Haftung des Arbeitgebers in der betrieblichen Altersversorgung und Minimierungsstrategien

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1. Grundlage der Haftung des Arbeitgebers in der betrieblichen Altersversorgung

Die betriebliche Altersversorgung kennt 5 Durchführungswege. Direktzusage, Unterstützungskasse in den beiden Ausprägungen rückgedeckte und pauschaldotierte Unterstützungskasse, Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfond.
Bei der Direktzusage, auch unmittelbare Versorgungszusage genannt, handelt es sich als einziges um eine unmittelbare Zusage des Arbeitgebers. Bei den anderen 4 Durchführungswegen handelt es sich um mittelbare Versorgungszusagen, da hier ein Versorgungsträger eingebunden ist.

Das Betriebsrentengesetz regelt in diesem Zusammenhang hinsichtlich der Arbeitgeberhaftung nun vor allem zwei Dinge:

1.1. Betriebliche Altersversorgung ist immer mit einer Zusage des Arbeitgebers verbunden

Betriebliche Altersversorgung ist in § 1 BetrAVG definiert als Zusage von bestimmten biometrischen Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer.

Hierzu die Legaldefinition von "betrieblicher Altersversorgung" des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG im Wortlaut:
„Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes.“

Mit einfachen Worten, ohne Zusage handelt es sich nicht um betriebliche Altersversorgung und es gäbe auch steuerlich keinen Betriebsausgabenabzug. Oft sind die Zusagen auch nur in Versicherungsanträgen an irgendeiner Stelle enthalten.

1.2. Der Arbeitgeber haftet immer vollumfänglich für seine Zusagen und Versprechen

Weiter regelt das Gesetz, dass die Haftung des Arbeitgebers für diese Zusagen auf betriebliche Altersversorgung uneingeschränkt ist, auch wenn er Versorgungsträger wie Direktversicherung, Unterstützungskasse, Pensionskasse oder Pensionsfond in seine Zusagen einbindet, es sich also um mittelbare Formen bzw. Durchführungswege handelt.

§ 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG formuliert dies wörtlich wie folgt:

„Der Arbeitgeber steht für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt.“

1.3. Entgeltumwandlung oder Arbeitgeberfinanzierung regelt die Mittelherkunft

Die Konsequenz aus der vorstehenden Haftungsregelung ist:
Das Betriebsrentenrecht unterscheidet hinsichtlich der Haftung nicht, ob es sich um Entgeltumwandlung, Mischfinanzierung oder Arbeitgeberfinanzierung handelt.

1.4. Haftung durch falsche Berater und falsche Beratung

Haftung des Arbeitgebers resultiert häufig auch aus z.B. fehlerhaften Entgeltumwandlungsvereinbarungen, fehlenden oder fehlerhaften Versorgungsordnungen, falscher oder lückenhafter und zu wenig einzelfallorientierter Beratung und Konzeption sowie ungeeigneten Rückdeckungsprodukten.
Umfangreiche rechtliche Gestaltung ist nicht das Thema von Versicherungsvertretern oder Versicherungsvermittlern, sondern anspruchsvolle arbeitsrechtliche Beratung, losgelöst von Produkten. Darüber hinaus ist eine derartige Tätigkeit Vertretern und Vermittlern unter Umständen gar nicht oder nur eingeschränkt gestattet, da das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) hier klare Vorgeben macht.

2. Der größte Irrtum der Arbeitgeber und die praktische Konsequenz

Im Zusammenhang mit betrieblicher Altersversorgung besteht eine Reihe von Irrtümern. Ihren Ursprung haben sie meist darin, dass viele Arbeitgeber die Bedeutung und Tragweite betrieblicher Altersversorgung falsch einschätzen, teils falsch, lückenhaft oder gar nicht aufgeklärt wurden und häufig auf rechtliche Beratung verzichtet wurde und man sich mit den vertrieblichen Versprechen von Vertretern der Versicherungswirtschaft begnügt hat.

2.1. Meinung sehr vieler Arbeitgeber ist, dass sie überhaupt keine Zusagen machen, sondern lediglich einen Versicherungsvertrag unterzeichnen.

2.2. Weiter glauben viele Arbeitgeber, dass sie damit überhaupt nichts zu tun haben, da es ja nur Entgeltumwandlung sei und damit vollständig das Geld, die Angelegenheit und auch Verantwortung des Arbeitnehmers.

2.3. Viele Arbeitgeber glauben auch, dass sie mit Abführung der monatlichen Beiträge alles getan haben, was sie tun können und damit für sie alles erledigt sei, inkl. der Haftung.

2.4. Manche Arbeitgeber meinen auch, wenn der Arbeitnehmer für seine Versorgung Versicherung, Versorgungsträger und auch Versicherungsmakler auswählt, treffe ihn keine Haftung.

2.5. Einige Unternehmer haben von "pay and forget" in den Medien gehört. Dies betrifft allerdings nur das Sozialpartnermodell, d. h. die sogenannte Nahlesrente, die bislang auf keinerlei Resonanz stieß, da sie eben keine Garantie für den Mitarbeiter enthält.

2.6. Manche Arbeitgeber glauben, Direktversicherung oder Pensionskasse seien einfache Durchführungswege, bei denen keine Fehler gemacht werden können und bei denen nicht viel passieren könne.

2.7. Manche Arbeitgeber sind der Meinung, sie haben sich eine Bestätigung von der Versicherung geben lassen, die sie vor Haftung schützt und deshalb bestehet für sie keinerlei Risiko.

2.8. Manche Arbeitgeber sind auch der Meinung, Versicherungsgesellschaften halten ihre Garantien grundsätzlich ein und eine Garantie sei sicher und könne auch nicht reduziert werden.

2.9. Manche Arbeitgeber glauben, dass Zusagen bei Berufsunfähigkeit unproblematisch seien, da ja eine Versicherung besteht und diese das Risiko abdeckt.

Zu all diesen Vorstellungen kann nur folgendes gesagt werden:
All dies ist schlichtweg falsch. Es gilt die volle Haftung des Arbeitgebers für seine Zusage, also seine Garantie oder Versprechen gegenüber dem Arbeitnehmer.

3. Drei beispielhafte Fälle aus der Praxis, die den Arbeitgebern immer mehr die Augen öffnen und die Arbeitgeberhaftung in der betrieblichen Altersversorgung zeigen

3.1. Probleme der Pensionskassen auf breiter Front

Verschiedene Pensionskassen mussten in der Vergangenheit bereits ihre Leistungen kürzen. Die Gründe waren vielfältig, von Misswirtschaft, Kapitalanlageproblemen bis zu biometrischen Fehlkalkulationen (siehe hierzu auch meinen Rechtstipp https://www.anwalt.de/rechtstipps/koelner-pensionskasse-caritas-pensionskasse-geschaeft-mit-fragwuerdigen-und-unserioesen-empfehlungen_184521.html).

Die Steuerberater Pensionskasse ist genauso angeschlagen wie rund 50 weitere Pensionskassen, die unter verstärkter Beobachtung der BaFin als Aufsichtsbehörde stehen.
Kürzungen der ursprünglich garantierten Renten führen zu Ausgleichsverpflichtungen der Arbeitgeber.

3.2. Reduzierung der Leistungen von Versicherern

Derzeit sind viele Versicherer mit der Herabsetzung von Garantien wie beispielsweise der Beitragsgarantie, also dem Kapitalerhalt zum Ende oder auch der Veränderung von garantierten Rentenfaktoren und damit der Garantierenten, beschäftigt.

Sobald der externe Versorgungsträger die zugesagten und garantierten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nicht vollständig - egal aus welchen Grund - erbringt , haftet der Arbeitgeber für die gegenüber der Zusage entstandene finanzielle Lücke. 

siehe hierzu meine gesonderten Rechtstipps: 

https://www.anwalt.de/rechtstipps/das-problem-der-treuhaenderklausel-in-der-bav-am-beispiel-der-allianz_185743.html

https://www.anwalt.de/rechtstipps/absenkung-der-beitragsgarantie-in-der-bav_184948.html

https://www.anwalt.de/rechtstipps/allianz-senkt-rentenfaktor-arbeitgeberhaftung-und-was-zu-tun-ist_185813.html

3.3. Garantierte Rentensteigerungen bei Unterstützungskassen

Bei rückgedeckten Unterstützungskassen tritt regelmäßig die Situation auf, dass die garantierten Rentensteigerungen von 1,00 % durch zu geringe oder ausbleibende Überschüsse nicht erreicht werden. Der Arbeitgeber haftet für diese Steigerung und hat sie auszugleichen. Obwohl garantierte Rentensteigerungen von 1,00 % zugesagt wurden, wurden meist Versicherungen abgeschlossen, die diese Rentensteigerung nicht garantierten, sondern diese Steigerungen nur aus Überschüssen in Aussicht stellten. Die Unterstützungskasse der Allianz hatte hierauf ihre Trägerunternehmen vor einigen Jahren bereits hingewiesen und Nachschüsse und Ausgleich gefordert (siehe hierzu mein Rechtstipp https://www.anwalt.de/rechtstipps/rentenanpassung-von-betriebsrenten-und-arbeitgeberhaftung-fuer-rentenanpassung-bei-der-rueckgedeckten-unterstuetzungskasse_185112.html).

Die Allianz hatte folgende 3 Ausgleichsvarianten zur Wahl gestellt:

  • Die Unterstützungskasse überweist die Renten brutto an den Arbeitgeber und dieser legt die fehlende Differenz darauf und überweist dann denn vollen Betrag weiter
  • Die Unterstützungskasse wird mit der Rentenverwaltung beauftragt und die fehlende Dynamik wird als Einmalbeitrag jeweils zum Anpassungstermin (also jährlich) für eine zusätzliche Rückdeckungsversicherung überwiesen
  • Die bestehende Versicherung wird sofort durch einen Einmalbetrag um eine entsprechende Dynamik erhöht

Auch wenn der Arbeitgeber scheinbar viele Möglichkeiten hat, in jedem Fall zahlt nur er als Arbeitgeber für dieses Problem, auch wenn er der Meinung war, mit Abführung der Versicherungsbeiträge sei alles erledigt.
Begründet wurde diese Differenz lapidar mit der Kapitalmarktsituation.

4. Kann der Arbeitgeber sein Haftung ausschließen oder begrenzen?

Aus der Zusage und Garantie des Arbeitgebers und der Haftungsregelung im Betriebsrentengesetz leitet die Rechtsprechung einen sogenannten Verschaffungsanspruch ab.
Ein Ausschluss des Verschaffungsanspruchs des Mitarbeiters ist nicht möglich. Der Verschaffungsanspruch ist grundsätzlich und auch verschuldensunabhängig. (BAG, Urteil vom 20.09. 2016 – 3 AZR 302/1). Probleme der Versicherer, Leistungskürzungen oder Reduktion von Garantien exkulpieren den Arbeitgeber nicht und befreien ihn auch nicht von der Arbeitgeberhaftung. Auch eine entsprechend sorgfältige Auswahl des Versorgungsträgers oder die pünktliche Beitragszahlung exkulpieren den Arbeitgeber nicht.
Er hätte lediglich bei der Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung gestalterische Möglichkeiten gehabt, die Arbeitgeberhaftung zu minimieren.
Nach der 3-Stufen-Theorie des BAG kann der Arbeitgeber in engen Grenzen Versorgungsanwartschaften reduzieren. Maßgeblich dafür ist jedoch die schlechte, teils existenzbedrohende wirtschaftliche Situation des Arbeitgebers. Wenn diese nicht gegeben ist, scheidet eine Reduzierung in der Regel aus.


5. Gestaltungs- und Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers zur Haftungsbegrenzung in der betrieblichen Altersversorgung

Soweit ein Versorgungswerk eingerichtet ist, sind die Handlungsmöglichkeiten - auch wenn im beschränkten Umfang noch gegeben - bezüglich der bereits versorgten Mitarbeiter eingeschränkt.
Das Versorgungswerk kann jedoch zukünftig für neue Mitarbeiter geschlossen werden und ein neues modifiziertes Versorgungswerk für die neuen Mitarbeiter eingeführt werden.

Für die Zukunft lässt sich somit Vieles haftungssicherer gestalten. Es ist nie zu spät, ein Versorgungswerk fundiert zu überdenken, zu restrukturieren und neu zu ordnen.
Der Durchführungsweg kann gewechselt werden, Leistungsarten verändert werden und auch bestimmte Risiken eliminiert werden.

Eine Versorgungsordnung kann viele Zweifelsfragen lösen und regeln und klare Spielregeln aufstellen, die auf Einschränkungen in manchen Tarifen Rücksicht nehmen. Produkte sind stets der zweite Schritt, nach entsprechender arbeitsrechtlicher Beratung und Gestaltung.
Partner können im Rahmen einer Neuordnung neu festgelegt werden oder gar ein Wechsel zu klar kalkulierbaren internen Durchführungswegen vorgenommen werden wie der pauschaldotierten Unterstützungskasse. Dies vor allem, wenn die Liquidität zukünftig nicht mehr aus dem Unternehmen abfließen soll, sondern im Unternehmen für Investitionen, Wachstum oder Bankenunabhängigkeit genutzt werden soll.


Gerne helfe ich Ihnen bei Ihren Überlegungen, Ihr Versorgungssystem risiko- und haftungsärmer und auch sicherer auszugestalten oder rechtliche Rahmenbedingungen von der Versorgungsordnung bis zu Entgeltumwandlungsvereinbarungen neu zu gestalten.

Weitere Rechtstipps zur Arbeitgeberhaftung

https://www.anwalt.de/rechtstipps/die-20-groessten-irrtuemer-der-arbeitgeber-in-der-betrieblichen-altersversorgung_185244.html

https://www.anwalt.de/rechtstipps/die-25-groessten-bav-fehler-und-maengel-der-betrieblichen-altersversorgung-in-versorgungswerken_185712.html 

https://www.anwalt.de/rechtstipps/die-25-groessten-bav-fehler-und-maengel-der-betrieblichen-altersversorgung-in-versorgungswerken_185712.html

https://www.anwalt.de/rechtstipps/das-dilemma-zwischen-arbeitgeberinteressen-und-kontraeren-versicherungsvermittlerinteressen-in-der-betrieblichen-altersversorgung_185885.html

https://www.anwalt.de/rechtstipps/kopfkissen-schlaegt-lebensversicherung-die-zinsen-der-lebensversicherer-sinken-weiter_185328.html 

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Foto(s): AUTHENT

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