Die 20 größten Irrtümer der Arbeitgeber in der betrieblichen Altersversorgung
- 8 Minuten Lesezeit
Im Zusammenhang mit betrieblicher Altersversorgung besteht eine Reihe von Irrtümern. Ihren Ursprung haben sie meist darin, dass viele Arbeitgeber die Bedeutung und Tragweite betrieblicher Altersversorgung falsch einschätzen. Zum Teil sind diese Arbeitgeber falsch, lückenhaft oder gar nicht aufgeklärt worden und häufig wurde auf rechtliche Beratung verzichtet oder man hat sich mit den vertrieblichen Versprechen von Vertretern der Versicherungswirtschaft begnügt.
1. Es gibt keine Zusagen bei uns
Die Meinung sehr vieler Arbeitgeber ist, dass sie überhaupt keine Zusagen machen, sondern lediglich einen Versicherungsvertrag unterzeichnen.
Das ist natürlich falsch.
Regelmäßig ist in den Versicherungsunterlagen eine Zusage enthalten oder man hat andere Dokumente leichtfertig und unreflektiert unterzeichnet.
2. Als Arbeitgeber hat man nichts mit der bAV zu tun
Weiter glauben viele Arbeitgeber, dass sie mit der bAV überhaupt nichts zu tun haben, da es ja nur Entgeltumwandlung sei und damit vollständig das Geld, die Angelegenheit und auch die Verantwortung des Arbeitnehmers.
Das ist natürlich falsch.
Ob Entgeltumwandlung oder Arbeitgeberfinanzierung, es gibt immer eine Zusage des Arbeitgebers, für die er auch haftet.
3. Die pünktliche Abführung der Beiträge reicht, um haftungsfrei zu sein
Viele Arbeitgeber glauben auch, dass sie mit Abführung der monatlichen Beiträge alles getan haben, was sie tun können und damit für sie alles erledigt sei, inkl. der Haftung.
Das ist falsch.
Die Haftung erstreckt sich auf die Zusage. Diese Zusage ist vom Arbeitgeber zu erfüllen. Sie ist verschuldensunabhängig und es spielt dafür keine Rolle, ob die Versicherung Fehler gemacht hat und zu wenig leistet.
4. Wenn der Mitarbeiter die Versicherung auswählt, ist alles gut
Manche Arbeitgeber meinen auch, wenn der Arbeitnehmer für seine Versorgung die Versicherung bzw. den Versorgungsträger und auch Versicherungsmakler auswählt, treffe ihn als Arbeitgeber keine Haftung.
Dies ist falsch.
Der Arbeitgeber macht die Zusage und haftet auch vollumfänglich dafür.
5. Pay and forget
Einige Unternehmer haben von "pay and forget" in den Medien gehört.
Dies betrifft allerdings nur das Sozialpartnermodell, d.h. die sogenannte Nahlesrente, die bislang auf keinerlei Resonanz stieß, da sie eben keine Garantie für den Mitarbeiter enthält.
6. Eine Direktversicherung ist einfach und birgt weder Fehlerpotential noch Haftungsrisiko
Manche Arbeitgeber glauben, Direktversicherung oder Pensionskasse seien einfache Durchführungswege, bei denen keine Fehler gemacht werden können und bei denen nicht viel passieren könne.
Dies ist falsch.
Von der Entgeltumwandlung bis zum Versicherungsvetrag und zum versicherungsvertraglichen Verfahren sind vielfältige Fehler möglich.
7. Die Versicherung übernimmt die Haftung
Manche Arbeitgeber sind der Meinung, sie haben sich eine Bestätigung von der Versicherung geben lassen, die sie vor Haftung schützt und deshalb besteht für sie keinerlei Risiko.
Dies ist falsch.
Eine Haftung erfolgt erst dann, wenn die Versicherung nicht leisten sollte, weil sie nicht kann oder die BaFin eingeschritten ist. Wieviel soll zu dem Zeitpunkt dieses Versprechen wert sein? Soll eine Versicherung tatsächlich mit diesem Schreiben eine Herabsetzung von Leistungen, die die BaFin anordnet, verhindern können?
