Das Dilemma zwischen Arbeitgeberinteressen und konträren Versicherungsvermittlerinteressen in der betrieblichen Altersversorgung

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Betriebliche Altersversorgung ist ein mehrdimensionales Thema, das neben der Betriebswirtschaft auch verschiedene Rechtsgebiete berührt und das, wie die jüngste Vergangenheit zeigt, Arbeitgeberhaftung in vielerlei Hinsicht auslöst. Siehe hierzu https://www.anwalt.de/rechtstipps/haftung-des-arbeitgebers-in-der-betrieblichen-altersversorgung-und-minimierungsstrategien_185184.html

Ausgangspunkt sind häufig bereits grundsätzlich "falsche Berater", denen meist arbeitsrechtliches und steuerliches Grundlagenwissen fehlt und die häufig auch über wenig Wissen hinsichtlich der verschiedenen Problematiken in den unterschiedlichsten Tarifen verfügen. Darüberhinaus ist eine weitere große Ursache von vielen Haftungsfällen und vermeidbaren Problemen die grundsätzlich unterschiedliche Interessenlage von Versicherungsvermittlern einerseits und Arbeitgebern andererseits.

1. Die grundsätzlichen Arbeitgeberinteressen

Die Interessen der Arbeitgeber sind meist relativ einfach und überschaubar.
Der Arbeitgeber möchte meist den Rechtsanspruch seiner Arbeitnehmer auf betriebliche Altersversorgung erfüllen und - wie sich in der Praxis zeigt - meist wenig mit der ganzen Angelegenheit zu tun haben. In Bezug auf bAV will er einfach möglichst seine Ruhe haben. Der Arbeitgeber kümmert sich häufig nicht um die Chancen und betriebswirtschaftlichen Möglichkeiten, die ihm eine betriebliche Altersversorgung bietet und kümmert sich auch wenig um die Haftungsrisiken, die darin schlummern. Für die meisten Arbeitgeber ist die betriebliche Altersversorgung ein lästiges Randthema. Kurz und gut, der Arbeitgeber vertraut darauf, dass alles läuft und es ausreicht, wenn er die Beiträge aus der Entgeltumwandlung und/oder seiner arbeitgeberfinanzierten Leistung pünktlich zahlt. Für ihn ist dann alles erledigt.
Dem ist allerdings nicht so, wie mein Rechtstipp Arbeitgeberhaftung zeigt. Bei der Einrichtung einer betrieblichen Altersversorgung machen Arbeitgeber vielfältige Fehler (siehe hierzu: https://www.anwalt.de/rechtstipps/die-haeufigsten-fehler-bei-der-einrichtung-einer-betrieblichen-altersversorgung_185293.html) mit der Folge, dass nicht nur Chancen ungenutzt bleiben, sondern viele Probleme im Versorgungswerk enthalten sind, die bei entsprechendem Glück auch nicht sofort vom Arbeitnehmer bemerkt werden. (siehe Rechtstipp: https://www.anwalt.de/rechtstipps/die-25-groessten-bav-fehler-und-maengel-der-betrieblichen-altersversorgung-in-versorgungswerken_185712.html)

2. Die grundsätzlichen Interessen der Versicherungsvermittler

Die grundsätzlichen Interessen von Versicherungsvermittlern sind abschlussorientiert. Unabhängig einer wie auch immer gearteten Beratung, der Vermittler verdient regelmäßig dann, wenn ein Vertrag unterzeichnet wird, der Arbeitnehmer sich zu einer Entgeltumwandlung entscheidet oder der Arbeitgeber dem Mitarbeiter eine Versorgung zukommen lässt. Probleme darzustellen sind beim Verkauf hinderlich, Risiken aufzuzeigen erhöht auch das eigene Risiko, dass sich jemand dagegen entscheidet.
Sicherlich können hier nicht alle Versicherungsvermittler gleich betrachtet werden. Manche verfügen über eine gute Ausbildung und umfassendes Spezialwissen, sind Rentenberater und zu einer umfassenden Beratung auch befugt.
Die Praxis zeigt jedoch, dass die Mehrheit über tiefergreifende Kenntnisse in der bAV nicht verfügt und auch die Gesellschaften ihre Vermittler nur insoweit informieren, als dies dem Vertrieb dienlich ist. Versicherungsmakler arbeiten zwar im Interesse des Kunden, doch auch hier liegt die Erfahrung und das umfassende Wissen häufig im Sachversicherungsbereich und weniger im Recht der betrieblichen Altersversorgung.

3. Das Dilemma dieser konträren Interessen an 3 Beispielen

Wer nicht dafür bezahlt wird, den Arbeitgeber umfangreich aufzuklären und für weitegehende Rechtsicherheit und Haftungsfreiheit zu sorgen, sondern ausschließlich durch den Verkauf eines Produktes verdient, ist kaum der geeignete Berater des Arbeitgebers. Wer in manchen Bereichen eine lückenhafte Ausbildung hat oder sogar keine Erlaubnis zur umfassenden (Rechts-) Beratung, wird sicherlich weder ein hinreichend sicheres Versorgungswerk schaffen, noch kann er die volle Verantwortung übernehmen, wenn er nur Muster von Unterlagen verteilt, die die Versicherungs-gesellschaft ohne entsprechende Haftung zur Verfügung stellt.
Wenn ein Arbeitgeber manche Probleme weder kennt noch dafür sensibilisiert ist und der Meinung ist, eine pünktliche Abführung von Beiträgen reicht und alles andere ist Sache des Arbeitnehmers, wird er häufig auch auf verschiedene notwendigerweise zu regelnde Punkte keinen adäquaten Wert legen.
Die Folge aus solcben Konstellationen sind leicht vermeidbare Fehler.

