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Darf man zu viel gezahlte Rente behalten?

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anwalt.de-Redaktion

Wer aufgrund eines Fehlers zu viel Geld von der Rentenversicherung ausbezahlt bekommt, muss es nicht unbedingt zurückzahlen. Das gilt zumindest dann, wenn die fehlerhafte Berechnung für den Rentner nur schwer erkennbar war und die Behörde nicht innerhalb eines Jahres reagiert, nachdem ihr die Umstände bekannt werden.

EM-Rente und Weihnachtsgeld

Das Sozialgericht (SG) Gießen gab einer Rentnerin Recht, die sich gegen eine Rückforderung der Deutschen Rentenversicherung wehrte. Laut einem Rentenbescheid aus dem Jahr 2006 sollte die Betroffene eine Erwerbsminderungsrente erhalten – und zwar rückwirkend ab September 2005.

Im November 2005 hatte sie noch eine im damaligen Arbeitsvertrag vereinbarte Gratifikation erhalten und das nach eigenen Angaben der Rentenversicherung auch mitgeteilt. Die Kopie eines Schreibens hat die Klägerin im Prozess vorgelegt, auch wenn das Original in den Akten der Behörde nicht auffindbar war. Spätestens ab Oktober 2006 allerdings hatte die Verwaltung aufgrund einer Entgeltmeldung Kenntnis von der Zahlung. Das wurde in der Rentenakte dokumentiert, passiert war trotzdem zunächst nichts.

Rückforderung nach 5 Jahren

Wegen der Einmalzahlung war im November 2005 die Hinzuverdienstgrenze überschritten und die Betroffene hätte folglich nur drei Viertel der Rente erhalten dürfen. Diesen Fehler bemerkte die Behörde aber erst Jahre später bei einer routinemäßigen Überprüfung. Nach einer schriftlichen Anhörung der Betroffenen nahm die Behörde im Jahr 2012 den Rentenbeschied für November 2005 zurück und verlangte die Erstattung der überzahlten 212,05 Euro.

Die Rentnerin legte dagegen Widerspruch ein. Der Widerspruchsbescheid brachte jedoch nicht das erhoffte Ergebnis, stattdessen bestand die Behörde weiterhin auf ihrer Forderung. Die Klage vor dem Sozialgericht war dagegen erfolgreich.

Vertrauen auf den Rentenbescheid

Ein begünstigender Verwaltungsakt darf nicht so einfach zurückgenommen werden, selbst wenn er rechtswidrig sein mag. Verhältnismäßig einfach ist es, wenn der Betroffene die Begünstigung durch arglistige Täuschung, Drohung oder gar Bestechung ergaunert hat. Auch unrichtige oder unvollständige Angaben im Verwaltungsverfahren können eine Rücknahme begründen, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig gemacht wurden.

Die Behörde wollte sich in diesem Fall auf eine weitere Möglichkeit berufen: Wer nämlich die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes kennt oder nur aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht kennt, der ist nicht schützenswert, sagt das Gesetz. Der entsprechende Bescheid könne dann aufgehoben und zu viel gezahlte Gelder zurückgefordert werden.

Keine grobe Fahrlässigkeit der Rentnerin

Das Gericht aber sah hier vor allem die Behörde in der Verantwortung. Der insgesamt 29-seitige Rentenbescheid enthielt zwar auf Seite 19 einen Hinweis auf die Hinzuverdienstgrenze. Die Berechnung bleibt aber trotzdem kompliziert und der Fehler sprang keineswegs ins Auge, sondern war eher versteckt in dem Bescheid. So war der Rentnerin keine grobe, sondern wenn überhaupt nur leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Zur Aufhebung des begünstigenden Verwaltungsaktes genügte die aber nicht.

Außerdem handelte die Behörde schlicht zu langsam. Innerhalb eines Jahres ab Kenntnis der Tatsachen muss sie tätig werden und zumindest das Anhörungsverfahren einleiten. Hier war die Sonderzahlung seit spätestens 2006 bekannt, Anhörung und Rücknahme erfolgten aber erst 2012. Viel zu spät, befand das Gericht, sodass die Klägerin ihre zu viel erhaltene Rente nicht zurückzahlen musste.

(SG Gießen, Urteil v. 30.07.2014, Az.: S 4 R 451/12)

(ADS)

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