8. Eine Versicherungsgarantie ist sicher, Garantie ist Garantie
Manche Arbeitgeber sind auch der Meinung, Versicherungsgesellschaften halten ihre Garantien grundsätzlich ein und eine Garantie sei sicher und könne auch nicht reduziert werden.
Dies ist falsch.
Eine Pensionskasse ist auch eine Versicherungsgesellschaft. Schon mehrere Pensionskassen mussten ihre Leistungen herabsetzen. Viele weitere stehen unter Beobachtung der BaFin und auch bei klassischen Versicherungen werden derzeit Garantien reduziert oder Rentenfaktoren gesenkt.
9. Berufsunfähigkeit ist ein unproblematisches Risiko in meiner bAV
Manche Arbeitgeber glauben, dass Zusagen für Berufsunfähigkeitsabsicherung unproblematisch seien, da ja eine Versicherung besteht und diese das Risiko abdeckt.
Dies ist falsch.
Berufsunfähigkeit bietet vielfältige Probleme, von der Ablehnung der Leistung durch den Versicherer (Auseinanderfallen von Anspruch gegenüber der Versicherung und arbeitsrechtlicher Verpflichtung) bis zur Problematik der fehlenden beitragsfreien Leistung nach Ausscheiden bei der Unterstützungskasse.
10. Die Formulare der Versicherer sind korrekt und rechtssicher
Viele Unternehmer sind der Meinung, die Formulare der Versicherer wie Entgeltumwandlung, Verpfändung oder Zusage seien rechtssicher.
Dies ist falsch.
Versicherungsgesellschaften sind nicht zur Rechtsberatung befugt. Die Dokumente sind nicht mehr als allegemeine Muster. Häufig sind sie auch so gekennzeichnet und es wird auf eine notwendige rechtliche Beratung hingewiesen.
11. Eine Versorgungsordnung ist nicht notwendig
Viele Unternehmer sind der Meinung, eine Versorgungsordnung ist nicht notwendig oder nur etwas für größere Unternehmen.
Dies ist falsch.
Eine Versorgungsordnung regelt alle Spielregeln in der bAV für alle denkbaren Situationen. Vorzeitiges Ausscheiden, langfristige Krankheit etc. sind Themen, die auch im kleinsten Unternehmen auftreten und geregelt sein sollten. Spezifika eines Tarifs fallen auch bei Abfassung einer Versorgungsordnung auf und Probleme können zum Teil vorab gelöst werden.
12. Versicherungsgesellschaften und ihre Vertreter sind Spezialisten der betrieblichen Altersversorgung
Viele Arbeitgeber sind der Meinung, Versicherer seien Spezialisten der betrieblichen Altersversorgung und die besten Ansprechpartner.
Dies ist falsch.
Die Grundlage der bAV ist schlicht Arbeitsrecht. Versicherer und Produktspezialisten sind für die Rückdeckung verantwortlich, wenn die ganzen Vertragsgrundlagen bis zur Versorgungsordnung bereits vorliegen. Sie sind nicht zur Rechtsberatung befugt.
13. Ich übertrage bei Ausscheiden meines Mitarbeiters den Vertrag und bin von der Haftung befreit
Viele Arbeitgeber mit Direktversicherungen sind der Meinung, bei Ausscheiden eines Mitarbeiters geben sie den Vertrag mit und mit diesem versicherungsvertraglichen Verfahren sind sie aller Haftung entledigt.
Dies ist falsch.
