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Neuheitsschonfrist in Deutschland: Nachträglicher Schutz von Erfindungen

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Neuheitsschonfrist in Deutschland: Nachträglicher Schutz von Erfindungen

Was ist die Neuheitsschonfrist?

Die Neuheitsschonfrist bezeichnet den Zeitraum, in dem eine Erfindung nach ihrer Veröffentlichung beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) noch rechtlich geschützt werden kann. Veröffentlichung bedeutet, dass ein unbegrenzter Personenkreis Kenntnis von der Erfindung nehmen konnte, bevor eine Anmeldung stattfand. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Wissenschaftler einen Fachartikel veröffentlicht. 

Ohne die Neuheitsschonfrist wäre die Anmeldung beim DPMA und damit ein gewerblicher Rechtsschutz nach Veröffentlichung kaum noch möglich. Ausnahme: Wurde eine Erfindung durch Dritte missbräuchlich – ohne Einverständnis und Wissen des Erfinders – veröffentlicht, ist der gewerbliche Rechtsschutz weiter möglich. 

Für welche gewerblichen Schutzrechte bestehen Neuheitsschonfristen?

Neuheitsschonfristen existieren für alle gewerblichen Schutzrechte außer im Markenrecht. Die Neuheitsschonfrist schützt die gewerblichen Schutzrechte von Designs, früher auch Geschmacksmuster genannt. Innerhalb der Neuheitsschonfrist ist die Voraussetzung für die Anmeldung eines Designs, die Neuheit, immer noch gegeben, selbst wenn das jeweilige Design durch den Erfinder bereits publik gemacht wurde. Die Veröffentlichung steht einer späteren Anmeldung des Designs innerhalb der Frist damit nicht im Wege. 

Außer für Designs bzw. Geschmacksmuster existiert eine Neuheitsschonfrist auch für Gebrauchsmuster. Ein Gebrauchsmuster schützt technische Erfindungen und insoweit darauf beruhende Produkte. Anders als das Patent schützt das Gebrauchsmuster keine Verfahren. Wegen seines geringeren Schutzumfangs in dieser und anderer Hinsicht wird das Gebrauchsmuster deshalb auch als „kleiner Bruder des Patents“ bezeichnet. Jedoch reicht die Neuheitsschonfrist für ein Gebrauchsmuster derzeit weiter als für ein Patent. Die Neuheitsschonfrist wurde 1980 im deutschen Patentrecht abgeschafft. Obwohl sie mittlerweile wieder eingeführt wurde, gilt sie seitdem nur noch in einem sehr engen Rahmen, sodass man nicht von einer echten Neuheitsschonfrist sprechen kann, wie sie etwa in Japan oder in den USA besteht.  

Für Patente ist laut § 3 Abs. 5 Patentgesetz (PatG) die Neuheitsschonfrist auch nach Veröffentlichung deshalb nur in den folgenden zwei Ausnahmefällen gegeben: 

Die Veröffentlichung der Erfindung erfolgte nicht früher als sechs Monate vor Einreichung der Anmeldung, und zwar unmittelbar oder mittelbar durch 

  • offensichtlichen Missbrauch gegen den Willen des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers oder  

  • Zurschaustellung auf einer Ausstellung im Sinne des Abkommens über internationale Ausstellungen von 1928, die der Allgemeinheit zugänglich ist und länger als drei Wochen dauert. 

Im Markenrecht ist Neuheit dagegen keine Bedingung für den rechtlichen Schutz, sodass es hier keine Neuheitsschonfrist gibt. Falls Sie Fragen zur Anmeldung eines Schutzrechts haben oder Dritte Ihre gewerblichen Schutzrechte verletzt haben, holen Sie sich anwaltlichen Rat. Nutzen Sie dafür unsere praktische Suche und wählen Sie den passenden Anwalt für gewerblichen Rechtsschutz aus.

Wichtiger Hinweis: Der nachträgliche Schutz bei einer ausländischen Behörde ist dagegen in der Regel schwieriger als beim DPMA. 