Nachfolgend 3 typische Fehler aus dem Dilemma der unterschiedlichen Interessen:

3.1. Rentendynamik in rückgedeckten Unterstützungskassen

Wer weiß, dass er als Arbeitgeber die Rente entsprechend der Entwicklung der Lebenshaltungskosten dynamisieren muss und nur bei einer garantierten Erhöhung von 1 % aus dieser Verpflichtung der regelmäßigen Rentenanpassung frei kommt, wird sich zwar zu einer Anpassung von 1 % entscheiden, er wird aber einen Tarif wählen, der diese garantierte Anpassung auch tatsächlich garantiert. Er wird sich nicht auf die Hoffnung verlassen, die Überschüsse werden die Erhöhung schon sicherstellen. Er würde auf seiner Sicherheit bestehen.
Wer einen Tarif verkaufen muss, bei dem eine signifikant niedrigerere Rente als Leistung vereinbart wird, die sich garantiert um ein Prozent pro Jahr steigert statt einen Tarif, bei dem eine höhere Rente vereinbart ist, man aber auf die Steigerung und Überschüsse hofft und erklärt, dass durch die Überschüsse die Rente jährlich um rund 1 % steigt, wird mit diesem (ungeeigneten) Tarif erfolgreicher sein, da er augenscheinlich für den Arbeitnehmer attraktiver ist.
Sie hierzu meinen Rechtstipp: https://www.anwalt.de/rechtstipps/rentenanpassung-von-betriebsrenten-und-arbeitgeberhaftung-fuer-rentenanpassung-bei-der-rueckgedeckten-unterstuetzungskasse_185112.html

3.2. Feste garantierte Renten mit Treuhänderklausel

Wer als Arbeitgeber weiß, dass garantierte Renten nicht garantiert sind und dass eine sogenannte Treuhänderklausel Kürzungen der garantierten Renten ermöglicht wie jüngst bei der Allianz (siehe Rechtstipp: https://www.anwalt.de/rechtstipps/das-problem-der-treuhaenderklausel-in-der-bav-am-beispiel-der-allianz_185743.html) wird solche Tarife nicht wählen, stattdessen Kapitalabfindungen - soweit möglich - vereinbaren oder Tarife wählen, bei denen diese Treuhänderklausel nicht beinhaltet ist.
Wer höhere Renten versprechen kann, weil durch kapitalmarktorientierte Anlage Chancen genutzt werden können, allerdings auch mit Rentenkürzungen leicht zu rechnen ist, wenn manches nicht wie gewünscht läuft, wird die damit verbundenen Haftung oder zumindest Haftungsproblematik sicherlich sehr relativiert und zurückhaltend thematisieren.

3.3. Berufsunfähigkeit in bAV Verträgen

Wer als Arbeitgeber versteht, dass er für alle von ihm gemachten Zusagen haftet und weiß, dass er immer arbeitsrechtliche Zusagen macht, denen er sich nicht entziehen kann und der Arbeitnehmer einen sogenannten Verschaffungsanspruch hat, der den Arbeitgeber auch nicht befreit, wenn er keine Schuld an einer bestimmten Entwicklung trägt, wird eine Zusage auf betriebliche Altersversorgung nicht machen. Bei einer derartigen Zusage besteht nämlich das Risiko, dass der Versicherer sich leichter seiner Verpflichtung entziehen kann als der Arbeitgeber. Eine Kongruenz in der Zusage mit dem Versicherungsanspruch ist ebenfalls nicht in Stein gemeißelt und muss in jedem Einzelfall auch erstmal einer Prüfung Stand halten.
Wer dagegen ein Berufsunfähigkeitsrisiko aus dem unversteuerten Brutto abdecken kann und ein zusätzliches Argument gewinnt, einen Abschluss interessant darzustellen, hat in der Berufsunfähigkeit ein gutes Argument, diese sowohl dem Arbeitgeber als auch dem Arbeitnehmer attraktiv darzustellen.
Hierbei wird naturgemäß das damit für den Arbeitgeber verbundene oben dargestellte Haftungsrisiko wenig thematisiert werden.

4. Fazit

Der produktorientierte Blickwinkel harmoniert nicht immer mit der arbeitsrechtlichen Risikosicht. Es gibt eine Vielzahl von Beispielen, die man vermeiden würde, wenn man sich der Tragweite bewusst ist. Produkt-Know-how ist ein wichtiges Know-how von erheblichem Wert, vor allem, wenn es wie bei Maklern auch im Interesse des Kunden genutzt wird. Das Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung ist aber eine gesonderte Disziplin, die den Produkten als fundamentale Grundlage stets vorgeschaltet sein sollte. Auf Basis eines geordneten durchdachten Versorgungssystems unter Zugrundelegung einer spezifischen Versorgungsordnung kann der Produktvermittler tätig werden und das beste und sicherste Produkt nach Maßgabe der Versorgungsordnung empfehlen. 

Eine Zusammenstellung der 25 wichtigsten Fehler in Versorgungswerken finden sie hier: https://www.anwalt.de/rechtstipps/die-25-groessten-bav-fehler-und-maengel-der-betrieblichen-altersversorgung-in-versorgungswerken_185712.html

Die noch immer weit verbreiteten Irrtümer von Arbeitgebern in der bAV finden Sie hier: https://www.anwalt.de/rechtstipps/die-20-groessten-irrtuemer-der-arbeitgeber-in-der-betrieblichen-altersversorgung_185244.html


Gerne überprüfe ich auch Ihr Versorgungswerk oder helfe Ihnen bei der Aufstellung von verbindlichen Regeln für Ihr Versorgungswerk.


Foto(s): AUTHENT

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