Das versicherungsvertragliche Verfahren ist Quelle vielfältiger Fehler. Durch Mitgabe des Vertrags, also der Übertragung der Versicherungsnehmereigenschaft vom Arbeitgeber auf den ausgeschiedenen Arbeitnehmer, passiert nicht mehr, als dass die Rückdeckungsmittel auf den Arbeitnehmer übertragen werden. Die Verpflichtung des Arbeitgebers verschwindet damit nicht automatisch. Erforderlich ist eine begleitende arbeitsrechtliche Vereinbarung im Zusammenhang mit der Übertragung des Vertrags.
14. Ich erwerbe und übernehme den Geschäftsbetrieb, will aber die Direktversicherungen nicht und lasse diese beim Verkäufer
Bei Erwerb eines Geschäftsbetriebs, von der Zahnarztpraxis bis zum Handelsunternehmen, sind viele Käufer der Meinung, sie übernehmen einfach die Direktversicherungen oder andere Verträge nicht und haben dann keine Haftungsproblematiken.
Dies ist falsch.
Mitarbeiter gehen, wenn es kein Erwerb von Geschäftsanteile (KG oder GmbH oder Aktien) ist, automatisch nach § 613 a BGB auf den Erwerber über (Betriebsübergang). Die Verpflichtung in Form der Zusage geht automatisch auf den Erwerber über. Lediglich die Rückdeckungsmittel, also der Vertrag mit der Versicherung, müsste gesondert übertragen werden. Der Erwerber hätte in diesem Fall eine Verpflichtung, der Veräußerer die angesparten Deckungsmittel im Versicherungsvertrag.
15. Die Mitarbeiter haben einen Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung zu Gunsten einer Direktversicherung
Direktversicherungen sind weit verbreitet. Viele Unternehmer sind der Meinung, Mitarbeiter haben einen Rechtsanspruch auf eine Direktversicherung.
Dies ist falsch.
Mitarbeiter haben einen grundsätzlichen Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung. Die Versorgungsträger, den Durchführungsweg oder den Anbieter legt der Arbeitgeber fest. Lediglich wenn sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht auf einen Durchführungsweg einigen können, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Direktversicherung als Minimallösung.
16. Ich bin zu einem Zuschuss von 15 % zur Entgeltumwandlung verpflichtet
Viele Arbeitgeber sind der Meinung, sie sind in jedem Fall zu einem Zuschuss zur Entgeltumwandlung verpflichtet. Eine zusätzliche Last, die die bAV aus Arbeitgebersicht unattraktiv macht.
Dies ist falsch.
Die bereits bestehende Verpflichtung für Neuverträge zu einem 15 %-igen Zuschuss zur Entgeltumwandlung und die ab 2022 grundsätzlich bestehende Verpflichtung betrifft lediglich die Durchführungswege Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfond. Weder die Unterstützungskasse (kongruent rückgedeckt oder pauschaldotiert) noch die Direktzusage sind hiervon betroffen. Mit dem 15 %-igen Zuschuss soll die bAV attraktiver werden, es wird aber regelmäßig nur das deutliche Kostenproblem in Versicherungsverträgen gemildert. Der Pflichtzuschuss wird von den Mitarbeitern eher als demotivierend verstanden (siehe hierzu auch mein Rechtstipp: https://www.anwalt.de/rechtstipps/betriebsrente-15-pflichtzuschuss-in-der-bav-wertschaetzung-oder-demotivation_184604.html).
17. Ein Zuschuss von 15 % ist motivierend und wird vom Mitarbeiter als Wertschätzung empfunden
Viele Arbeitgeber sind der Meinung, mit der gesetzlichen Verpflichtung zu einem Zuschuss von 15 % dem Mitarbeiter etwas Gutes zu tun und ihn wertzuschätzen.
Dies ist falsch.
Er erfüllt damit nur eine Verpflichtung, was auch der Mitarbeiter weiß. Unattraktive Verträge werden dadurch etwas weniger unattraktiv. Versicherungsfreie Lösungen haben oft freiwillige Zuschüsse von 30 %, 50 % und gar 100 %. Dies empfinden Mitarbeiter als Wertschätzung. Richtig gestaltet ergeben sich auch Vorteile für den Arbeitgeber (siehe hierzu mein Rechtstipp: https://www.anwalt.de/rechtstipps/richtige-wahl-von-zusagezins-und-arbeitgeberzuschuss-bei-der-pauschaldotierten-unterstuetzungskasse_182601.html).