Wie lange gilt die Neuheitsschonfrist?

Für Designs gilt eine Neuheitsschonfrist von zwölf Monaten ab dem Zeitpunkt, an dem ein Design der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde oder missbräuchlich gegenüber dem Erfinder offenbart wurde, bis zu dessen Anmeldung in diesem Zeitraum (§ 6 Designgesetz (DesignG)). Für Gebrauchsmuster besteht dagegen eine Neuheitsschonfrist von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Beschreibung oder Benutzung in der Öffentlichkeit, innerhalb der die Anmeldung des Gebrauchsmusters erfolgen muss (§ 3 Abs. 1 S. 3 Gebrauchsmustergesetz (GebrMG)). Für Patente beträgt die Frist sechs Monate ab dem Zeitpunkt, an dem die Erfindung offensichtlich missbräuchlich ausgestellt wurde oder sie in einer Ausstellung präsentiert wurde, die dem 1928 in Paris unterzeichneten Abkommen über internationale Ausstellungen entspricht.  

Neuheitsschonfrist gilt auch für vorveröffentlichte Teile eines Designs

Vor dem Bundesgerichtshof (BGH) ging es um die Frage, ob die Neuheitsschonfrist sich auch auf eine als Design geschützte Schuhsohle erstreckt, wenn das Gesamterzeugnis – also der Schuh – der Öffentlichkeit bereits bekannt war. Die Klägerin wurde 2007 Inhaberin des Designs der Schuhsohle. Bereits am 12.09.2006 hatte sie jedoch ein das Design für den ganzen Schuh, der die besagte Schuhsohle enthielt, angemeldet. Die Beklagte bot Schuhe mit der geschützten Sohle an und verteidigte sich damit, dass das 2007 von der Klägerin eingetragene Design für eine Schuhsohle zum Zeitpunkt der Anmeldung nicht mehr neu gewesen sei. Die Schuhsohle sei nach Meinung der Beklagten bereits durch die Designanmeldung des ganzen Schuhs bekannt gewesen.  

Der BGH erteilte dieser Ansicht jedoch eine Absage und gab der Klägerin Recht. Die Beklagte durfte die Schuhsohle nicht verwenden, da sich die Neuheitsschonfrist auch auf Teile einer bereits veröffentlichten Erfindung erstreckt (BGH, Beschluss vom 23.02. 2012, Az.: I ZR 68/11 - Milla). 

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Ist eine Erfindung zwischen Veröffentlichung und Anmeldung vor Nachahmung geschützt?

Eine Sportartikelherstellerin zeigte 2016 auf einer Modenschau Badeschlappen, die mit einer glänzenden Satinschleife verziert waren. Noch bevor sie 2017 ihre Neuinterpretation des Schuhwerks als Design anmeldete, brachten Dritte einen Badeschuh auf den Markt, der identisch aussah. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf stellte klar, dass zwischen der ersten Offenbarung des Designs auf der Modenschau und der Anmeldung der Schutzrechte die zwölfmonatige Neuheitsschonfrist bestand. Daher hatten Veröffentlichungen Dritter, die auf das Design der Klägerin zurückzuführen sind, keine Auswirkungen auf die Neuheit des Designs, die Voraussetzung für die Anmeldung von Schutzrechten ist. Das Gericht ging nicht davon aus, dass es sich bei dem Schuhmodell, das Dritte auf den Markt gebracht hatten, um eine unabhängige Parallelschöpfung handelt. Es nahm dagegen an, dass es zumindest auf Kenntnis des Schuhmodells der Klägerin beruht und damit Folge einer Handlung des Entwerfers ist.  

Mit anderen Worten: Aufgrund der Neuheitsschonfrist galt der Badeschuh zum Zeitpunkt der Anmeldung als neuartiges Design, sodass die Sportartikelherstellerin die Inhaberin des Designs ist, obwohl in der Zwischenzeit Nachahmungen Dritter veröffentlicht wurden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.04.2019, Az.: I-20 U 103/18).  

(THH)

Foto(s): ©Pexels/ThisIsEngineering

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