Steuerbescheid geändert werden?

  • 2 Minuten Lesezeit
anwalt.de-Redaktion

Die Finanzbehörden erhalten viele Daten inzwischen elektronisch – von Bürgern, Arbeitgebern und auch anderen Behörden. Das soll Fehler vermeiden, funktioniert aber auch nicht immer reibungslos.

Elektronische Datenübermittlung an das Finanzamt

Eine Dame bezog erstmals im Jahr 2011 ihre normale Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Zusätzlich erhielt sie aufgrund ihrer ehemaligen Beschäftigung im öffentlichen Dienst Rentenleistungen der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL).

Beides gab die Rentnerin pflichtbewusst in ihrer Einkommensteuererklärung an, da die Renten teilweise steuerpflichtig sind. Während die VBL ihre Daten bereits elektronisch an das zuständige Finanzamt geschickt hatte, ließ die Datenübermittlung der DRV noch auf sich warten.

Sachbearbeiter prüfte nur elektronische Daten

Bei der zwischenzeitlich erfolgten Bearbeitung des Falls übersah der zuständige Finanzbeamte offenbar, dass die Frau auch eine Rente von der DRV erhielt und setzte die Einkommensteuer nur aufgrund der deutlich niedrigeren VBL-Rente fest.

Als der Fehler bei Routineüberprüfungen im Jahr 2014 auffiel, war der Einkommensteuerbescheid bereits bestandskräftig geworden. Trotzdem wollte die Behörde nicht aufgeben und den Bescheid korrigieren. Die Dame war natürlich wenig davon begeistert, nun auch ihre DRV-Rente versteuern zu müssen, und wehrte sich gegen die nachträgliche Änderung.

Änderung bestandskräftiger Steuerbescheide

Das Finanzgericht (FG) Münster musste nun klären, ob trotz Bestandskraft noch eine Korrektur des Bescheids möglich war.

Nachträgliches Bekanntwerden

Soweit erst nachträglich Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen, ist eine Korrektur gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) grundsätzlich möglich.

Nachdem die Dame in ihrer Steuererklärung allerdings beide Renten angegeben und damit alle Tatsachen offengelegt hatte, kam eine Änderung nach dieser Vorschrift nicht mehr in Betracht.

Offensichtliche Unrichtigkeiten

Gemäß § 129 AO können offenbare Unrichtigkeiten jederzeit korrigiert werden. Ausdrücklich erwähnt werden vom Gesetz an dieser Stelle Schreib- und Rechenfehler, also insbesondere mechanische Versehen. Rechtsirrtümer dürfen dagegen nicht unter Berufung auf diese Vorschrift korrigiert werden.

Fehlende Sachverhaltsaufklärung im Finanzamt

In dem entschiedenen Fall sind mehrere Hinweise des Computersystems dokumentiert, die den Sachbearbeiter zu einer konkreteren Kontrolle des Steuerfalls hätten veranlassen müssen. Offenbar hatte der Beamte die Hinweise jeweils mit „geprüft“ kommentiert und weiter auf die elektronisch übermittelten Daten vertraut, ohne die von der Steuerpflichtigen abgegebene Steuererklärung genauer anzusehen.

Der Fehler war damit nicht mit einem mechanischen Versehen, wie einem Zahlendreher oder Schreibfehler, zu vergleichen. Vielmehr wurde der Sachverhalt durch die Behörde trotz entsprechender Hinweise nicht ausreichend aufgeklärt. Der daraus entstandene Fehler kann nicht mehr korrigiert werden, sodass der Rentnerin für das Streitjahr nach dem Urteil keine höhere Steuerfestsetzung mehr droht.

Fazit: Hat der Steuerpflichtige in seiner Erklärung alle Angaben richtig und vollständig gemacht, die Behörde aber den Sachverhalt nicht ausreichend geprüft, kann ein bestandskräftiger Steuerbescheid in der Regel nicht mehr zum Nachteil des Steuerpflichtigen geändert werden.

(FG Münster, Urteil v. 21.07.2016, Az.: 9 K 2342/15 E)

(ADS)

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