18. Lösungen außerhalb der Versicherungswirtschaft sind gefährlich und riskant
Viele Unternehmer sind der Meinung, Versicherungen sind altbewährt, sicher und bewahren vor Risiken. Versicherungsfreie Lösungen sind risikoreich.
Dies ist falsch.
Versicherungsfreie Konzepte können flexibel gestaltet werden und gerade der Punkt Arbeitgeberhaftung kann hier in besonderem Maße berücksichtigt werden. Biometrische Risiken durch Tod oder Berufsunfähigkeit sind hier ausschließbar. Mit Kapitalzusagen ist eine klare Kalkulierbarkeit gegeben.
Mittel können im eigenen Unternehmen besser verwendet werden als in Versicherungsgesellschaften und deren ertragsarmen Staatspapieren. Sachwertorientierte Anlage geben regelmäßig zusätzliche Sicherheit.
Bankenunabhängigkeit, zumindest die Befreiung von Kontokorrentkrediten und schnellere Tilgung von Darlehen, geben Sicherheit und vermindern Abhängigkeiten.
19. Rückdeckungen und Anlagen sind notwendig
Viele Unternehmer sind der Meinung, Kapitalanlagen sind zur Finanzierung der bAV zwingend erforderlich.
Dies ist falsch.
Grundsätzlich ist es sinnvoll, ein gewisses Polster zu haben. Wichtiger ist jedoch ein Controlling und ein ständiger Blick auf Fälligkeiten. Diese sind in einer Finanzplanung zu berücksichtigen und die Bereitstellung der Mittel darauf abzustellen, ob dies nun aus dem Cash Flow möglich ist oder aus fristenkongruent angelegten Anlagen. Die höchsten und sichersten Renditen lassen sich regelmäßig durch die Ersparnis von Kontokorrentzinsen erreichen.
20. Versicherungsgesellschaften und ihre Vertreter klären vollständig über die bAV auf
Viele Unternehmer sind der Meinung, die Vertreter der Versicherungsgesellschaften klären vollständig auf und informieren über alle Durchführungswege.
Dies ist falsch.
Regelmäßig wird nur über die Durchführungswege beraten, über die die Gesellschaft verfügt oder die im strategischen Fokus steht. Eine Gesellschaft, die über keine Pensionskasse verfügt, wird sicherlich anders beraten als eine, die ihre Pensionskasse strategisch erweitern möchte. Berufsunfähigkeit lässt sich den Mitarbeitern gegenüber gut verkaufen und ist bei vielen Gesellschaften ein profitables Geschäft. Die Gesellschaften beraten hier sicherlich anders als ein Berater, der die Minimierung der Arbeitgeberhaftung im Fokus hat.
Interne Durchführungswege zur Innenfinanzierung mit ihren flexiblen Möglichkeiten werden meist gar nicht beraten, weil diese tradtionell ohne Versicherungen funktionieren.
Beratung über ein Versorgungswerk, sei es die Neueinrichtung oder die Änderung und Umstrukturierung, kann nur auf Basis der Zielvorstellungen des Unternehmers erfolgen, die möglichst umfangreich abgefragt werden sollen und den Wunsch nach Liquidität genauso enthalten sollten wie das Bedürfnis nach Biometrie. (siehe hierzu meinen Rechtstipp: https://www.anwalt.de/rechtstipps/entscheidungshilfen-fuer-eine-pauschaldotierte-unterstuetzungskasse-oder-versicherungsfoermige-loesung_181095.html).
Gerne unterstütze ich sie bei Ihren Überlegungen in Zusammenhang mit Ihrem Versorgungswerk oder ihrer eigenen Versorgung.
Artikel teilen: