Das Problem der Treuhänderklausel in der bAV am Beispiel der Allianz

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1. Treuhänderklausel

„Treuhänderklausel: Allianz glaubt nicht, dass Kunden einer Anpassung des Rentenfaktors erfolgreich widersprechen können“ , so titelte das Portal Versicherungswirtschaft am 04.02.2021

Mit Rentenkürzungen aufgrund der Treuhänderklausel hat die Allianz bereits genug Erfahrung. So wurden bereits 2005 und 2017 erfolgreich Renten gekürzt und die Rentenfaktoren verschlechtert. Mit dem Rentenfaktor wird ermittelt, wieviel Monatsrente sich bei einem angesparten Kapital von z.B. 100.000 € ergibt. Je niederer der Rentenfaktor, desto niederer die Monatsrente.
Die Süddeutsche Zeitung hat jüngst die betroffenen Verträge mit 750.000 beziffert. Laut „Versicherungswirtschaft heute“ sind auch bAV-Verträge darunter und Arbeitgeber betroffen. Die Folge: Vielfach müssen voraussichtlich die Arbeitgeber für die Kürzung einstehen.

2. Argumentation der Allianz

Im Anschreiben an die Kunden bekräftigt die Allianz die Renditechancen des Kapitalmarktes sowie die Leistungsstärke und Stabilität ihres Sicherungsvermögens. Nach einem kurzen Hinweis auf die sinkenden Zinsen erfolgt die Aussage, dass man den Rechnungszins von 1,75 % auf 1,25 % senkt und deshalb laut diesem Schreiben der Rentenfaktor von 30,06 auf 27,12 sinkt. Vor der letzten Senkung 2017 betrug der Rentenfaktor noch 35,85. Manche Tarife sind laut „Versicherungswirtschaft heute“ von der Kürzung 2017 und 2021 betroffen. Die Kürzung scheint rechtens, da laut den Vereinbarungen sowohl eine Verschlechterung der Kapitalmarktsituation als auch eine gestiegene Lebenserwartung den Einsatz der Treuhänderklausel ermöglichen.

3. Die Auswirkungen im Klartext

Bei einem angesparten Kapitalstock von 100.000,00 € ergibt sich

bei einem Rentenfaktor von 35,85 eine Monatsrente von 358,50 €
bei einem Rentenfaktor von 30,06 eine Monatsrente von 300,60 €
bei einem Rentenfaktor von 27,12 eine Monatsrente von 271,20 €

Die Rente sinkt in diesem Beispiel also nach einer Kürzung um 57,90 € pro Monat (2017) um weitere 29,40 € in 2021. Eine Kürzung also in einer Größenordnung von rd. 10 % in 2021.

Aus einer Rente von 358,50 €, auf die sich der Mitarbeiter gefreut hat, sind zwischenzeitlich nur noch 271,20 € geworden.

Der Arbeitgeber, der diese Tarife in seiner betrieblichen Altersversorgung eingesetzt hat, sollte ganz schnell seine Zusagen überprüfen. Hat er die Garantierente auch zugesagt und seinerseits garantiert, auf die Treuhänderklausel nicht deutlich genug hingewiesen und auch aufgeklärt, wird er für die Differenz schnell haften. Der Mitarbeiter muss sich im Klaren gewesen sein, dass solche Kürzungen zu seinen Lasten passieren können.

Wie in meinem Rechtstipp zur Arbeitgeberhaftung ausgeführt, steht der Arbeitgeber immer für die Erfüllung der von ihm gemachten Zusagen ein:

https://www.anwalt.de/rechtstipps/haftung-des-arbeitgebers-in-der-betrieblichen-altersversorgung-und-minimierungsstrategien_185184.html

 https://www.anwalt.de/rechtstipps/zielpraemisse-7-arbeitgeberhaftung-in-der-bav-nach-1-abs-1-satz-3-betravg_181273.html)

Die Allianz macht es sich einfach.
Laut „Versicherungswirtschaft heute“ schreibt die Allianz, dass es wichtig ist, dass die Regelung zum Rentenfaktor und die Kürzungsmöglichkeit durch die Treuhänderklausel zum Inhalt der arbeitsrechtlichen Versorgungszusage geworden ist. In den Mustertexten sei dies regelmäßig vorhanden. Die Frage ist nur, haben die Arbeitgeber dies umgesetzt und reicht eine schlichte Umsetzung aus, um von der Verpflichtung als Arbeitgeber frei zu kommen und diese Kürzung an seine Arbeitnehmer weitergeben zu können? Es spricht mehr für ein Nein als für ein Ja.

4. Zwei Probleme in der Praxis

Zusagen liegen nach unseren Prüfungen von Versorgungswerken nicht in allen Fällen vor (siehe mein Rechtstipp: https://www.anwalt.de/rechtstipps/die-25-groessten-bav-fehler-und-maengel-der-betrieblichen-altersversorgung-in-versorgungswerken_185712.html). Der Verkauf findet in der Regel durch Versicherungsvermittler statt, die im Interesse der Gesellschaft und nicht des Arbeitgebers tätig sind. Selbst bei Maklern, die im Unternehmerinteresse tätig sind, fehlt häufig das bAV-Verständnis und auf Haftungsthemen weist man tendenziell nicht hin, Mitarbeitern die Kürzung darzustellen, erschwert den Verkauf. Es ist davon auszugehen, dass die meisten Vermittler um diese Thematik sowohl im Arbeitgebergespräch als auch im Arbeitnehmergespräch einen entsprechenden Bogen gemacht haben und diese Thematik eher relativiert als klar und deutlich für alle Beteiligten in der Tragweite transparent gemacht haben. Beratungsprotokolle und Dokumentationen sind hier sicherlich eine spannende Quelle, wie dies abgelaufen ist.

„Versicherungswirtschaft heute“ greift dann auch die bisherige Erfahrung bei Pensionskassen auf.
In Fällen von Pensionskassen gibt es bereits höchstrichterliche Rechtsprechung, nach der Verweise den Arbeitgeber nicht schützen und mit Haftungsansprüchen im Leistungsfall zu rechnen ist. Für viele Arbeitgeber wird dies ein bitteres Erwachen sein. Dies ist auch nachvollziehbar, wenn man versteht, welch hohes Gut die betriebliche Altersversorgung ist und wie restriktiv diese Ansprüche der Arbeitnehmer im Betriebsrentenrecht auch geschützt werden. Die Situation der Arbeitnehmer im Streitfall ist hier regelmäßig besser. Aufklärungspflichten und Hinweispflichten lassen leicht eine Haftung entstehen. Eine Pflichtverletzung in der Aufklärung im Zusammenhang mit einer produkt- und vertriebsorientierten Beratung ist eher der Regelfall.

5. Welche Tarife und Verträge sind betroffen?5

Laut „Versicherungswirtschaft heute“ sind Tarife der Allianz Pensionskasse, die Beitragszusage mit Mindestleistung des Allianz Pensionsfonds und Tarife innerhalb der Metallrente und des Versorgungswerks der Presse betroffen.
Es handelt sich demnach um Kapitalmarknahe Tarife in dem Zeitraum zwischen 7/2001 und 6/2013.

6. Fazit

Allianz ist sicherlich nicht die einzige Gesellschaft, die diesen Weg geht oder gehen muss. Wenn ein Marktführer vorangeht, ist es eine Frage der Zeit, bis andere folgen (müssen).
Je früher sich ein Arbeitgeber ernsthaft mit seinem Versorgungswerk und den darin schlummernden Problemen auseinandersetzt, desto vielfältiger sind noch die Handlungs- und Gestaltungmöglichkeiten.

In meinem Rechtstipp mit den 25 häufigsten Fehlern habe ich bereits eine Überprüfung von Versorgungswerken empfohlen. Gerne analysiere und überprüfe ich auch Ihr Versorgungswerk auf entsprechende Probleme und Schwachstellen.

Eine Stellungnahme der Allianz finden Sie hier: https://www.anwalt.de/rechtstipps/antwort-der-allianz-zur-arbeitgeberhaftung-aufgrund-senkung-der-rentenfaktoren-durch-die-treuhaenderklausel_186746.html

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Foto(s): AUTHENT

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